*Am 05. September 2012, drei Tage vor Beginn des Protestmarsches der Non-Citizens nach Berlin, bin ich gemeinsam mit anderen Genoss_Innen von Düsseldorf nach Würzburg gefahren, um die letzten organisatorischen Dinge zu klären. Am frühen Morgen nahm mich die Polizei am Zelt unter dem Vorwand der Ausweiskontrolle fest und fuhr mich gegen Mittag in Begleitung von zwei Polizisten in mein Lager in NRW zurück. Heute stand ich wegen Beleidigungen vor Gericht, die ich im Auto an die Beamten gerichtet habe. Das Urteil: zwei Monate Haft. Im Folgenden möchte ich offiziell meine Ansicht dazu erläutern.*
Für das Urteil ist völlig irrelevant, aus welchem Grund ich die
Polizisten beleidigt habe. Was zählt und wofür ich bestraft werde, ist,
dass ich es getan habe. Ich wollte zu meiner Verteidigung ausführen,
welcher Umstand mich dazu verleitet hat, diese Dinge zu sagen. Doch der
Richter ließ das nicht wirklich zu und unterbrach wiederholt meine
Ausführungen. Ich möchte jetzt, dass jeder weiß: als ich vergangenes
Jahr festgenommen wurde, wurde ich bis etwa 15 Uhr auf aggressive und
anormale Art und Weise ausgefragt und anschließend in Handschellen – die
Hände am Rücken – auf den Rücksitz
des Autos gesetzt. Der Beifahrer schob seinen Sitz bis zum Anschlag nach
hinten, sodass ich wie ein Paket dort saß. Nach etwa zwanzig bis
dreißig Minuten Fahrt ab Würzburg, schmerzten meine gefesselten Hände,
mein Rücken.
Ich habe mit meinem gebrochenen Englisch versucht den Polizisten zu
erklären, dass ich Schmerzen habe, dass sie die Handschellen ruhig
abnehmen können, zumal ich doch, hätte ich abhauen wollen, nicht
freiwillig am Morgen zur Wache mitgegangen. Jeder Versuch wurde mit dem
Ausspruch abgeblockt, wir seien hier in Deutschland und man habe hier
Deutsch zu sprechen – auch diese Worte richteten sie auf Deutsch an
mich. Um den Schmerz erträglicher zu machen, habe ich mich auf der
Rückbank hingelegt.
Daraufhin fuhr der Polizist rechts ran. Der andere Beamte kam zu mir
nach hinten, richtete mich wieder auf, setzte sich zu mir und hielt
drohend sein Pfefferspray in der Hand. Ich habe wiederholt, dass man mir
die Handschellen abnehmen soll, dass ich dann auch vernünftig sitzen
kann. Sie haben wiederholt, wir seien hier in Deutschland und man habe
hier Deutsch zu sprechen. Sie waren diejenigen, die eine aggressive
Stimmung provozierten und da ich nach dem vorangegangenen Verhör gereizt
war, explodierte ich; ich sagte alles, was mir in den Sinn kam. Ich
habe das Land beleidigt, die Sprache, habe sie als Faschisten
beschimpft. Kommen wir zu der heutigen Verhandlung. Der Richter sagte
mir, dass ich mich zu dem Zeitpunkt, zu dem ich festgenommen wurde, in
Nordrhein Westfalen hätte befinden müssen und mein Aufenthalt in Würzburg eine Verletzung der
Residenzpflicht gewesen sei. Ich habe entgegnet, dass nicht jedes
Gesetz, bloß weil es Gesetz ist, auch richtig ist – waren doch auch die
Nürnberger Gesetze seinerzeit rechtens und sind heute Geschichte. Und
dass ich, hätte ich Gesetze einhalten wollen, vor zehn Jahren nicht
diese Odyssee der Flucht durch verschiedenste Länder auf mich genommen
hätte. Ich hatte zwar keine Möglichkeit, die Gründe auszuführen, die
mich dazu gebracht haben, die Polizisten zu beleidigen, habe jedoch
gesagt, dass ich, befände ich mich erneut in der gleichen Situation,
genauso handeln würde, wie damals. Allein dafür, dass ich ihre Mütter
beleidigt habe, habe ich mich entschuldigt; das war sexistisch von mir.
Die beiden Polizisten wurden vorgeladen. Um ihnen die Umstände, die am 25. September 2012 dazu führten, dass ich sie beleidigte, nochmals vor Augen zu führen, habe ich den zwei Beamten Fragen gestellt. Auch das wurde seitens des Richters eingeschränkt. Ein Polizist sagte, dass er sich nicht mehr genau an alles erinnere, was vor einem Jahr gesagt und getan worden war.
Der andere meinte er spreche kein Englisch und habe mein Englisch nicht
verstanden. Wie schmutzig und gelogen das ist, wissen wir alle, zumal in
Deutschland schon in der Grundschule der Englischunterricht beginnt und
Polizeibeamte tagtäglich mit verschiedenen Situationen konfrontiert
sind, in denen sie Englischkenntnisse vorweisen müssen und dass sie
dementsprechend geschult sein müssen. Als die Polizisten den Saal
verließen, fragte mich der Richter, warum ich, wenn ich in „seinem
Deutschland“ die Gesetze nicht befolgen wolle, hergekommen sei. Diese
Frage zeigte, dass ich offensichtlich einem faschistischen Richter
gegenüber saß.
Leider mussten mir die Aussagen des Richters übersetzt werden, was
bedeutet, dass ich nicht weiß, was er wortwörtlich gesagt hat. Dass er
von „mein Deutschland“ sprach, erfuhr ich erst nach der Verhandlung von
Genoss_Innen. Hätte ich tatsächlich alles verstanden, was er sagte,
hätte ich auch ihm alles gesagt, was mir in den Sinn gekommen wäre.
Ich möchte nicht auf Details eingehen – die sind im Protokoll zur
Verhandlung nachzulesen. Aber, und das geht an den deutschen Staat,
seine Polizisten und Gerichte: Gefängnisse sind von diesem System für
solche Leute wie mich gemacht. Die Gesetze, die das System macht, sind
dafür da, von Leuten wie mir gebrochen zu werden. Und Leute wie ich sind
bereit, abzusitzen. Ihr werdet auf diesem Wege Widerstand und Kampf
nicht beenden!
Ich habe im Iran im Gefängnis gesessen, in der Türkei und in Griechenland.
Auch in der deutschen „Demokratie“ werde ich absitzen. Und glaubt mir:
ihr habt nicht genug Gefängnisse für uns alle. Wir werden siegen.
Widerstand und Kampf. Es lebe der Aufstand der Unterdrückten.
Ich grüße meine GenossInnen im Hungerstreik in Berlin, die Protestierenden in Wien und Brüssel. Was sind schon zwei Monate Haft im Vergleich zu den unzähligen Toten im Mittelmeer, was im Vergleich zu den Tränen, die ihre Familien vergießen?
Stoppt Abschiebung, Residenzpflicht, Unterbringung in Lagern!
Arash Dosthossein
16.oct.2013
Titel
wie heißt der richter?