Vom 27. bis zum 29.09. veranstaltet die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung im Rahmen ihrer Begabtenförderung ein Seminar zum Thema ‚Geschichte und Mythos Studentenverbindung’ in Heidelberg.
Dass es dabei keineswegs um eine wissenschaftliche Auseinandersetzung – schon gar nicht um eine kritische – gehen wird, macht die Seminarankündigung deutlich: Auf dem Programm steht die Selbstdarstellung verschiedener Verbindungsarten ebenso wie Besuche auf Verbindungshäusern. Eine kritische Darstellung der politischen und sozialen Rolle der Korporationen, ihrer Verbindung zur völkischen Bewegung oder ihrer Verstrickungen mit dem aktuellen Neofaschismus ist nicht vorgesehen. Dafür sorgt schon allein der Veranstaltungsort. Das Seminar findet statt im Kneipsaal des Vereins Deutscher Studenten (VDSt) in der Plöck. Diese Verbindung – entstanden als Speerspitze des sich formierenden ‚Rasseantisemitismus’ um den völkischen Historiker Heinrich Treitschke – lässt noch heute stolz die schwarz-weiß-rote Reichsflagge als Fahne ihrer Verbindung auf ihrem Haus gegenüber der Unibibliothek wehen. Aus den Reihen des Heidelberger VDSt gingen NS-Größen wie der Reichsstudentenführer Gustav Adolf Scheel hervor, bis zu seinem Tod 1979 hochgeehrter Alter Herr der Verbindung. Die Selbstdarstellung des heutigen VDSt auf seiner Homepage strotzt nur so vor Geschichtsklitterung und Verharmlosung des Nationalsozialismus.
Bei der geplanten Selbstdarstellung der Verbindungen sollen in trauter Eintracht konfessionelle Korporationen, Corps, aber auch Burschenschafter, die in ihrem Dachverband über ‚Ariernachweise’ diskutieren, ihre Weltsicht und ihre verdrehte Sicht der Geschichte ausbreiten dürfen – ohne ein irgendwie geartetes wissenschaftliches Korrektiv. Ein bezeichnendes Licht wirft die Veranstaltung auch auf die Haltung der studentischen Korporationen. Angesichts der jüngsten Nazi-Skandale und dem völkischen Rechtsaußenkurs der Deutschen Burschenschaft waren etliche von ihnen auf vorsichtige Distanz gegangen. Wenn es aber darum geht, öffentlich gesponsort ausgerechnet auf dem Haus des VDSt den ‚Mythos Studentenverbindung’ zu pflegen, übt man sich wieder im Schulterschluss mit den braunen Farbenbrüdern.
Die Konrad-Adenauer-Stiftung, die mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung Begabtenförderung betreibt, bietet hier völlig unkommentiert den selbsternannten akademischen Eliten der Neuen Rechten ein Forum. Mit Wissenschaft hat das Ganze herzlich wenig zu tun, sehr viel dagegen mit geschichtsblinder Förderung reaktionärer Politik.
Die rechten Seilschaften, die sich in Turnerschaften, Corps, Landsmannschaften und Burschenschaften organisieren, bauen darauf, dass ihre unrühmliche Geschichte ebenso wie ihre ideologischen Verstrickungen mit dem rechten Rand nicht öffentlich zum Thema gemacht werden. Da kommt eine Propagandashow wie die der Konrad Adenauer-Stiftung gerade recht.
Wir werden auch weiterhin dafür sorgen, dass das geschichtsrevisionistische, männerbündische, antisemitische und völkische Milieu, das auf dem Boden des Verbindungsstudententums gedeiht, in Heidelberg keine Chance bekommt.
Rechte Männerbünde bekämpfen! Verbindungen abschaffen!
Antifaschistische Initiative Heidelberg (AIHD)
Zeit für eine Aktualisierung
Vielleicht ist es Zeit für eine Aktualisierung der Kritik. Die Liste der aktuellen Amtsträger des VDSt Heidelberg, von deren Webseite: Alexander Tsyganov, Francesco Camello, Jakub Szypulka, Felix Heuer, Robert Hog. Und dann noch:
In Heidelberg ist nur noch die Burschenschaft Normannia (von vier Burschenschaften und insgesamt ca. zwanzig Verbindungen) Mitglied in der DB. Ob und wie Normannia in diese Veranstaltung involviert ist ist ohne weitere Info nicht erkennbar.
einige meiner besten freunde sind...
getroffene verbindungshunde bellen...
offensichtlich hat hier jemand die vorstellung ein 'ausländisch' klingender name schütze wite ein talisman vor völkischem und rechtem gedankengut. wer sich über das geschichtsbild des vdst informieren will, der schaue sich mal auf der homepage des dachverbands unter dem stichwort 'geschichte' (vvdst.org/vvdst/geschichte/) um . zu den antisemitischen wurzeln findet sich dort hübsche prosa wie z.b.: "Entscheidend für die Entwicklung des Verbandes wurde die Frage nach dem Verhältnis von Volk und Staat. Die VDSter erkannten, daß der Staat nicht der Inbegriff des Volkes oder der Nation ist, sondern daß über dem Staat das Volk als Kultur-, Sprach- und Abstammungsgemeinschaft, als Individualität steht. Das deutsche Volkstum sollte durch systematische Arbeit in Theorie und Praxis überall dort gestärkt und gefördert werden, wo es bedroht war."
dieser geschichtsrevisionismus gehört zu den tragenden pfeilern des verbindungsstudententums mit seinem patriarchalen lebensbund. über die alten herren nichts schlechtes - wer beißt schon gern in die hand, die ihn füttert?
der eindruck, die 'bösen rechten verbindungsbrüder' säßen nur in der db ist ein ärgerlicher, irreführender nebeneffekt der erfreulichen debatte um den nazi-kurs der db.
