Against Anarchism, for Wild Anarchy. Eine Antwort auf die Kritik des Anarcho-Primitivismus.

Green
Dies ist eine Antwort auf den Artikel "Kritik des Anarcho-Primitivismus" der FAU Bielefeld, erschienen in der Ausgabe 28 (April 2013). von alex und apfelmus

Eigentlich sollte es uns sehr erfreuen, dass die im europäischen Raum kaum bekannte und noch viel weniger vertretene Strömung ("der Rand einer Randbewegung") Anarcho-Primitivismus (im folgenden A-Prim) in einer deutschsprachigen anarchistischen Zeitung erwähnt wird. Diskussionen Raum zu geben ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur gelebten Utopie der Herrschaftsfreiheit. Doch leider wurde von den Verfasser*innen keine Diskussion gesucht, sondern eine Definitionshoheit über die "Prinzipien des Anarchismus" beansprucht (Z.170), mittels derer eine Strömung als unanarchistisch bezeichnet wird und gefordert wird, "ihren Vertreter*innen und Positionen sollte kein Raum in anarchistischen Kreisen und Publikationen gewährt werden." (Z.183). Soviel zum Thema "antiautoritär"? Nein, wir wollen nicht platt zurückschießen. Vielmehr den Artikel als Anstoss sehen, über einige Missverständnisse zu informieren, die uns darin aufgefallen sind. Wir können aus Platzgründen nicht auf alle eingehen und thematisieren daher nur die größten dargestellten Missverständnisse und Vorurteile. Zu den Verfasser*innen dieser Antwort:

Wir sind für eine anarchistische Utopie einer Welt, in der viele Welten Platz haben. Wir identifizieren uns selbst nicht unbedingt mit dem Label Anarcho-Primitivismus. Aber wir sind dieser Strömung gegenüber nicht unsolidarisch. Wenn wir wählen müssten zwischen Anarchist*innen und Anarcho-Primitivist*innen (im folgenden A-Prims), könnte es auf letzteres hinauslaufen.

 

"Historisch hat der A-P nur wenige Vorläufer" heißt es im Artikel. Welche Historie ist damit gemeint, möchten wir zurückfragen? Menschen haben jahrtausendelang ohne Zivilisation gelebt. Geschichte ist mehr als die geschriebene Geschichte der Städte und Königreiche. Ist die europäische Geschichte gemeint, die in der Antike anfängt? Selbst aus einem eurozentristischen Geschichtsverständnis heraus ergeben sich z.B. der griechische Philosoph Diogenes, die Diggers der Neuzeit, die widerständigen Ludditen im 19. Jahrhundert sowie eine Vielzahl an anarchistischen Denker*innen der naturiens-Bewegung¹, als mögliche Vorläufer*innen für die a-prim Theorien. Und natürlich gibt es die neueren Texte und Bücher von z.B. Fredy Perlman, Lilith und John Zerzan, die tatsächlich seit den 80er Jahren gehäufter auftreten².

Aber es inspiriert zum Glück nicht allein das geschriebene Wort, das oft das Wort der Herrschaft ist. Die Natur, wie sie beschaffen und organisiert ist, und die Lebensformen von Menschen, die es immer noch auf der Erde gibt, sind für uns eine ebenso wichtige Quelle wie unsere Vorstellungskraft.

