Freiburger Skandalrichter verurteilt Studentin

Kleiner Finger

Am 9. Juli 2009 wurde vor dem Amtsgericht Freiburg unter Vorsitz von Richter Leipold eine 23-jährige Studentin wegen Körperverletzung in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte während einer Demonstration gegen Studiengebühren am 26. Januar verurteilt. Die Angeklagte machte Angaben zur Person, nicht jedoch zur Sache. Da noch ein rechtskräftiger Verurteilung zu 90 Tagessätzen wegen Sachbeschädigung durch Graffiti vorlag, aber der Strafbefehl noch nicht bezahlt war, wurde eine Gesamtstrafe von 110 Tagessätzen à 10 Euro verhängt. Die Sitzplätze im Gerichtssaal reichten angesichts des Interesses an dem Prozess nicht aus, unter anderem waren dutzende Bullen anwesend.


Anlass des Prozesses war die auf die Demo folgende halbstündige Blockade der Kronenbrücke. Als die BFE-Bullen mit „Beinfegern, Tritten und Boxschlägen“ anfingen den Kreuzungsbereich zu räumen, wurde die 1,64m große und 50kg schwere Angeklagte vom BFE-Bullen PM Woldert auf Eigenitiative festgenommen, allerdings mussten ihm mehrere Kollegen dabei helfen. Woldert schleifte sie an ihren Haaren aus der Menge und boxte ihr in den Magen und auf die Nase. Er habe sie „am Schlafittchen gehabt“ und ihr „ein, zwei Haare oder ein kleines Büschel ausgerissen“, die später an seinem Handschuh hingen. Vorgeworfen wurden der Angeklagten zwei Bisse durch ein Transparent und einen Einsatzhandschuh mit „extra starker Polsterung“ in die Hände eines BFE-Bullen. Dieser identifizierte die Angeklagte „nach dem Ausschlussprinzip“, dem später auch der Richter folgte: „Wer soll es denn sonst gewesen sein?“

Der arme etwa 1,85m große und 90kg schwere Bulle beklagte sich über eine Quetschung am kleinen Finger. Er dramatisierte seine leichten Verletzungen und beklagte sich über Hautabschürfungen, einen am nächsten Tag angeschwollen Finger, mit dem er noch nach zwei Tagen „zu tun“ hatte. Er habe „erst gar nicht an einen Biss gedacht, sondern eher an eine Zange“. Dafür will der BFE-Bulle die Angeklagten zusätzlich zivilrechtlich verklagen: 350 Euro Schmerzensgeld seien angemessen.

Zwar war der Politbulle KOK Markus Beck vom Staatsschutz der Kriminalpolizei Freiburg nicht als Zeuge vorgeladen und saß deshalb wie viele seiner KollegInnen die ganze Zeit im Saal. Da er aber nun aber schonmal da war, befragte ihn die Anwältin zur Ermittlungspraxis der politischen Polizei. Die Angeklagte bewege sich in der linken Szene und in den Ermittlungsakten angeführten „staatsschutzrelevanten Erkenntnisse“ seien von „Feststellungen und Beobachtungen bei entsprechenden Veranstaltungen“. Die vom Staatsschutz in den Ermittlungsakten angeführten „Erkenntnisse“, die somit Einfluss auf die richterliche Entscheidungsfindung haben, stammen dabei zumeist aus polizeilichen Datensammlungen, die nicht notwendig zu Ermittlungsverfahren geschweige denn zu Verurteilungen führten. Die Betroffene hatte keine Kenntnis von diesen Daten und konnte sich daher auch nicht gegen ihre Speicherung wehren.

Die Anwältin bat darum, zwei Videomitschnitte der Verhaftung der Angeklagten anzusehen. Das entlastende Video konnte aufgrund der technischen Inkompetenz der versammelten Honoratioren zunächst nur ohne Ton angeschaut werden, bis sich ein zufällig anwesender Linksradikaler aus dem Publikum erbarmte und die Stummschaltung des gerichtseigenen Laptops ausschaltete.


