Mannheim/Pforzheim. Viel Polizei, wenige Nazis.

Pforzheim

Die alljährliche Fackelmahnwache der faschistischen Gruppierung „Freundeskreis ein Herz für Deutschland“ fiel 2013 auf einen Samstag und entsprechend war eine größere Teilnehmerzahl der Nazis zu erwarten, der sich allerdings auch eine landesweite antifaschistische Mobilisierung entgegen stellte. Die Polizei hatte mit einem absurden Aufgebot von ca. 1000 Beamt_innen ebenfalls stark nach Pforzheim mobilisiert.  Thema der Veranstaltung war der Jahrestag der Bombardierung der Stadt zum Ende des Zweiten Weltkriegs. Nazis versuchen die Kriegsschuld umzudeuten und die Alliierten als „Verbrecher“ darzustellen, während die Wehrmacht verherrlicht und der NS verharmlost wird.

 

Das offizielle Gedenken der Stadt blendet die historischen Rahmenbedingungen teilweise aus und legt des Fokus zusammenhangslos auf die zivilen Opfer des Bombardements, während Antifaschist_innen stets auf die historischen Zusammenhänge, die deutsche Kriegsschuld und die Beteiligung von Industrie und Zivilgesellschaft an der Militarisierung des nationalsozialistischen Deutschlands hinweisen.

 

Grün-roter Polizeistaat


Demnach distanziert sich auch der OB Gert Hager (SPD) von den Antifaschist_innen, bezeichnete uns als reisende Chaoten, setzte uns mit Nazis gleich und sorgte mit Hilfe des Polizeiapparates für die Aushebelung demokratischer Grundrechte zum Schutz der „öffentlichen Ordnung“, was im Klartext der möglichst reibungslose Ablauf der Nazi-Mahnwache bedeutet.

 

Für die Antifaschist_innen aus Mannheim und Umgebung, die mit einem Reisebus nach Pforzheim kamen, bedeutete dies eine skandalöse Razzia, was letztlich zur Verhinderung der Demonstrationsfreiheit führte. Unser Bus wurde einige Kilometer vor der Stadtgrenze auf einen Parkplatz heraus gezogen, wo bereits 100 bis 150 Polizist_innen bereit standen, um die 50-köpfige Busbesatzung einzeln einer Durchsuchung mit anschließender Personalienkontrolle zu unterziehen. Von allen Antifaschist_innen wurden zwangsweise Portraitfotos angefertigt, insgesamt wurden wir etwa 1,5 Stunden festgesetzt. Ergebnis: eine Ingewahrsamnahme, weil die Handschuhe eines Antifaschisten als „gefährlich“ eingestuft wurden. Die vom Pforzheimer Polizeidirektor Metzger angeordnete Razzia geschah verdachtsunabhängig zur „Gefahrenabwehr“, entsprechend einem faschistoiden Polizeigesetz, das unter grün-roter Regierung ebenso gut funktioniert, wie damals unter schwarz-gelber. Vor fünf Jahren fuhren wir ebenfalls am 23. Februar mit dem Bus nach Pforzheim, auch damals gab es eine ähnliche Razzia. Der entscheidende Unterschied 2013 war, dass wir so lange festgehalten wurden, bis die Teilnahme an der Demonstration nicht mehr möglich war.

 

Blockaden sabotieren die Nazi-Mahnwache


Die antifaschistischen Aktionen in der Innen- und Nordstadt und auf dem Wartberg fanden somit zu Beginn ohne Mannheimer Beteiligung statt. Ein antifaschistischer Demonstrationszug gelangte bis auf die Zufahrt zum Wartberg und blockierte damit die Anreise der Nazis. Es kam zu Auseinandersetzungen: Antifaschist_innen hatten Absperrungen durchbrochen, die Polizei knüppelte und setzte Pfefferspray ein, was zu verletzten Demonstrant_innen führte. Neben der Menschenblockade gab es auch zahlreiche Materialblockaden auf den Zufahrtswegen zum Berg. Eine größere Gruppe Antifaschist_innen wurde von der Polizei eingekesselt und für Stunden in der Kälte festgehalten, selbst Toilettengänge wurden den Menschen verwehrt. Die Personalien von hunderten Antifaschist_innen wurden aufgenommen. Nach unserer verspäteten Ankunft konnten wir noch den weniger wichtigen Blockadepunkt im Südwesten des Wartbergs unterstützen.

