Köln-Kalk: Interimslösung für das Autonome Zentrum gefunden

Eifelwall 7: Das ehemalige Labor- und Bürogebäude des städtischen Gesundheitsverwaltung soll bereits am Dienstag kommender Woche neuer Standort für das AZ werden. (geplant bis 2015)
Erstveröffentlicht: 
19.08.2013

Die gute Nachricht vorneweg. Stadt und die Vertreter des Autonomen Zentrums haben miteinander geredet und das offenbar konstruktiv. Am heutigen Montag erläuterte Stadtdirektor Guido Kahlen den möglichen Kompromiss. Das AZ wird zum 27. August 2013 geräumt und an diesem Tag in das städtische Verwaltungsgebäude Eifelwall 7 einziehen. Dort darf das AZ bis Ende 2014 bleiben, danach wird das ehemalige Amt für Lebensmittelhygiene selbst abgerissen und muss dem Archivneubau Platz machen, dessen vorbereitende Arbeiten im ersten, spätestens im zweiten Quartal 2015 beginnen sollen. Das AZ soll dann in die Liegenschaft Luxemburger Straße 93 einziehen.

 

Das zweigeschossige Gebäude mit eingeschossiger Hinterhofbebauung beheimatete das frühere Kanalbauamt, steht aber inzwischen seit mehreren Jahren leer, sogar die Eingänge zur Luxemburger Straße wurde zugemauert. Das Gebäude ist derzeit weder nutz- und noch weniger vermietbar. Die AZ-Vertreter sollen nun gemeinsam mit der Bauaufsicht die Bedingungen für eine Nutzungsüberlassung abstimmen. Geld ausgeben will die Stadt aber nicht, wie der Stadtdirektor betonte.

 

Die Liegenschaft am Eifelwall 7 ist sofort nutzbar, wurde zuletzt vom Sozialdezernat als Übergangs-Schlafstätte für Obdachlose genutzt. Spätestens Ende 2018 soll aber auch der Vertrag für die zweite Interimslösung auslaufen, dann sollen die beiden Grundstücke an der Luxemburger Straße (eines davon muss noch von einem Insolvenzverwalter erworben werden) einem Grünzug weichen, der dort im Rahmen des Masterplan den Inneren Grüngürtel nach Süden hin fortführen soll, erläuterte Kahlen in der heutigen Sitzung. Vertragspartner der Stadt ist der von den AZ-Vertretern inzwischen gegründete Verein „Kultur in Kalk e.V.“, derzeit noch in Gründung (i.Gr.)

 

Das Gelände Wiersbergstraße 44 wird nach dem vollständigen Auszug der Gruppe sofort für die Errichtung von Unterrichtscontainern der benachbarten Kaiserin-Theophanu-Schule hergerichtet Dort beginnen dann die Arbeiten für den Umbau und die Erweiterung der Schule auf insgesamt 1.020 Schülerinnen und Schüler mit integriertem Ganztagesbetrieb und einer neuen Dreifach-Sporthalle. Dazu müssen Klassenräume während der Bauzeit in Unterrichtscontainer ausgelagert werden, teilte die Stadt am heutigen Nachmittag weiter mit.

 

Erleichterung und Lob von Stadt und rot-grüner Ratsmehrheit

„Dank eines Mittelsmannes (Dr. Wittich-Rossmann) ist es uns gelungen, eine Lösung zu finden. Damit werden die unterschiedlichen Ziele zeitgerecht erreicht, und das auf Grundlage der Geschäftsbedingungen, die sie uns am 18. Juli 2013 auf den Weg gegeben haben“, begann Kahlen seine Ausführungen. Bis Ende 2014 zahlen die Autonomen für ihren neuen Standort keine Miete, der notariell beurkundete Nutzungsvertrag wurde am heutigen Montag von zwei Vertretern des AZ und der Stadt parafiert. Ein weiterer Bestandteil ist eine schriftliche Absichtserklärung, die die Stadt bis Ende 2018 verpflichtet, die Immobilie an der Luxemburger Straße temporär zu überlassen. Die Stadt will in Kürze in einer Informationsveranstaltung die Anwohner aus erster Hand über die neuen Entwicklungen informieren, kündigte Kahlen weiter an.