Anschließend wollte Staatsanwalt Hosp noch die Staatsschutz-DVD abspielen und sorgte für Entsetzen bei Staatsschützer Beck, als dieser die DVD leer vorfand. Nach einer Schrecksekunde stellte sich heraus, dass der Staatsanwalt lediglich die DVD mit der beschrifteten Seite nach unten eingelegt hatte. Das Publikum reagierte erheitert und es wurde Schokolade an die anwesenden UnterstützerInnen verteilt. Dann stürzte auch noch der Windows-Rechner beim Abspielen des Filmchens mit einem hakenden Dauerton ab und der Richter beschwerte sich über die Picknick-Atmosphäre. Das Publikum machte kurzen Prozess mit dem Trauerspiel und stellte einen Linux-Laptop zur Verfügung, den Beck leicht verblüfft anstarrte. Das Video war größtenteils nichtssagend, der angebliche Biss war auf keinem der beiden Videos zu sehen.

 

Wolderts Kollege Gregori widersprach diesem als er sagte, dass er die Angeklagte die ganze Zeit über im Blick gehabt habe, während Woldert sich sicher war, dass sie die ganze Zeit vom Fronttransparent verdeckt war. Diesen Widerspruch ignorierte Richter Leipold, was wiederum uns überhaupt nicht verwundert. Leipold ist als Rassist durch seine skandalöse Prozessführung gegen Kingsley Osagi (PDF) und das erstinstanzliche Skandalurteil im Karma-Verfahren (PDF) bekannt.

Anschließend bezeugte Harry „wie Härri“ Hochuli zum wiederholten Male seine Coulrophobie, während seine Untergebenen ihn hinter seinem Rücken nachäfften. Das einzig Interessante an seiner langatmigen , über weite Strecke auswendig gelernte und recht ermüdenden Aussage war, dass er versucht hat, dem Versammlungsleiter zu befehlen, die OrdnerInnen als Hilfsbullen zu missbrauchen.

 

Staatsanwalt Hosp trieb mit seinem Plädoyer alle anwesenden Parteien ob seiner rhetorischen Fähigkeiten äh in äh die äh Verzweiflung.  Er meinte, dass 50 Tagessätze als Strafe nicht ausreichten und forderte 90 Tagessätze, die zu einer Gesamtstrafe von 150 Tagessätzen zusammengefasst werden sollten. Die Rechtsanwältin widersprach der Anklage wegen Körperverletzung, da ein Biss nicht zweifelsfrei nachzuweisen sei, schon gar nicht der Angeklagten. Woldert habe nur eine Interpretation der Ereignisse abgegeben, die sich aber auch anders interpretieren lassen. Der Richter sprach die Angeklagte angesichts seines politischen Hintergrunds wenig überraschend für schuldig im Sinne der Anklage. Sein Gesinnungsurteil beendete er hochmütig mit den Worten: „Wer sich in Gefahr begibt...“

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<<<Presseerklärung vom 08. Juli 2009>>>

 

Stellungnahme zum Prozess gegen Festgenommene vom 26.01.2009

UStA der PH fordert Freispruch für die Angeklagte, Verfolgung von Polizeigewalt und Einstellung der Verfahren gegen alle anderen Festgenommenen vom 26.01.2009

Morgen hat eine am 26.01.2009 brutal festgenommene Bildungsaktivistin ihren Prozess vor dem Freiburger Amtsgericht. Ihr wird Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Körperverletzung vorgeworfen. Die damalige Räumung der friedlich besetzten Kronenbrücke wurde durch die Einsatzkräfte der Polizei mit Gewalt, sprich Faustschlägen und Fußtritten, vollzogen.

"Es ist einfach unglaublich. Die zierliche Frau wurde, von mehreren Einsatzkräften umringt, an den Haaren gezogen und in den Magen geschlagen und muss sich jetzt wegen Körperverletzung verantworten," erklärt UStA-Mitglied Dennis Kleinschmidt.

