Am Montagabend wurde in Berlin auf einer Veranstaltung über ein Verfahren gegen Wolfgang Lettow, den presserechtlich Verantwortlichen der Publikation Gefangeneninfo, berichtet. Die Zeitschrift wurde 1989 als Hungerstreikinfo gegründet, hieß danach Angehörigeninfo, weil sie von den Angehörigen der politischen Gefangenen aus RAF und Widerstand herausgegeben wurde und seit zwei Jahren Gefangeneninfo. Es berichtet über Kämpfe in den Knästen und über Solidarität. Insgesamt über 30 gerichtliche Verfahren hatte in das Info in seiner nun 21jährigen Geschichte, berichtete Wolfgang Lettow in Berlin.
Der Stein des Anstoßes bei dem jüngsten Verfahren ist ein
Prozessbericht der Ortsgruppe Düsseldorf-Mönchengladbach der Roten
Hilfe zum Verfahren gegen Faruk Ereren.
Ihm werden Aktivitäten in
der in der Türkei und Deutschland verbotenen Volksbefreiungsfront
(DHKP-C) vorgeworfen. Ein Teil der Anklageschrift stützt sich aus
Ermittlungen der türkischen Justiz, der Menschenrechtler vorwerfen,
auch vor Folter nicht zurückzuschrecken.
Diese Erfahrung
mussten auch Prozessbeoachter in Düsseldorf in den letzten Monaten
öfter machen. Ende Mai 2009 wurden 10 Personen mehr als 1 Stunde im
Gerichtsgebäude festgesetzt, weil sie sich durch Parolen mit den
Angeklagten solidarisierten. Nun sollen 2 von ihnen wegen Widerstand
gegen die Staatsgewalt angeklagt werden.
Mit regelmäßigen
Prozessberichten soll zumindest etwas Öffentlichkeit hergestellt
werden. Denn die Pressebank blieb bisher in dem Düsseldorfer Verfahren
meistens leer. Scheinbar war selbst die kleine linke Öffentlichkeit,
die durch die Prozessberichte erreicht wurde, für die die Düsseldorfer
Justiz zu viel. In dem inkriminierten Text wird geschildert, wie gegen
Nuri Eryüksel Beugehaft verhängt wird. Er saß jahrelang in der Türkei
in Haft, verlor durch die Folter sein Augenlicht und lernte auch in der
Schweiz und Deutschland Gefängnisse von innen kennen. Weil er in dem
Düsseldorfer Verfahren die Aussage verweigerte, wurde gegen ihn
Beugehaft verhängt. Die Autoren des Prozessberichts kommentieren das
Geschehen aus ihrer subjektiven Sicht und sahen in der Maßnahme eine
Willkür des Gerichts.
Sie schreiben in ihrem Bericht dem
zuständigen Richter nach der Verkündung der Beugehaft eine Bemerkung
zu, die von vielen Ohrenzeugen als zynisch empfunden wurde. Dort soll
der Richter mit Verweis auf Nuris Erblindung erklärt haben, dass er
vielleicht in der Beugehaft zur Besinnung komme. Der Richter bestreitet
diese Äußerung. Mehrere ProzessbeobachterInnen, darunter ein Anwalt und
ein Vertreter des Komitees für Grundrechte können sich an eine von
ihnen als zynisch empfundene Äußerung des Richters erinnern.Wegen
dieser Passsage im Prozessbericht wird nun Wolfgang Lettow wegen
Verleumdung angeklagt.
Druck auch auf soziale Gefangene steigt
Wie
wichtig es ist, Öffentlichkeit über die Knast- und Justizsituation
herzustellen, machte Christian Herrgesell vom Komitee für Grundrechte
und Demokratie deutlich. Es sind längst nicht nur politische Gefangene,
die von Repression betroffen sind, betonte er. Er nannte als Beispiel
die Zunahme Drohung mit der Sicherheitsverwahrung, gegen renitente
Gefangene. Seit 1998, als die Möglichkeit der Sicherheitsverwahrung im
Gesetz festgeschrieben wurde, gab es ca. 7000 Anträge. Obwohl nur ein
kleiner Teil genehmigt wurde, ist doch die Drohung für renitente
Gefangene immer vorhanden.
Zumal die Gefangenen durch die
Mitwirkungspflicht sanktioniert werden. Weigern sie sich, an ihrer
Resozialisation mitzuarbeiten, werden sie als sogenannte Risikogruppen
knastintern bestraft.
Prozess in Berlin am kommenden Mittwoch
Diese
Schilderung macht einmal mehr deutlich, dass eine Publikation wie das
Gefangeneninfo gebraucht wird. Wolfgang Lettow ist optimistisch, dass
das Info auch den jüngsten Kriminalisierungsversuch gestärkt überleben
wird. Der Prozess gegen Wolfgang Lettow wird vor dem Amtsgericht
Tiergarten, Turmstr. 91, Raum 769 am 21. 4. 2010 stattfinden. Um 12 Uhr
wird es vor dem Eingang des Amtsgericht eine Pressekonferenz geben, wo
noch einmal gegen das Verfahren Stellung genommen werden soll.
Kundgebung
Einladung zur Verlesung einer Presseerklärung
Am 21. April 2010 um 12.00 Uhr
vor dem Amtsgericht Tiergarten
Turmstr. 91, 10559 Berlin
Zum Prozess gegen das Gefangenen Info
Aufgrund einer Verleumdungsklage findet am 21. April 2010 vor dem Amtsgericht Tiergarten ein Prozess gegen die Antirepressions- und Solidaritätszeitung Gefangenen Info statt. Die Anklage basiert auf einem Prozessbericht, der in dem Gefangenen Info Nr. 348 abgedruckt wurde und in dem es um einen der drei laufenden §129b-Verfahren geht. Im Rahmen der kritischen Berichterstattung zu den §129b-Prozessen in Stuttgart-Stammheim und Düsseldorf druckte das Gefangenen Info im letzten Sommer einen Prozessbericht einer Ortsgruppe der Roten Hilfe ab, bei dem u.a. der vorsitzende Richter in Düsseldorf zitiert wurde. Die Veröffentlichung des besagten Prozessberichts brachte Strafbefehle gegen die Onlinezeitung "Scharf-Links" über 12.000 Euro und dem Gefangenen Info über 2.800 Euro ein. In dem besagten Bericht ging es um die Anhörung des Zeugen Nuri Eryüksel, welcher während seiner Haftzeit und die Folter in der Türkei erblindet war. Er verbrachte außerdem sechs Jahre in deutschen Gefängnissen, weil er wegen „DHKP-C“-Mitgliedschaft verurteilt worden war. An jenem Prozesstag verweigerte Eryüksel einen Teil der Aussagen, woraufhin er einen Monat in Beugehaft genommen wurde.
Da sich das Gefangenen Info durch diese Maßnahme in ihrer Arbeit als kritischer Berichterstatter zensiert fühlt und davon ausgeht, dass diese Anklage dazu dienen soll, die kritische Berichterstattung zu den laufenden "Anti-Terror-Prozessen" einzuschüchtern und dadurch mundtot zu machen, verliest der presserechtliche Verantwortliche des Gefangenen Infos, Wolfgang Lettow, vor Prozessbeginn eine Presseerklärung.
Wolfgang Lettow
Presserechtlicher Verantwortlicher beim Gefangenen Info