Gut fanden wir die Kritik an einer Romantisierung von Lebensformen, die z.B. wegen räumlicher oder zeitlicher Entfernung nie ganz verständlich sein werden. Währenddessen sind wir auch der Meinung, dass die menschliche Entwicklung zur Zeit der Entstehung erster unpersönlicher(*) Institutionen, Städte und Königreiche einen Bruch mit der Freiheit erlitten hat, und dass damit der Verlust der Selbstbestimmung, die Versklavung und Zerstörung der Natur und die systematische Herrschaft in die Wege geleitet wurden. Die Verklärung der Vergangenheit, ebenso wie das Konzept der "Edlen Wilden" lehnen wir ab. "Edler Wilde" ist die Projektion eigener Moralvorstellungen der Europäer der Kolonialzeit auf andere Lebensformen und eigentlich nur die Kehrseite der Verachtung technologisch schwächerer, unterlegener Menschen, die fort-schrittliche Europäer*innen zu Versklavung und Genozid veranlasste. Unser Respekt vor diesen Lebensformen basiert auf ihrem Wissen, Fertigkeiten und Kultur, die uns verloren gegangen sind. Wir wollen nicht die Zeit zurückdrehen, wir wollen eine Zukunft ohne Zerstörung und Sklaverei, und unserer Meinung nach ist so eine Zukunft mit dem modernen Stand der Technologie und Organisation nicht möglich.

 

Technologie ist nicht 'an sich böse'. Wir halten aber die Kritik an Technologie und Zivilisation für eine tiefere und radikalere Analyse als die Kritik am Kapitalismus, denn Kapitalismus ist nur ein Teil einer zerstörerischen Weltanschauung, nicht deren Wurzel. Es geht aber nicht, wie im Artikel unterstellt wird, um die Selbstdarstellung junger Menschen als besonders radikale Zeitgenoss*innen. (Z.160) (Wir fanden das ziemlich unfair, jungen Menschen Urteilsvermögen abzusprechen.) Es geht auch nicht um eine Unterteilung in 'gute' und 'schlechte' Technologie, um die sofortige rücksichtslose Abschaffung der Technologie, es geht nicht um das Rad. Es geht viel mehr darum, Technologie zu hinterfragen und ihre Folgen für Menschen und Natur nicht auszublenden. Dazu zählen nicht nur die technologischen Endprodukte, sondern alle Prozesse von Ressourcenbeschaffung bis zu Entsorgung, oder eben energieverbrauchendem "recycling". Die Natur ist keine Rohstoffquelle und keine Müllhalde, sie ist unsere Lebensgrundlage. Schon vor Beginn der Industrialisierung, doch spätestens mit ihrem Einsetzen, ist der technologische Fortschritt von territorialer Expansion und zunehmender Rohstoffzufuhr abhängig. Das ist Teil der Beschaffenheit von unseren Autos und Computern. Diese Technologien würden in einer anarchistischen Gesellschaft ihre Eigenschaften, ihre Produktionsweisen und Rohstoffquellen beibehalten.

Außer diesen ökologischen und ökonomischen Aspekten ist uns das Verhältnis von Technologie und Herrschaft wichtig. Komplexe Technologien können nicht ohne Zentralismus und große Institutionen existieren. Die sich daraus ergebende Standartisierung, Monokultivierung und Monopolisierung greift in menschliche Kulturen und ins Zusammenleben ein. Menschen sind immer mehr auf die gesamte Maschinerie angewiesen um existieren zu können. Aus der Möglichkeit, der Option, wurde die Notwendigkeit. Je weiter der technologische Fort-Schritt, desto abhängiger sind Menschen davon. Durch die zunehmende Arbeitsteilung schwindet auch die Verantwortung, jeder Mensch hat nur Ahnung vom persönlichen, kleinen Bereich, jeder Mensch 'tut nur seinen Job', was mit der fortschreitenden Spezialisierung nicht zu vermeiden ist. In den restlichen Bereichen ist mensch passiv und kontrollierbar. Wir sprechen nicht von 'entfremdeter Arbeit', wir sprechen von einem entfremdeten Leben in der industriellen Massengesellschaft, die es zu überwinden gilt.