 

Insgesamt führten die Material- und Menschenblockaden dazu, dass die Anreise der Nazis massiv behindert wurde. Von den etwa 200 Nazis schaffte es nur knapp die Hälfte auf den Wartberg. Der größere Teil, darunter auch die Nazis aus der Rhein-Neckar-Region, versuchte es nicht einmal und entschied sich für eine Ersatzveranstaltung im Nachbardorf Mühlacker. Offenbar hatten die Aktionen der letzten Wochen und Monate in Heidelberg, Dresden oder Mannheim ihre psychologischen Spuren hinterlassen.

 

Unsere Solidarität gegen die Zusammenarbeit von Staat und Nazis


Die skandalösen polizeistaatlichen Methoden sorgten zwar für Festnahmen, Kontrollen, Verletzte (inkl. Krankenhausaufenthalten) und schränkten sogar unser Demonstrationsrecht ein. Trotzdem konnte die Polizei den antifaschistischen Widerstand nicht brechen. Konsequente Aktionen sabotierten die Nazi-Mahnwache und machten damit den 23. Februar 2013 das erste Mal seit Jahren zu einem Erfolg in Pforzheim – wenn auch zu einem hohen Preis.

 

Gerade für die Mitglieder der Grünen Jugend und der Jusos war die Razzia unseres Busses ein Lehrstück in Sachen Polizeistaat im Auftrag der grün-roten Regierung. Ob und wie im Nachhinein sinnvoll juristisch dagegen vorgegangen werden kann, müssen wir gemeinsam diskutieren und von einem Anwalt prüfen lassen.

 

Wer der Polizeidirektion Pforzheim vorab etwas Arbeit machen möchte und sich zudem für den Verbleib seiner persönlichen Daten interessiert, dem empfehlen wir den Musterbrief der AG Datenschmutz der Roten Hilfe. Sendet diesen an: Polizeidirektion Pforzheim, Bahnhofstraße 13  75172 Pforzheim mit folgendem Inhalt:

Ich verlange auf Grundlage von § 45 Polizeigesetz Baden-Württemberg (PolG),§ 11, Abs. 5 Verordnung des Innenministeriums Baden-Württemberg zur Durchführung des Polizeigesetzes (DVO PolG),§ 19, Abs. 1 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) und § 21, Abs. 1 Landesdatenschutzgesetz (LDSG) zu folgenden Punkten Auskunft über die durch die Polizeidirektion Pforzheim  zu meiner Person in Systemen der elektronischen Datenerfassung und -verarbeitung gespeicherten Daten, im Besonderen über personenbezogene Datensätze im polizeilichen Auskunftssystem POLAS, LABIS, sowie im elektronischen Vorgangsbearbeitungssystemen, aber auch in Hilfsdateien wie etwa der AD PMK;  über den Zweck der Verarbeitung; über die Herkunft der Daten, soweit diese gespeichert oder sonst bekannt ist; über die Empfänger oder die Gruppen von Empfängern, an die die Daten übermittelt wurden.

 

Die Veränderung der Gesellschaft wird aber nicht über Gerichte und Behörden, sondern nur auf politischem Wege erreicht. Der direkte Vergleich der Aktionen am 16. Februar in Mannheim und am 23. Februar in Pforzheim unter grundsätzlich gleichen gesetzlichen Rahmenbedingungen verdeutlicht die politische Dimension ordnungspolitischer Entscheidungen. Der rechte Hardliner OB Hager (SPD) und Einsatzleiter Metzger entschieden sich dafür, Pforzheim temporär in einen autoritären Polizeistaat zu verwandeln, während der linksliberale OB Kurz (SPD) und Einsatzleiter Gräter in Mannheim eine andere Linie verfolgten, Antifaschismus als legitimes Anliegen sahen und durch Deeskalation Verletzte und Verhaftungen vermieden. Die Aufstellung der Zivilgesellschaft in einer Stadt und die Bündnisarbeit gegen Nazis haben auf solche Entscheidungen einen erheblichen Einfluss. Letztlich sind es aber die Aktionen auf der Straße, die einen Naziaufmarsch verhindern.

 

Den Verletzten vom 23. Februar wünschen wir gute Besserung und den Antifaschist_innen, die aus welchen Gründen auch immer mit einem Ermittlungsverfahren rechnen müssen, sichern wir unsere Solidarität zu!