 

„Der geänderte Zeitplan für den geplanten Archivneubau hat uns neue Möglichkeiten eröffnet, auch weil der Baukörper des Archivneubaus kleiner geworden ist“, begründete Kahlen die überraschende Wendung. Der Archivneubau muss derzeit umgeplant werden, die Bauarbeiten fangen daher frühestens Mitte 2015 an und sollen im Herbst 2018 abgeschlossen sein. Erst wenn die Baulogistik für den Neubau zurückgebaut wird können die Vorbereitungen für die Grüngürtelverlängerung anlaufen, begründete Kahlen die Terminierung des Mietverhältnisses.

 

Lob gab es vor allem von den Sozialdemokraten. „Ich hätte vor fünf Wochen noch nicht dran geglaubt. Ich bin froh, dass es keine Gewalt geben wird, ich hätte mir das nur etwas früher gewünscht“, erklärte SPD-Ratsfrau Susanna dos Santos. Neben den Perspektiven für das AZ lobte die Sozialdemokratin die AZ-Vertreter auch für ihren zwischenzeitlichen Gewaltverzicht. Das sei Grundlage für die weitere Lösung gewesen, so dos Santos. Außerdem könne nun in Kalk mit der Arrondierung des dortigen Areals für die schulische Zwischennutzung begonnen werden.

 

„Wenn man eine Lösung will, findet man in der Regel auch ein Ergebnis“, erklärte Barbara Moritz für die Grünen. Verständnis äußerte Moritz zu den kritischen Tönen, die den Autonomen Vertragstreue absprechen. Allerdings habe man die Nutzer des AZ bisher eher hingehalten, nun hätten sie eine klare Perspektive und einen Endtermin. So richtig jubeln wollten die Grünen aber nicht. „Wir müssen jetzt schon weiterdenken“, führte die Grünen-Fraktionschefin weiter aus. Gemeint ist die Perspektive nach 2019. Von den AZ-Verantwortlichen erwarte sie aber Vertragstreue.

 

Konservative sehen große Hypothek – massive Zweifel am Vorgehen

Zwar dürften auch CDU und FDP ein Stück erleichtert gewesen sein, dass es in Kalk nicht zum Showdown zwischen AZ-Nutzern und der Staatsmacht kommen wird. Die Übereinstimmung mit den Vertretern von SPD und Grünen endet aber schnell. Als „schwere Verantwortung“ bezeichnete der verkehrspolitische Sprecher der CDU-Fraktion Karsten Möring die Standortentscheidung. Vor allem die Vertragstreue wurde von dem Christdemokraten angezweifelt. „Die Konsequenzen dieser Entscheidung werden sie im Amt nicht mehr erleben. Wir können ihre Hoffnung nicht nachvollziehen. Wir befürchten, dass die Situation im zweiten Anlauf noch schwieriger wird“, befürchtete Möring zum geplanten Auszug des AZ Ende 2018.

 

Auch FDP-Stadtrat Ralph Sterck kritisierte das Verwaltungshandeln im Grundsatz. „Leider wird strafbares Verhalten belohnt. Das ist eine große Hypothek“, so der Chef der liberalen Ratsfraktion in seinem Statement. Auch der Plan, das „Provisorium“ zu einem bestimmten Zeitpunkt wieder aufzulösen, sieht der Stadtentwicklungsexperte eher kritisch. „Nichts ist in Köln so beständig wie Provisorien“, so Sterck weiter. Dass die Verwaltung den Vertragsabschluss und damit die Regie über das weitere Verfahren zum laufenden Geschäft der Verwaltung definierte, stieß bei der Sterck ebenfalls auf Bedenken. In einer nachgeschobenen Stellungnahme legte Sterck noch einmal nach: „Scheinbar hat die Verwaltung, großherzig wie sie nun mal ist, das Gelände am Eifelwall der Autonomen Szene zur Nutzung angeboten. Und damit droht auch der Archivbau auf den Sankt-Nimmerleinstag verschoben zu werden“, befürchtet der FDP-Fraktionsvorsitzende.

 

Der heutige Hauptausschuss musste dazu keine Entscheidung fällen, da die Ausführungen des Stadtdirektors unter Tagesordnungspunkt 1.1.2. zur Sprache kamen. Damit war es eine Verwaltungsmitteilung, der Ausschuss nahm es zur Kenntnis.

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Kein Tag ohne AZ!

 

Heute Mittag wurde ein befristeter Nutzungsvertrag für den Eifelwall 7 unterschrieben und eine anschließende Nutzung des Gebäudes an der Luxemburgerstraße 93 bis 2018 zugesichert. Voraussetzung dafür ist der Auszug aus der Wiersbergstraße 44. Das fällt uns alles andere als leicht, denn das rechtsrheinische Kalk wurde immer als wichtiger und geeigneter Stadtteil für ein Zentrum dieser Art gesehen. Wir sehen die ‘Aufwertung’ als verdrängende Stadtpolitik von oben weiterhin sehr kritisch. Dass das Autonome Zentrum ausgerechnet Schulcontainern weichen soll, für die es genügend andere Möglichkeiten gegeben hätte, sehen wir als klaren Willen der Kalker SPD, uns weg zu planen. Gerne hätten wir zusammen mit Schule und Stadt eine andere Lösung gefunden. Darum wird die Auseinandersetzung für selbstverwaltete, linke Räume auch in Kalk mit dem Umzug nicht vorbei sein.

 

Ein bisschen Geschichte

Seit Beginn der Kampagne Pyranha im Jahr 2009 wurde versucht Gespräche mit den Verantwortlichen aus Politik und Verwaltung zu führen, mit dem Ziel, einen Ort für unkommerzielle, linke Kultur, Kunst und Politik dauerhaft zu etablieren. Als sich nach einem Jahr abzeichnete, dass die Stadt kein Interesse hatte auf uns einzugehen, wurde im April 2010 die seit Jahren leerstehende Kantine in der Wiersbergstraße 44 besetzt. Nach einer versuchten Räumung im Frühling 2011 wurde in letzter Minute ein unbefristeter Nutzungsvertrag mit der Inhaberin des Gebäudes, der Sparkasse Köln, ausgehandelt, welcher nun im Frühling diesen Jahres gekündigt wurde. Die Begründung für die Räumung und den Abriss des AZs, das Gelände würde für die temporäre Unterbringung von Schulcontainern benötigt, halten wir angesichts der Tatsache, dass es genügend Ausweichflächen in direkter Nachbarschaft gibt, für fadenscheinig. Dass die Stadt laut eigener Aussage den Auftrag hatte, uns “weg zu planen”, macht deutlich, dass die angebliche Unvereinbarkeit des Gebäudes mit einem an dieser Stelle geplanten Grünstreifen ein vorgeschobenes Argument ist.

 

Wiersbergstraße 44: Seit dem 16.04.2010 Autonomes Zentrum Köln

 

Bemühungen seitens der Stadt eine Alternative zu finden, gar mit uns zusammen eine Lösung zu suchen, blieben aus. Doch der Druck, der in letzter Zeit aufgebaut werden konnte und der enorme Zuspruch der Unterstützer_innen, in Form eines Offenen Briefs von Prominenten aus Kultur, Wissenschaft und Politik, Aktionen im öffentlichen Raum, Solidaritätserklärungen und Präsenz von angereisten Aktivist_innen vor Ort, haben Wirkung gezeigt. Offensichtlich wurden der SPD die Konsequenzen einer Räumung bewusst und sie gab ihre Verweigerungshaltung auf.

 

Nach jahrelangem, ja sogar jahrzehntelangem Kampf für einen selbstorganisierten, unkommerziellen Raum in Köln, etlichen Gesprächsangeboten und genug Zeit um Lösungen zu finden, wurde dem Autonomen Zentrum erst in letzter Sekunde ein Haus angeboten.

 

Wichtig ist nicht in erster Linie das Gebäude, sondern die Menschen die es gestalten und mit Inhalten füllen. Und so wird es nun auch in Zukunft in Köln ein linkes Zentrum geben, in dem emanzipatorische Politik stattfindet. Wo es Platz für Werkstätten und Ateliers, einen Umsonstladen, Proberäume und mehr gibt. In dem Veranstaltungen stattfinden können und Diskussionen und Ausstellungen ihren Platz haben.

Für Autonome Zentren in der City, in Kalk und überall!

 

Quelle: http://az-koeln.org/18561/

Wer schon mal einen ersten Blick drauf werfen will findet bei Report-K eine Bilderstrecke: http://g.report-k.de/galerie/Koeln-2013/Lokales-2013/Eifelwall---Luxembu...