Kalifornischer Hungerstreik - Verhandlungen?

Calipatria State Prison(California)

Am 8. Juli 2013 begannen über 30.000 Gefangenen im US Bundesstaat Kalifornien einen Hungerstreik gegen Isolationshaft, undefinierte Schikanen der Gefängnisbehörde (Gang-Kriterien) und mehrere weitere elementare Missstände, die sie in fünf Kernforderungen (1) zusammen fassten. Kaliforniens Gouverneur Brown und die Gefängnisbehörde (CDCR) ignorierten diese Forderungen bisher und reagierten mit einerseits mit Ignoranz oder Repression.

 

Am 22. Juli starb der Gefangene Billy Michael Sell an den Folgen des Hungerstreiks. Seit Ende Juli sind nach unterschiedlichen Angaben Hunderte von Gefangenen kollabiert und mussten z.T. in Krankenhäusern medizinisch versorgt werden. Noch immer befinden sich mehrere hundert Gefangene im Hungerstreik für die Durchsetzung der fünf Kernforderungen - sie sind heute im 43. Hungerstreik Tag.

 

Im kalifornischen Calipatria Gefängnis verhandelte inzwischen der leitenden Wärter mit einigen Gefangenen(2), worauf sie ihren Hungerstreik für eine Woche aussetzten, um abzuwarten, ob die CDCR eine gesamte Lösung für alle Gefangenen anbieten wird.


Angehörige und Unterstützer*innen hatten sich in den letzten Monaten sowohl in den gesamten USA (4) als auch in Europa (z.B. in Berlin: 5) darum bemüht, öffentlichen Druck auf die CDCR und Gouverneur Brown aufzubauen. Inzwischen ist der Kampf der Gefangenen unter Einsatz ihres Lebens weit über die Grenzen Kaliforniens hinaus wahrnehmbar. Einzelne Gefängnisleitungen versuchen nun, die gemeinsame Haltung der Gefangenen zu unterlaufen und mit einzelnen zu verhandeln während die offizielle Haltung der Gefängnisbehörde CDCR noch immer von Verweigerung bestimmt ist.

 

Der leitendende Wärter vom Calipatria Gefängnis, Frank X. Chavez bot den dort hungerstreikenden Gefangenen am 15. August 2013 die Erfüllung aller von ihnen aufgestellten Forderungen an und erbat sich Zeit, das umzusetzen. Am vergangenen Wochenende stellten die Gefangenen daher ihren Hungerstreik vorerst ein (3). Sie haben jedoch angekündigt, bei einer nicht erfolgenden Gesprächsaufnahme mit der von allen kämpfenden Gefangenen delegierten Vertretung im Pelican Bay Gefängnis ab Montag, den 26. August erneut in den Hungerstreik zu treten.

 

Von Seiten der CDCR ist bis jetzt allerdings überhaupt keine Bewegung auf die Gefangenen zu wahrnehmbar – eher im Gegenteil. Ein Sprecher der CDCR ging Ende Juli zu einem medialen Gegenangriff über, in dem er die altbewährten Gang-Klischees erneut bemühte. Er wies sämtliche Kritik an den Haftbedingungen zurück und suggerierte einige „gelangweilte Gangster", die angeblich versuchten, den „Gefängnishof zu kontrollieren" (6).

 

Diese zynische Haltung steht in einer logischen Reihe mit der gegen einzelne z.T. seit Jahrzehnten praktizierten Isolationshaft. Der UN Menschenrechtsrat hat die USA seit mehreren Jahren erfolglos aufgefordert, diese als Folter angesehene Haftform zu beenden. In den USA leben über 80.000 Gefangene z.T. über viele Jahre unter solchen Haftbedingungen. In Kalifornien sind es derzeit über 12.000 permanent Weggeschlossene sowie Tausende, die dieser Folter in regelmäßigen Abständen immer wieder unterzogen werden. Bewährte Methode der Behörden sind dabei die relativ undefinierten Gang-Gesetze, die ihnen völlig unüberprüfbare Vorwände einräumen, um Gefangene mit dieser Form der Haft zu bestrafen. Gefangene können nach diesen Vorgaben lediglich andere Gefangene belasten, um aus diesen Haftbedingungen heraus zu kommen. Die ihrerseits belasteten Gefangenen wandern darauf ebenfalls für Jahre in Isolationshaft. Die gezwungenen Verräter werden dann jedoch aus angeblicher "Furcht vor Vergeltung durch Gangmitglieder" ihrerseits wieder in eine spezielle, sog. „Sicherheitshaft“ verlegt, die sich nur wenig von den vorherigen Haftbedingungen unterscheidet.