 

Zuletzt bedanken wir uns bei der Antifajugend Ludwigshafen/Mannheim, die die Busfahrt gut organisiert hat und auch damit für einen solidarischen Zusammenhalt der unterschiedlichen Antifaschist_innen im Bus sorgte, was angesichts der polizeilichen Angriffe auch notwendig war.

 

Ob schwarz-gelb oder grün-rot… Polizeistaat abschaffen!

Naziaufmärsche verhindern!

 

AK Antifa Mannheim

Fotos vom Tag gibt es bei der AG Freiburg (Flickr)
Artikel und Fotos von nigra bei  linksunten
PM des AABS bei linksunten
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Wir haben versucht, den Konsens zu beachten. Vor allem der Punkt mit dem solidarisch gegenüber allen zu sein, die gegen Rechts sind, egal welcher Strömung. Doch dies wurde entweder unabsichtlich oder absichtlich sehr schwer gemacht.
Es gab mehrere Stellen, über die wir uns als Bezugsgruppe öfters aufgeregt haben und uns gefragt haben: "Was soll der scheiß?"
Angefangen hat es mit der Blockade der Zufahrtsstraße am Hotel Hasenmayer. Da wollte Mensch blockieren. Aber wie... Menschen mit Fahnen der Partei "Die Linke" riefen dazu auf, die Hauptstraße (Hohenäckeralle) zu blockieren. Was einfach sehr wenig Sinn machte, da wir nur etwa 50 GenossInnen waren. So riefen wir dazu auf, weiter vor zu gehen und die Wartbergalle zu blockieren -  was dann nach geraumer Zeit auch passierte. Hier positionierten sich nun die ersten Bullen. An diesem Zeitpunkt hätte man noch so weit vorgehen können, dass wir immer noch die Treppe, die zur Theodor-Neuäckerstraße führt, hätten halten können. Was auch durch Zurückschubsen der Bullen erfolgte.
Nun kam aber der größte Fehler überhaupt. Wieder eine Dame der Partei "Die Linke" rief zu einem "Plenum", in welchem nur über die Kesselung hinter dem Wartberg diskutiert wurde. Durch dieses Plenum begannen einige Menschen die Blockade zu verlassen. Da unsere Freunde in Blau-Weiß nicht ganz so Dumm sind, wie sie aussehen, haben sie sich die Treppe in diesem Moment zurück geholt.

Später an diesem Abend:
Wir sind aufgrund dieser Ereignisses mit ein paar anderen Bezugsgruppen auf den Wartberg gezogen. Oben angekommen waren wir an der Blockade an der Westlichen Wartbergallee an den Schrebergärten. Als die "Mahnwache" begonnen hatte, zogen alle bis ganz nach vorne an das Gitter der Bullen, um in Rufnähe zu den Faschisten zu stehen, was ja auch nicht verkehrt ist. Einige GenossenInnen fanden durch einen Schrebergarten einen Weg bis kurz zu den Faschisten hin (vielleicht 30m). Es wurde alles abgesichert.Wir haben den  Stacheldraht an den Schrebergärten entfernt und sichere Übergänge über die Zäunegebildet. Alles wurde perfekt hingerichtet, dass die Masse hätte nachrücken  können. Nur niemand kam. Am Schluß waren es in den Gärten vielleicht 6 GenosseInnen und nur 2-3, die sich bis vor an die Faschisten trauten und ihre Wache mit Rufen und Schneebällen störten. Es wäre aber mehr gegangen. Auch hätte man noch näher an die Nazis rankommen können. Nur zu 2. ist dies einfach ein Spiel mit dem Feuer. Am Zaun warteten allerdings mehrere GenossInnen, die uns wieder aus dem Garten halfen, als nach ungefähr 5 Minuten eine Hundertschaft den Garten stürmte. Hierbei nochmals vielen Dank an die GenossenInnen, die am Zaun standen bzw. auf dem Zaun saßen und an den anderen mutigen Genossen, der mit mir vorne war.

Alerta Antifascista Ⓐ
gez. Bezugsgruppe "Spinat".

sollte auch intern kommuniziert werden.  Bitte nutzt dafür andere Medien.

Schöne Aktion. Schade, dass nicht genug Menschen bei euch waren...

Aber: bitte keine echten Bezugsgruppennamen auf linksunten!

gibt es bilder von den nazis?

Wenn jemand eine einfache normale Brille sucht, die ihr/ ihm im Kessel verloren gegangen ist, dann bitte in Stuttgart (Linkes Zentrum Lilo Herrmann) melden. Sie wurde gefunden und kann dort abgeholt werden.