 

"Zudem formuliert der A-Prim einen globalen und autoritären Anspruch, der anderen Spielarten des Anarchismus in der Strenge abgeht." (Z.96) Hier haben wir uns gefragt, warum im Artikel nicht erklärt wird, worin der autoritäre Anspruch von A-Prims bestehen sollte. Totalitär und diktatorisch ist nach A-Prim vielmehr das Konzept Zivilisation, das unter sich Tausende von Leben begraben hat, die sich weigerten, ihre Freiheit aufzugeben. A-Prims haben zudem keinen "globalen Anspruch", sondern eine globale Kritik. Die Lebensform der Zivilisation ist eben nicht nur autodestruktiv und lokal beschränkt - ihre Nachteile kennen keine Grenzen. Luftverschmutzung, saurer Regen, Erosion, giftige Schlämme und viele andere Auswirkungen sind global. Wenn eine sich selbst und die Natur ausbeutende Gesellschaft den Freiraum(*) für andere Lebensformen respektierte und beide nebeneinander ohne Beeinträchtigung existieren könnten ("ich bin frei, solange ich anderen nicht schade"), werden es nicht sich als anarchistisch verstehende Antizivilisatoriker*innen sein, die anderen ihre Art zu leben aufzwingen. Sie würden als Anarchist*innen solidarisch mit denen sein, die in ihrer Selbstbestimmung unterdrückt werden.

 

Im Artikel wird A-Prims vorgeworfen, menschenfeindlich zu sein und "Auserwählte" überleben sehen zu wollen. (Z.178) Hier haben wir uns doch sehr gewundert. Zunächst sei angemerkt, dass es eine unglaublich kleine (wir finden aber nicht nur große Zahlen relevant) Gruppe Menschen ist, die 'die Menschheit' für das Übel der Welt halten. Es gibt sie, vor allem unter den Tiefenökolog*innen, die aber nicht mit A-Prims gleichzusetzen sind . Misanthropie ist vielleicht eher ein Produkt von persönlicher Desillusionierung, beschränkt sich zumindest aber nicht auf Menschen in a-prim Zusammenhängen. Menschen an sich, ohne ihre Zurichtung, sind ja ganz ok, doch ein Urteil über Menschen ist hier nicht nötig. Eher ein Urteil über das gegenwärtige Mensch-Sein, an das es eine radikale Absage geben muss. Ein anderes Mensch-Sein zu finden...

Konzepte wie das Überleben weniger "Auserwählter" sind unserem Verständnis nach nicht tragbar. Falls es einen Kollaps geben wird, werden sicherlich jene überleben, die privilegiert sind – ausgestattet mit dem nötigen Material und vor allem den nötigen Fähigkeiten, die nicht von oben zugeteilt, sondern erlernt werden.

 

A-Prims lehnen Herrschaft ab. Herrschaft wird tatsächlich durch systematische, unpersönliche(**) Strukturierung ausgeübt, beispielsweise durch Zuständigkeiten wie ein Amt oder ein Delegat innezuhaben oder durch Spezialisierungen wie Berufe. Diese Strukturen fungieren als Katalysatoren für eine Vertikalisierung von sozialen Zusammenhängen. So ist das Patriarchat aufgrund einer Strukturierung in Geschlechterrollen entstanden. Klassenherrschaft ist durch eine Strukturierung der Arbeit entstanden. Wissenshierarchien sind durch eine Strukturierung der Bildung entstanden, Deutungshoheiten sind durch eine Strukturierung der Urteilsfähigkeit entstanden. Je mehr Menschen sich in einem Zusammenhang befinden und miteinander interagieren möchten, desto mehr Strukturierung ist nötig. Anarchistische freie Vereinbarungen können jederzeit gekündigt werden, was eine komplexe Strukturierung aber bedroht. Daraus folgt, dass eine Massengesellschaft nicht dezentral und anarchistisch sein kann.