 

Diese Praxis des gegeneinander Ausspielens veranlasste bereits 2011über 6000 Gefangene im nordkalifornischen Pelican Bay Gefängnis, eine gemeinsame Erklärung heraus zu geben, in der sie deutlich machten, dass sie die rassistischen Spaltungen sowie die Gangzuweisungen ablehnen und gemeinsam gegen die Isolationshaft für ihr und das Überleben nachfolgender Gefangener kämpfen werden (7). Bereits damals entwickelten sie die fünf Kernforderungen, denen sich inzwischen über 30.000 Gefangene anschlossen. Seitdem haben sowohl das kalifornische Parlament als auch die Gefängnisbehörde selbst mehrfach Verbesserungen zugesagt, ohne diese jedoch zu erfüllen. Dieser Hungerstreik ist bereits der dritte seit 2011 und die Initiatoren haben angekündigt, diesmal nicht aufzuhören, bevor es glaubhafte Zusagen und die Erfüllung der fünf Kernforderungen gibt (1).

 

Dabei gibt es für die Gefangenen jetzt nur noch wenig Spielraum. Die Gesundheitssituation der verbleibenden Hungerstreikenden ist absolut angespannt. Manchen gelang es, aus der Isolation heraus über extreme Gewichtsverluste und absolut mangelhafte medizinische Versorgung zu berichten. Mehrere delegierte Sprecher der kämpfenden Gefangenen wurden zusätzlich in noch härtere Formen der Isolation verlegt, um ihre Kommunikation untereinander als auch nach draußen zu unterbinden. Wie lange sie diesen Kampf noch durchführen können, bevor es weitere, von den Behörden anscheinend einkalkulierte Tote geben wird, hängt vor allem von der Bereitschaft von Unterstützer*innen ab, diesen bis heute größten Kampf gegen die Gefängnisindustrie von außen zu unterstützen.

 

 

 

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(1) die fünf Kernforderungen der hungerstreikenden Gefangenen:

- End Group Punishment & Administrative Abuse

- Abolish the Debriefing Policy, and Modify Active/Inactive Gang Status Criteria

- Comply with the US Commission on Safety and Abuse in America’s Prisons 2006 Recommendations Regarding an End to Long-Term Solitary Confinement

- Provide Adequate and Nutritious Food

- Expand and Provide Constructive Programming and Privileges for Indefinite SHU Status Inmates

mehr auf  https://prisonerhungerstrikesolidarity.wordpress.com/the-prisoners-demands-2/ 

 

(2) Wir benutzen in diesem Artikel keine gegenderte Schreibweise, da sich nach unserem derzeitigen Wissenstand nur männliche Gefangene an diesem Kampf beteiligen. Auf Unterstützer*innen Webseiten als auch im direkten Austausch mit ihnen haben wir bisher keine anderen Angaben gefunden. Falls es hierzu weitere Infornationen gibt, wären wir für eine Benachrichtigung dankbar:   rfh@basisradio.org

 

(3) CDCR has negotiated and met Calipatra ASU hunger strikers’ humane demands (August 18, 2013) http://sfbayview.com/2013/cdcr-has-negotiated-and-met-calipatra-asu-hunger-strikers-humane-demands/

 

(4) CA Hungerstreik: 7 Festnahmen in Oakland (5. August 2013)

http://de.indymedia.org/2013/08/347420.shtml

 

(5) Solidarität mit den hungerstreikenden Gefangenen in Kalifornien (30.07.2013)

https://www.youtube.com/watch?v=fwX3JjmhAfQ

 

(6) Hunger Strikers, Supporters Refute CDCR Gang Propaganda (August 13. 2013)

http://prisonerhungerstrikesolidarity.wordpress.com/2013/08/13/hunger-strikers-supporters-refute-cdcr-gang-propaganda-2/

 

(7) We dare to stand united with all racial groups to say enough is enough, while CDCR and FBI collaborate to break our hunger strike (August 18, 2013) http://prisonerhungerstrikesolidarity.wordpress.com/2013/08/18/we-dare-to-stand-united-with-all-racial-groups-to-say-enough-is-enough-while-cdcr-and-fbi-collaborate-to-break-our-hunger-strike/

 

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über die Gründe, warum alle Gefangenen sich auf ein Ende der Gang Kriege und Feindschaften geeinigt haben:
http://www.counterpunch.org/2013/08/20/inside-californias-prison-hunger-...

August 20, 2013
CDCR 9.2 Billion Dollar Corrupt Machinery vs. Prison Human Rights Movement - Inside California’s Prison Hunger Strike
by SITAWA JAAMA

Editor’s note: Sitawa Jaama has been held in the “Security Housing Unit” (SHU) of California’s Pelican Bay State Prison for 29 years. Along with hundreds of other prisoners throughout the California prison system Sitawa has been on hunger strike for 43 days. Sitawa is a member of the Short Corridor Collective, an interracial group of prisoners based in the Pelican Bay SHU. The Short Corridor Collective has been influential in calling for 3 hunger strikes in the past 2 years, as well as authoring the ‘Agreement to End Hostilities’ document, a political call for prisoner unity, and an end to all violence between different groups of prisoners throughout the state, from maximum security prisons to county jails. (http://prisonerhungerstrikesolidarity.wordpress.com/agreement-to-end-hos...