Antizionismus ohne Israel.

Der Haß auf den jüdischen Staat im deutschen Idealismus um die Wende zum 19. Jahrhunder- Vortrag von Daniel Späth
   

Es ist ein gängiger Topos der linken Antisemitismuskritik, daß der „sekundäre Antisemitismus" nach Auschwitz zu einer Verschiebung in der judenfeindlicher Agitation geführt habe, sodaß die „klassischen" Stereotype des Judenhasses nun randständig seien. Nicht der „Wucher-Jude" mit der langen Nase werde heute als Verkörperung der Weltverschwörung identifiziert, sondern Israel, wobei der Judenhaß in Form von Staatskritik ein scheinbar unverfängliches Objekt hat: Man wird ja wohl noch Staaten kritisieren dürfen... Aber so unverzichtbar daran die kritische Einsicht ist, daß Auschwitz ins kollektive Unbewußte sedimentierte und daher ein deutscher Schuldkomplex entstand, der die Wiederkehr des Verdrängten an neuen Symboliken zu bekämpfen sich anstrengt, so verkürzt muß eine Antizionismuskritik bleiben, die von der bloßen Verschiebung des Antisemitismus zum Antizionismus ausgeht, d.h. von einer bloß sekundären Wirksamkeit des israelfeindlichen Ressentiments. Denn damit wird die fetischistische Selbstständigkeit antisemitischer Ideologiebildung ausgeblendet, die sich unabhängig vom realen Verhalten von Juden artikuliert. Wie der Antisemitismus auch ohne Juden und Jüdinnen seinem Wahn frönt, so existieren schon lange vor der Staatsgründung Israels eindeutig antizionistische Motive. Vor allem der deutsche Idealismus in seiner durchweg affirmativen Installation bürgerlicher Vernunft generierte bereits Ende des 18. Jahrhundert das Phantasma einer dezidierten „Unmöglichkeit" jüdischer Staatlichkeit, lange bevor dies auf der politischen Tagesordnung stand. Es verwundert nicht, daß die antideutsche Theoriebildung auf diesem Auge bis heute blind ist. Schließlich gilt ihr die bürgerliche Vernunft als letzter Restposten, als immanenter Rückzugsort gegenüber einem scheinbaren „Aufklärungsverrat", wie er vor allem in der islamistischen Barbarei und im völkischen Antiimperialismus ausgemacht wird. Dabei übersieht die antideutsche Theorie, daß es die bürgerliche Vernunft selbst ist, die aus ihrer eigenen Widersprüchlichkeit heraus antisemitische und antizionistische Denkformen setzt und nicht etwa die Irrationalität einer wie auch immer gearteten „Gegenaufklärung".

 

Es spricht Daniel Späth (Tübingen), der für „Exit! Kritik der Warengesellschaft" schreibt (etwa Das Elend der Aufklärung: Antisemitismus/ Antizionismus, Rassismus und Antiziganismus bei Immanuel Kant in N° 10, Horlemann-Verlag, Berlin 2012, sowie Form- und Ideologiekritik der frühen Hegelschen Systeme I, in N° 11/2013), dazu auf

http://linkeirrwege.blogsport.de/

publiziert.

 

Um 20°° im Jos Fritz-Café, Wilhelmstr. 15 (Spechtpassage).

 

 

 

 

Initiative Sozialistisches Forum

Jour fixe

Herbst / Winter 2013 / 2014

 

 

Der Einleitungstext „I am what I am – my own special creation. Zur Pathologie einer grünen Charaktermaske" sowie das Kommentierte Programm unter: www.isf-freiburg.org

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