Ein Zusammenhang, der komplexe Technologien herstellt, bildet ebenfalls Hierarchien, auch die als 'dezentral' gefeierte Informationstechnologie. Denn Entwickler*innen und manuelle Arbeiter*innen müssen ausgebildet, koordiniert, organisiert werden. Während es viele manuell arbeitende Menschen braucht, um die Zivilisation am Laufen zu halten, das heißt Nahrung anzubauen, zu verarbeiten, Rohstoffe aus Bergen abzutragen, zu transportieren, Maschinen zusammenzubauen, die Struktur durch Abfallentsorgung (z.B. Kanalisation) und Wartung von Produktionsabschnitten aufrechtzuerhalten, braucht es wesentlich weniger Menschen, die die Untersuchungen zur Bodenqualität anstellen, die die Lebensmittelproduktion, Rohstoffabbau und -transport durch einen bürokratischen Apparat koordinieren, Maschinen und Tranportsysteme entwickeln, die Struktur also konzipieren. Für die Ausbildung dieser im Verhältnis wenigen hochqualifizierten Menschen sind Bildungsinstitutionen nötig, die zuverlässig besucht werden müssen und in denen normiertes Wissen vermittelt werden muss, denn die Produktion komplexer Güter bedarf einiger Konventionen (wie Stromstärke, Masseinheiten, Schreibweisen usw.). Ohne ein weitreichendes, zumindest in Teilen uniformisiertes Bildungssystem sind diese Standards nicht vermittelbar. Spezielle Kenntnisse und Fähigkeiten kann mensch sich nicht 'mal eben' erarbeiten, sondern braucht Jahre, um sie zu erlangen - Schule und Ausbildung werden zum Muss für eine sogenannte 'entwickelte' Gesellschaft. Während sich viele Menschen in kürzerer Zeit ein Allgemeinwissen aneignen müssen, müssen sich wenige Menschen in längerer Zeit Spezialwissen aneignen. Die Menschen mit selteneren Fähigkeiten bekommen mehr Aufmerksamkeit als Menschen mit durchschnittlichen Fähigkeiten. Im leninistischen Kommunismus wird Gleichheit angestrebt, indem allen die gleichen Fähigkeiten vermittelt werden sollen³. Wir fragen uns aber, warum das überhaupt sein muss. Wir wollen den Fortschrittsglauben, die anscheinende Unhinterfragbarkeit der Produktivität, hinterfragen. Wir wollen wissen, was daran "entwickelt" oder "fortschrittlich" ist, dass Menschen sich vorgefertigtes Wissen aneignen müssen um Dinge produzieren zu können, die dann in der Herstellung und Nutzung Mensch und Natur schaden. Aber eine Diskussion über den vorhandenen Luxus und die Bequemlichkeiten stösst auf wenig Gegenliebe - wer ist schon bereit, Privilegien im Namen der globalen Solidarität oder der Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlage zu opfern?

Wenn die speziellen Fähigkeiten von Menschen an Wichtigkeit zunehmen, wenn das ökonomische Denken das freie Denken besetzt, tritt die Reduktion ein, auf die schon Marx reingefallen war - die Befreiung der Produktivkräfte wird für die Befreiung der Menschen gehalten.

Strukturkonservativere anarchistische Modelle neigen ebenfalls zur Reduktion, nämlich wenn der Schritt zur Selbstorganisation als Ersatz für den Schritt zur Selbstbestimmung akzeptiert wird. Die Kritik von Anarchist*innen am Marxismus, der Staat würde sich nicht einfach schrittweise auflösen, übernehmen A-Prims: Zerstörerische Produktionsweisen würden sich auch nicht von alleine auflösen, solange Menschen davon abhängig sind. Wir wollen uns nicht von anderen Kämpfen entsolidarisieren, sondern auf Aspekte von Herrschaft hinweisen, die den gemeinsamen Zielen Freiheit, Autonomie, Würde, und menschliche Erfüllung in den Weg gelegt werden. Wenn linke "anarchistische" Autor*innen in der Vergangenheit einen massiven bürokratischen Apparat von Spezialist*innen und wirtschaftlicher Zentralisierung forderten, autonome Kleingruppen und Individuen als Hindernis für die heilige Kuh (auch Produktivität genannt) ausmachten und eine Disziplinierung der arbeitenden Menschen forderten4, wollen wir fragen, was Arbeit und 'Nutzwert' eigentlich wert sind. Die linke Vorstellung von Freiheit als "Einsicht in die Notwendigkeit" sollte demaskiert werden, damit wir offen über die ideologische Natur der Produktivität diskutieren können.

Eine simplere Lebensform erlaubt viel direktere, dezentralisiertere Beziehungen als eine komplexe, produktivistische Lebensform. Und es stellt sich wieder die Frage: Ist ein Anarchismus fortschrittlich, der grosse Menschenmengen auf Kosten ihrer Autonomie und auf Kosten der Lebensgrundlage aller Lebewesen organisiert, ein Anarchismus, der einen Zusammenhang von Millionen von Menschen nicht dezentral und hierarchiearm gestalten kann? Der face-to-face mit face-in-the-crowd ersetzt?

Es gibt Menschen, ob als A-Prims gekennzeichnet oder nicht, die die Hegemonie der westeuropäischen Zivilisation und Kultur ablehnen und kulturrelativistische Positionen oder archäologische und soziologische Erkenntnisse berücksichtigen, die von herrschaftsarmen Gemeinschaften erzählen, die von der westeuropäischen Zivilisation vernichtet wurden oder bedroht sind5.

 

Der Freiheitsgedanke der Anarchie: die Freiheit des Individuums zu freien Vereinbarungen mit anderen Individuen, ist für uns der zentralste und auch wichtigste Aspekt einer anarchistischen Praxis. Dieses Anliegen, verknüpft mit ökologischem Bewusstsein und der Suche nach einer Lebensform, die Mensch und Natur am wenigsten schadet, ergibt vielleicht etwas, das mensch Anarcho-Primitivismus nennen könnte. Wenn "Anarchismus" aber bedeutet, anstelle des Staates ein Netzwerk von Computern und Bergwerken zu setzen, das von den Arbeiter*innen selbst oder von einer Arbeiter*innen-Gewerkschaft koordiniert wird, dann ist der Anarcho-Primitivismus wirklich kein Anarchismus. Denn eine solche staatähnliche Organisation der Produktionskräfte und -stätten ist für A-Prims nur eine Namensänderung, die die Bestie in den Köpfen nicht austreibt.

Wie die Zukunft aussehen wird, ist nirgendwo festgeschrieben. Ob die Menschen ihre Lebensgrundlage vollständig zerstören oder die Chance für ein freies und selbstbestimmtes Leben ergreifen liegt an uns allen. Dafür wollen wir kämpfen, darüber wollen wir reden, und dazu ist jede*r herzlich eingeladen.

 

Wir haben Lust auf eine weitere Diskussion, wollen aber auch nicht seitenweise Gai-Dao-Ausgaben dafür squatten. Deswegen haben wir uns entschlossen, unter https://forum.autistici.org/viewtopic.php?id=8132 einen Ort für eine Diskussion aufzumachen.


* (und damit sind keine getarnten Almosen wie Reservate und Schutzgebiete gemeint, sondern Raum für Selbstbestimmung)

** (das heisst nicht durch freie Vereinbarung (ab-)schaffbare)

 

¹ beispielsweise Sophia Zaïkowska, Georges Butaud, Louis Rimbaud.

² einige Texte sind hier verfügbar: http://theanarchistlibrary.org/authors/fredy-perlman, www.zinelibrary.info/files/bloodlust.pdf, http://theanarchistlibrary.org/authors/john-zerzan

³ "Der Sozialismus muss vermittels breiter Produktionsverbände dazu übergehen, die Arbeitsteilung unter den Menschen aufzuheben und allseitig entwickelte und allseitig geschulte Menschen, die alles machen können, zu erziehen, zu unterweisen und heranzubilden." W.I. Lenin, Der "linke Radikalismus", die Kinderkrankheit im Kommunismus, S. 43

4 siehe z.B. D.A. Santillan, After the Revolution, http://libcom.org/history/after-revolution-economic-reconstruction-spain-diego-abad-de-santill%C3%A1n oder G.P. Maximoffs Program of Anarcho-Syndicalism, http://libcom.org/library/program-anarcho-syndicalism-g-p-maximoff Diese Disziplinierungen waren nötig, um die Produktion aufrecht zu erhalten.

5 siehe z.B. Marshall Sahlins, Jared Diamond

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...aber ich würde bspw. nicht mitmachen, weil

 

"wir wollen eine Zukunft ohne Zerstörung und Sklaverei, und unserer Meinung nach ist so eine Zukunft mit dem modernen Stand der Technologie und Organisation nicht möglich."  

- Was ist genau das Ziel? Ich lese aus dem Text ein Streben nach einer "primitiveren" Lebensart, erinnert mich sehr an die Ziele der Roten Khmer.


"Daraus folgt, dass eine Massengesellschaft nicht dezentral und anarchistisch sein kann."

- Ganz meiner Meinung. Nur leider sind wir inzwischen eine Massengesellschaft und ich sehe keinen vertretbaren Weg zurück.

 

"Spezielle Kenntnisse und Fähigkeiten kann mensch sich nicht 'mal eben' erarbeiten, sondern braucht Jahre, um sie zu erlangen - Schule und Ausbildung werden zum Muss für eine sogenannte 'entwickelte' Gesellschaft."

- So ist es. Deswegen stehe ich persönlich inzwischen auch hinter einer "entwickelten" Gesellschaft, mit Spezialisten usw. Ich habe keine Lust zu sterben, nur weil ich mal in einen rostigen Nagel getreten bin und... tja leider gibt es keine Spezialisten, die mir jetzt mit bestimmten Technologien helfen könnten, weil das Bildungssystem bzw. das Wissen nicht uniform ist.

 

"Eine simplere Lebensform erlaubt viel direktere, dezentralisiertere Beziehungen als eine komplexe, produktivistische Lebensform."

- Uff, mag wohl sein, aber ganz ehrlich, ich habe oft einfach keine Lust, mich mit Menschen zu unterhalten oder sie gehen mir einfach tierisch auf die Nerven. Deswegen bin ich ganz glücklich, dass ich meinen Job habe, Geld bekomme und mich mit den restlichen Menschen, die mit mir arbeiten oder mir über den Weg laufen, nicht unterhalten muss oder eine direktere Beziehung haben muss.

 

Trotzdem ein schöner Text, gute Ideen und sehr interessant. Was aus meiner Sicht ebenfalls in die Richtung geht, sind folgende Texte:
http://www.equinox-net.de/wp/wp-content/downloads/unabomber.pdf    - Das Unabomber-Manifest. Tolle Gedanken, verständlich und zusammenhängend geschrieben... aber ich würde trotzdem keine Briefbomben verschicken.
"Haben oder Sein" von Erich Fromm. Setzt sich ebenfalls mit den zwischenmenschlichen Problemen auseinander, die eine entwickelte Gesellschaft mit sich bringt.

so wie ich das verstehe is der zentrale gedanken hinter "dem" (keine strömung ist wirklich homogen) anarcho-primitivismus, dass die moderne zivilisation und ihre technokratie hinterfragt werden. das ist ein wichtiger punkt für alle emanzipatorischen bewegungen.

anscheinend gibt es dann aber manche leute, die sich als anarcho-pimitivisten bezeichnen und ziemlich kranke positionen vertreten. zumindest stand das so in der april-ausgabe der GaiDao. hab mich mit der literatur aber noch nicht beschäftigt.

 

also anarcho-primitivismus nicht gleich verteufeln, aber wie alles andere auch kritisieren.