Rechtsextreme prügeln Antifa-Aktivist in Hirntod

Erstveröffentlicht: 
06.06.2013

Neonazis haben in Paris bei einer Prügelei einen militanten linken Studenten so schwer verletzt, dass er für hirntot erklärt wurde. Die Täter flüchteten, Parteien aller Lager äußern sich fassungslos.

 

Es geschah am späten Mittwochnachmittag bei einem privaten Lagerverkauf von Designerklamotten und Sportbekleidung, wie es sie in Paris häufiger gibt. In einer Wohnung in der Rue Caumartin im 9. Arrondissement, unweit der großen Kaufhäuser Galeries Lafayette und Printemps, trafen Clément Méric, ein militanter linker Science-Po-Student, und eine Handvoll seiner Freunde, auf zwei junge Männer und eine Frau aus der rechtsextremen Szene: Skinheads, die angeblich Hakenkreuz-Tätowierungen und Sweatshirts mit der Aufschrift "Blood and Honour" trugen.

Schnell kam es zu einem Wortwechsel. Clément soll sich als Mitglied der "Action antifasciste" zu erkennen gegeben haben. Angeblich machten sich seine Antifa-Freunde über den Aufzug der Skinheads lustig. Die verließen die Wohnung – und warteten draußen in der Rue Caumartin, einer belebten Fußgängerzone, auf ihre Widersacher.

Am hellichten Nachmittag standen sich dann vier junge Skinheads – das Trio aus der Wohnung hatte offenbar Verstärkung bekommen – und vier linke Aktivisten gegenüber. Die Beschimpfungen setzten sich fort. Es kam zur Schlägerei. Mit einem Faustring streckte einer der Skinheads Clément Méric nieder. Der Student stürzte und schlug mit dem Kopf auf einen Poller. Nun liegt er im Koma im Pariser Krankenhaus La Pitié-Salpêtrière. Die Ärzte beschrieben ihn als "hirntot". Die Täter konnten fliehen.

Linkspartei bezichtigt Nationalistengruppe der Tat

Die Tat hat Paris in einen Schockzustand versetzt. Präsident François Hollande, der sich auf einem Staatsbesuch in Japan befindet, verurteilte die Tat "aufs Schärfste". Er habe Anweisungen gegeben, damit die Täter so schnell wie möglich gefasst werden könnten, hieß es in einem Kommuniqué aus dem Élysée.

Innenminister Manuel Valls erklärte "seine absolute Entschlossenheit, diese Gewalt der extremen Rechten auszulöschen". Am Donnerstagmorgen begab er sich an den Tatort. Unabhängig von der Empörung und der schärfsten Verurteilung dieser Tat, die das "Schicksal eines jungen Mannes zerstört hat", sei das Wichtigste, nun die Täter zu ergreifen. Das Opfer befinde sich in einem "aussichtslosen Zustand", sagte Valls.

Der Generalsekretär der Linkspartei, Alexis Corbière, verurteilte den "faschistischen Horror, der mitten in Paris tötet". Er bezichtigte die rechtsradikale Gruppe "Junge nationalistische Revolutionäre" (JNR) der Tat. Der Führer der JNR, Serge Ayoub, bestritt jedoch gegenüber der Nachrichtenagentur AFP eine Beteiligung seiner Gruppierung an dem Gewaltakt.

Der Pariser Bürgermeister Bertrand Delanoë verurteilte in einer Erklärung den "tödlichen Angriff, der von Mitgliedern der extremen Rechten ausgeführt wurde". Er wünsche sich, "dass die Polizei und die Justiz die Schuldigen schnell finden und zur Rechenschaft ziehen". Zahlreiche Zeugen hatten die Auseinandersetzung beobachtet, dennoch gelang den Tätern die Flucht. Die Polizei ist dabei, die Aufnahmen von Videokameras in der Umgebung auszuwerten.

Unruhige Stimmung wegen Homo-Ehe

Die Tat ereignete sich, nachdem sich im Umfeld der Demonstrationen gegen die Homo-Ehe das Klima zwischen militanten Rechten und Linken in den vergangenen Wochen sichtbar verschärft hatte. Der Unternehmer Pierre Bergé, der der Parti socialiste (PS) nahesteht und Mitbesitzer der Zeitung "Le Monde" ist, schrieb auf dem Kurznachrichtendienst Twitter: "Es sind die Unverantwortlichen der 'Manif pour tous' (Demos gegen die Homo-Ehe, Red.), die dieses Terrain bereitet haben. Indem sie sich mit der extremen Rechten verbündet haben, erlauben sie ihr zu existieren."

Die Vorsitzende des Front National (FN), Marine Le Pen, wies die impliziten Anschuldigungen umgehend zurück: Ihre Partei habe mit diesen "unerträglichen und unzulässigen Taten nicht das Geringste zu tun". Sie teile das Leid derer, die mit dem Opfer politisch aktiv gewesen seien, denn selbst wenn sie nicht dieselben politischen Überzeugungen teile, finde sie die Tat grauenhaft, sagte Le Pen.

Rechtsradikale Splittergruppen wie die JNR würden gründlich überwacht. Wenn es sich herausstelle, dass diese Organisationen ihre Mitglieder zu Gewalttaten aufforderten, könne man über ein Verbot durchaus nachdenken.

Ebenso entsetzt äußerten sich der Vorsitzende der konservativen UMP und die UMP-Kandidatin für das Bürgermeisteramt in Paris, Natalie Kosciusko-Morizet: Gewalt sei "Krebs für die Demokratie", sagte die frühere Sprecherin der Wahlkampagne von Nicolas Sarkozy. Die Linkspartei und die Sozialisten haben für den Abend zu Gedenkmärschen für Clément Méric aufgerufen.

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Die "WELT" hat aus dem französischen Wort militant fälschlicherweise einen "militanten Studenten" gemacht. Korrekt wäre die Übersetzung "Mitstreiter" oder "Aktivist".