Es kann nicht sein, dass der Polizeieinsatz durch eine etwaige Verurteilung im Nachhinein gerechtfertigt werden soll. Das Verhalten der Polizei, nicht nur die brutale Räumung sondern auch der spätere Umgang mit den Festgenommenen, von denen sich, von der Polizei erst geleugnet dann doch zugegeben, drei Personen auf dem Revier nackt ausziehen mussten, diente nur dazu, legitimen Protest zu kriminalisieren. Junge Bildungsaktivist_innen, die sich für ein gerechteres Bildungssystem einsetzen, sollen so eingeschüchtert werden.

"Es besteht wohl die Hoffnung, wir würden uns abschrecken lassen und uns nicht mehr an den Protesten gegen die unsoziale Bildungs- und Sozialpolitik der baden-württembergischen Landesregierung beteiligen," vermutet Kleinschmidt. "Doch diese Hoffnung wird sich nicht erfüllen!"

Wir fordern nicht nur den Freispruch für die Angeklagte, sondern auch noch einmal nachdrücklich die Einstellung aller weiteren Verfahren vom 26.01.2009, von denen auch Mitglieder der Studierendenvertretung der PH Freiburg betroffen sind, und die Löschung der damals erhobenen Daten.


+++Freie Bildung für alle- von der Krabbelgruppe bis zum Tod!+++

 

Referat für Politik- und Meinungsfreiheit des UStA der PH Freiburg

 

Ein teurer Protest gegen die Studiengebühren

So voll, dass Zeugen und Zuschauer die Verhandlung stehend verfolgen mussten, war es vermutlich lange nicht mehr in Saal VI des Amtsgerichts. Grund für das große Interesse war die Verhandlung gegen eine 23 Jahre alte Studentin der Universität Freiburg, die während einer Demonstration im Januar einen Polizisten in den Finger gebissen haben soll. Wegen vorsätzlicher Körperverletzung und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte wurde die Studentin, die Lehrerin werden möchte, gestern zu einer Geldstrafe verurteilt. Eine kürzlich verhängte Strafe wegen illegaler Graffiti wurde mit ins Urteil einbezogen, so dass der Richter die Gesamtstrafe auf 110 Tagessätze à zehn Euro festsetzte.

Am Tag vor der Verhandlung hatte der unabhängige Studierendenausschuss (Usta) der Pädagogischen Hochschule Freispruch für die 23-Jährige gefordert und die Einstellung aller Verfahren gegen jene, die an diesem Tag festgenommen worden waren, darunter auch Mitglieder des Usta. "Es ist unglaublich. Die zierliche Frau wurde von Einsatzkräften umringt, an den Haaren gezogen und in den Magen geschlagen und muss sich jetzt wegen Körperverletzung verantworten", so Usta-Mitglied Dennis Kleinschmidt.

Eigentlich war es eine friedliche Demonstration gegen Studiengebühren, an der am 26. Januar dieses Jahres rund 2000 Studenten teilnahmen. "Die Atmosphäre war recht entspannt", schilderte auch Harry Hochuli, Leiter des Polizeireviers Nord, vor Gericht seine Eindrücke von der beim Ordnungsamt angemeldeten Demonstration. Erst am Ende, auf der Kronenbrücke, kam es zu einer illegalen Blockade. Aufforderungen, die Straße zu räumen, kamen die Blockierer – der harte Kern bestand aus 30 bis 40 – nicht nach.

Die Demonstranten stemmten und drückten sich gegen die Beamten der Bereitschaftspolizei, die eine Kette gebildet hatten. An vorderster Front unter den Demonstranten war hinter einem Transparent auch die Angeklagte. Einer der als Zeugen geladenen Polizisten erkannte sie wieder. Der am Finger verletzte Polizist schilderte, wie er einen Biss in die linke Hand verspürte. Mit einem Boxhieb versuchte er, sich davon zu befreien. Es folgte ein starker Biss in den kleinen Finger, wobei der Polizist zunächst an einen Kniff mit einer Zange dachte. