München: Hausbesetzung freiwillig geräumt

Selbst geräumtes Haus.jpeg

Was gestern Abend plötzlich begann, endete bereits heute Vormittag nach Verhandlungen mit der Polizei. Diese war über eine Leiter in den Innenhof der Gebäude eingestiegen und hatte Kontakt mit den Besetzer_innen aufgenommen. Nachdem Ordnungsbehörden und Hausbesitzer versichert hatten, keine Personalien aufzunehmen oder Anzeige zu erstatten, verließen die Besetzer_innen das Gebäude.

 

Mittlerweile steht das Haus wieder verlassen da, einzig die aus den Fenstern hängenden Transparente erinnern an die ehemalige Kurzbesetzung von letzter Nacht. Nach den Verhandlungen mit der Polizei heute morgen, waren die Besetzer_innen überraschend schnell wieder aus dem Haus ausgezogen. Letzte Nacht war noch über soziale Netzwerke ein "Programm" für den heutigen Tag angekündigt worden. Im Internet werden mittlerweile auch kritischere Stimmen gegenüber der Aktion laut, die erst am späteren Abend bekannt gegeben wurde und zudem an einem normalen Werktag stattfand. Nicht all zu viele Leute schafften es gestern als Unterstützer_innen zu dem Haus, manche verließen den Ort des Geschehens bereits wieder relativ früh.

 

Es ginge zunächst einmal um Raum, hieß von dem Personenkreis aus, von dem die Besetzung vollzogen worden war. Auf dem verteilten und kurz gehaltenen Flyer zur "feministischen Raumaneignung" war gestanden, dass sich der Raum gegen Ausschlussmechanismen, wie "Sexismus, Rassismus und Kapitalismus" wenden und auf ein "respektvolles Miteinander" gesetzt werden soll. Die letzte "feministische Besetzung" fand erst kürzlich im Mai diesen Jahres in Wien statt. Damals hieß es jedoch klar und deutlich:

Wir sehen uns als ein feministisches Kollektiv, das sich auf der Suche nach Raum zum Leben und Gestalten dazu entschlossen hat, zu besetzen. Den Raum, den wir uns so erkämpfen, wollen wir öffnen für Frauen* Lesben* Inter* und Transgender*. 

Männer* waren mit der Raumaneignung im achten Bezirk explizit ausgeschlossen. In München war dies wohl nicht der Fall gewesen, dennoch war vermutlich einigen Menschen nicht sofort klar, was der Zusatz "feministisch" auf dem Flugblatt zur Besetzung der Goethestrßae  zu bedeuten hatte. So fragte der User 'Walross' in seinem Kommentar auf Indymedia.org:

Welchem Feminismus hängen die Besetzer_innen denn an? Gleichheitsfeminismus? Differenzfeminismus? Gynozentrischem oder essentialistischem Feminismus? Individualfeminsismus? Dekonstruktivistischem Feminismus? etc. 

Während ein anderer Kommentar in einem sozialen Netzwerk lautete:

Ich bin dann nach 3 Stunden rumdiskutieren wieder gegangen, weil mir da zu viel Käseglocken-Subszenen-Separatismus und naiv-idealistische Verklärung/Stimmung dabei war. (...) Da diskutieren wir lieber bis um 1 uhr nachts und merken nicht mal, dass wir damit zwar an der Überwindung von männerdominierter Herrschaft arbeiten, aber ganz außer acht lassen, dass wir selbst in einer extrem priviligierten Situation sind, weil sich unter uns hauptsächlich Studierende befinden, die grade Semesterferien haben und morgen früh nichts arbeiten müssen.

 

Kritisch zur Besetzung äußerte sich mittlerweile auch das ehemalige Import Export Team im sozialen Netzwerk Facebook, das sich mit der Aktion übergangen fühlt. In dem Gebäude habe es weder fließend Wasser noch Strom gegeben. Daher könne kaum von einer Wiederbelebung gesprochen werden. Es bräuchte verantwortliches und längerfristiges Denken als bloßen "Hauruck-Aktionismus", der nur einer kurzfristigen Aufmerksamkeit diene. Nun befürchten die Künstler_innen, dass sich in München kaum mehr Menschen finden würden, die ihre Häuser zu einer Zwischennutzung zur Verfügung stellen. Tatsächlich ist es in München nicht leicht kreativen Raum zu etablieren, weil dieser - im Gegensatz zu Hamburg - im Stadtmanagement Münchens gar nicht vorgesehen ist. Stadtteilarbeit und Stadtteilzentren gibt es nicht viele in München. Und wenn, dann unterliegen sie meist kommerziellen Gesetzen.

 

Nach der kurzfristigen Aktion in der Goethestraße besteht natürlich auch das Problem der Wohnungsnot in der Stadt immer noch. Vor allem in der Praxis der Maklerbüros macht sich dieser Notstandt bemerkbar. So verlangte ein Büro im April 2013 jeweils hundert Euro Kaution von Interessent_innen, damit diese die Wohnung besichtigen dürften. Das Geld würden sie nach der Besichtigung wieder erhalten, hieß es. In einem Fall sprach der Mieterverein sogar von einer "Besichtigungsgebühr" die gezahlt worden war, damit der/die Vermieter_in nur die Tür zu einer Besichtung aufgesperrte. Die derzeitige Situation wird auch bei der Betrachtung der Statistik mit den "höchsten Neuvertragsvermietungen" des Unternehmens Statistika klar. In dessen Auflistung ist München im zweiten Quartal 2013 auf dem ersten Platz - noch vor Frankfurt, Stuttgart und Hamburg. Es bräuchte einen längerfristigen und ausdauernden Kampf, um soziale und alternative Wohn- und Arbeitsräume zu schaffen.

Zeige Kommentare: ausgeklappt | moderiert

Die Personalien wurden zwar aufgenommen, jedoch musste die Polizeisprecherin versichern, dass es keine Anzeige gibt:

http://www.freie-radios.net/57857

Empfehlenswerter Radio-Beitrag. Ihr habt in der Kürze der Zeit wenigstens versucht zusammenzubringen was eigentlich gerade passiert ist und habt euch nicht auf das Kritik-laut-und-schnell-Raushauen-Spiel eingelassen.

Mal ne Frage zu dem Interview mit den Aktivist_innen: Seid wann ist Hausbesetzung männlich konnotiert?!!

laut den besetzerInnen und den leuten die vor ort waren, wurde die besetzung keineswegs freiwillig geräumt, sondern musste aufgrund von geringen handlungsmöglichkeiten verlassen werden, personalien der leute die noch im haus waren wurden ebenfalls aufgenommen. außerdem gab es sehr wohl fließend wasser im haus - kann ich selbst bezeugen.

(...)in diesem gebäude gibt es keinen strom, kein licht, kein fliessend wasser mehr. wir bitten alle menschen, die sich nun dort aufhalten dringend, das gebäude zu verlassen. statt einer romantischen vorstellung von hausbesetzungen zu verfallen, sollten sich mal mehr menschen gedanken machen um strategisch-organisatorische systeme, um auf legalem wege wohnraum und freiraum aus der immobilienschleife herauszunehmen. dazu braucht es mehr verantwortung und langfristiges denken. weniger hauruck-aktionismus. aktionismus kann nur der kurzfristigen aufmerksamkeit dienen. die braucht man natürlich auch. aber man sollte sie sich nicht auf kosten von menschen holen, die eh schon sich verausgaben bis zum letzten tropfen für die gemeinsame sache. wichtiger sind jedoch langfristige, gut durchdachte, politische und wirtschaftsstrategische massnahmen, um diese stadt gerechter zu machen.(...)

Stimmt, das wollte ich eigentlich noch verbessern. Die Besetzer_innen hatten doch ihre Personalien angeben müssen. Laut der Polizei war das nötig, falls irgendwelche Dinge im Haus kaputt gegangen ssein sollten. Wegen dem Wasser kann ich leider nichts sagen, weil ich es nicht ausprobiert habe. Der Auszug aus dem Haus fand aber doch, soweit ich weiß, aus freien Stücken statt. Die Polizei wendete keine Gewalt an. Dies geschah vermutlich auch vor dem Schutz der Medienvertreter_innen.

aha, und weil die polizei keine KÖRPERLICHE gewalt angewendet hat, fand natürlich alles aus freien stücken statt. komische logik, und komische vorstellung von freiwilligkeit.

Mit was wurde denn den Menschen gedroht? Nur mit einer Anzeige?! Na da hätten sie sich aber auch raustragen lassen können!

Aus Protest gegen den Abriss eines heruntergekommenen Hauses besetzt eine Gruppe ein Haus in der Goethestraße. Beim Eintreffen der Polizei geben die Besetzer schnell auf. (...) Bereits am Donnerstagvormittag war aber Schluss: Die Polizei forderte die neun übrigen Hausbesetzer auf, zu gehen – und diese folgten. „Die Gruppe wollte die Gefahr einer Zwangsräumung nicht eingehen“, sagte die Sprecherin der Demonstranten. Sie könne sich aber weitere Aktionen vorstellen. „Unser Ziel ist noch nicht erreicht.“

 

Quelle: http://www.abendzeitung-muenchen.de/inhalt.protest-in-der-goethestrasse-...