Betrachtung
Das hat nichts mit Vorstellung zu tun, sondern mit Betrachtung der heutigen Verbindungslandschaft. Auch dort ist der Effekt angekommen, daß Deutschland schon seit langen Jahrzehnten ein Einwandungsland ist. Zudem stehen heutzutage (fast) alle Verbindungen ausländischen Studierenden offen.
Die Geschichte des VDSt ist tatsächlich eine spezielle, und die Darstellung auf der Webseite wird einer ehrlichen und umfangreichen Aufarbeitung nicht gerecht. Hier haben die allermeisten studentischen Verbindungen noch erheblichen Nachholbedarf, die "Rücksicht" auf noch lebende Personen mag da sicherlich eine wichtige Rolle spielen.
All das sagt aber wenig darüber aus, ob die heute handelnen Personen bzw. jungen Aktiven "böse rechten verbindungsbrüder" sind.
noch mal
ach je, dass man burschis immer alles drei mal erklären muss:
weder im text der aihd noch hier im kommentar wurde behauptet, jeder verbindungsstudent sei per se politisch rechts oder gar ein faschist.
kritisiert wurde der weithin grassierende geschichtsrevisionismus der korporationen, den du selbst einräumst.
kritisiert wurde weiterhin, dass man sich zur verteidigung 'des verbindungswesens' und zur pflege des 'mythos studentenverbindung' auch mit den bünden der äußersten rechten gemein macht (und noch mal: nein, das sind nicht nur die burschenschaften der db).
im übrigen: geschichtsrevisionismus und das schönreden der nazivergangenheit sind natürlich ausdruck rechter gesinnung und rechter politik - was sonst?
dass das ganze von der adenauer-stiftung (also immerhin mit öffentlichen geldern) finanziert wird, ist ein skandal, den die aihd zu recht anprangert.
Heidelberger
Welcher Bund soll das in Heidelberg sein?
Wie getippt, es düfte weit mehr die Rücksicht auf noch lebende Personen und der generelle Habitus von studentischen Verbindungen sein, auf den eigenen Ruf zu achten und keine Selbstkritik nach außen zu tragen. Eine Ableitung, daß die Aktiven heute (noch) so denken, weil man über die dunklen Teile der Vergangenheit nicht gerne oder offen spricht, ist eher nicht zulässig. Richtig ist aber, daß dieser Umgang mit der eigenen Geschichte kritikwürdig ist.
Anbetracht dessen, was mit welchen Mengen öffentlicher Gelder überall gemacht wird, aber nur ein ganz kleiner. Oder vielleicht auch gar keiner, sondern einfach nur die bei allen parteinahen Stiftungen übliche Klientelpflege.
no common ground
"Welcher Bund soll das in Heidelberg sein?"
Liebe Burschis, das Problem besteht darin, dass wir von unterschiedlichen Begriffen ausgehen.
Für wen Geschichtsrevisionismus kein Anzeichen für rechte Einstellungen ist, der wird vielleicht tatsächlich grade noch die (neonazistische) Normannia in Heidelberg für rechts halten. (Im Übrigen: Zu der pflegen die meisten schlagenden Verbindungen incl. Corps nach wie vor beste Verbindungen. Und nicht nur die: Selbst so obskure Damenverbindungen wie die Alt-Heidelbergerinnen sind mit der Normannia ganz besonders dicke.)
Für alle Nicht-Burschis - nur um einen Anfang zu machen: Die Burschenschaften Allemannia und Frankonia haben über Jahrzehnte den völkischen Kurs der Burschenschaften mitgetragen, inclusive Nazi-Kontakten, Südtirolseperatismus und Großdeutschland-Gedöns. Die Allemannia hat sich eher wegen formaler Gründe von der DB getrennt, die Frankonia erst, als die Neonaziskandale in der Presse zur Belastung wurden. Vorher war allerdings ein Mitglied der Frankonia maßgeblich an der Ariernachweis-Scheiße der DB beteiligt und Alte Herren der Frankonia referieren heut noch gern mal vor der NPD.
Die Bünde des Coburger Convents befinden sich samt und sonders auf Junge-Freiheit-Kurs. In der Zeit als die JF noch ein bisschen heftiger drauf war (das Blatt für den Holocaustleugner mit Krawatte) befanden sich auf denn CC-Häusern sogar mehrere 'Leserzirkel' der Jungen Freiheit.
Jemandem, bei dem 'Rechts-Sein' bei Hitlerbild und NSU anfängt, ist all das leider schwer verständlich zu machen. Red halt wieder mit deinen Waffenbrüdern, die verstehn dich...
unfassbar
Das ist ja unfassbar!
Was schreiben die VDST denn zum Nationalsozialismus?
geschichtsklitterung hoch drei
guck mal hier: vvdst.org/vvdst/geschichte/39-die-vdster-im-dritten-reich.html
hier wird der eindruck erweckt, der vvdst sei geradezu verboten worden. stattdessen stellte er einen nicht unerheblichen teil der intellektuellen stichwortgeber (siehe den im text bereits erwähnten gustav adolf scheel): http://de.wikipedia.org/wiki/Gustav_Adolf_Scheel
ps:
selbst wikipedia ist, was die herkunft und politische ausrichtung des vdst angeht, als quelle zu gebrauchen - obwohl an der seite immer wieder von interessierten vdstlern rumzudoktern versucht wird: http://de.wikipedia.org/wiki/Verband_der_Vereine_Deutscher_Studenten
es lohnt sich, diese darstellung mit der selbstdarstellung des vvdst zu vergleichen...