(...)Zunächst war nicht klar, ob ein Straftatbestand vorlag, und da der Protest friedlich vonstatten ging, schritt die Polizei nicht mit Gewalt ein. Stattdessen stiegen die Beamten über Leitern ins Haus und sprachen mit den Hausbesetzern. Sie überredeten sie schließlich, das Gebäude zu räumen. Um 11.18 Uhr verließen die jungen Leute vermummt das Haus.(...)

 

Quelle: http://www.merkur-online.de/lokales/muenchen/zentrum/linke-aktivisten-besetzen-haus-goethestrasse-3047871.html

Die bekommen keine Anzeige und vermummen sich trotzdem noch. War ihnen vielleicht selber zu peinlich die Aktion. Eine schönere Zeitungsüberschrift wäre gewesen: "Rich Kids machen Revolte für eine Nacht!"

Es gab dieses Jahr bereits 2 "feministische Hausbesetzungen" in Wien "für FLIT* only". Nachzulesen ist das hier: http://platzda.blogsport.eu/2013/06/15/neue-feministische-hausbesetzung-...

"...und merken nicht mal, dass wir damit zwar an der Überwindung von männerdominierter Herrschaft arbeiten, aber ganz außer acht lassen, dass wir selbst in einer extrem priviligierten Situation sind, weil sich unter uns hauptsächlich Studierende befinden, die grade Semesterferien haben und morgen früh nichts arbeiten müssen."

Diese Kritik ist selten hirnrissig, weil sie moralisiert ohne irgendwem zu helfen. Das unter der Woche zu machen war vielleicht ein handwerklicher Fehler, vielleicht auch nicht - weniger mobilisierbare Unterstützung, leichter herstellbare Öffentlichkeit. Auf dieser Ebene wäre eine Kritik oder Diskussion  darüber auch sinnvoll.

Aber dieses moralinsaure Privilegiengeseiere bringt niemandem etwas. Hätten die Leute  - so tatsäclich studierende - aus Solidarität mit weniger privilegierten das in der Prüfungsphase machen sollen, wäre das dann politisch besser? Zählt ne Besetzung nur wenn wer dafür auf job ne Abmahnung kassiert?

Leute, lasst das schlechte Gewiisen daheim und bringt Ideen oder Utopien mit! Denn wenn etwas gefehlt hat, dann das der Raum konkret gefüllt wurde mit sinnvollen oder verrückten Aktionen. Stattdessen gabs wohl drei Stunden Plenum, und dann nochmal zwei hinterher oder so. Schade, dass wir oft die Ideen, was wir mit mehr Platz machen würden, nur dann haben wenn wir den Platz gerade nicht haben!

Ach ja, die Kritik von den Ex-Import-Export-Leuten ist auch bekloppt und legalistisch. Als ob die Aktion iregendwem geschadet hätte, im Gegenteil gabs einigermassen Vermittlung.

Naja, heute ist nicht alle Tage und vor allem die Goethe 30 nicht alle Häuser - bis zum nächsten Mal!

Es ist wie so oft dasselbe: Da besetzten einige wenige Priviligierte einen Raum, werfen mit Fach- und Fremdwörtervokabular um sich und wundern sich, wenn sie dann in der Früh alleine da stehen, als die Polizei kommt. Und dann wird auch noch von moralinsaurem Privilegiengeseiere geredet. Dabei fangen viele Privilegien ganz woanders an:

Egal ob es sich dabei um 'Definistionsmacht', 'Chritical Whiteness', 'Chritical Heteness' oder dergleichem handelt: Gut gemeinte Konzepte werden realitätsfern angewandt und die Akteur_innen glauben, dass sie so die Welt verändern könnten. Bei einer derartigen Fehlinterpretation von solchen Konzepten, geht es konkret ums Ausgrenzen und Feststellen von vermeintlichen Privilegien. Dabei werden alle rhetorischen Register gezogen, dem/der anderen ständig vorgeworfen er/sie hätte sich unkorrekt verhalten. So etwas passiert dann nicht in einer diskursiven Art und Weise, sondern in reiner Selbstgerechtigkeit. Einfühlsamkeit für weniger (Ein-)Gebildetete gibt es kaum bis gar nicht. Ich für meinen Teil habe no nie so eine moralisierende und ausschließende Szene gesehen, wie es im Moment der Fall ist in der (autonomen) Linken. Kein Wunder, dass die Szene vielfach vollständig unter sich bleibt und ihr einige vollständig den Rücken kehren. Solche Entwicklungen werden jedoch nicht als eigene Fehler gewertet. Im Gegenteil, denn selbstgerechte Menschen gestehen sich keine Fehler ein.

Von der qualvollen und erniedrigenden Suche nach einer Wohnung in München:

https://www.taz.de/Kolumne-Zumutung/!121630/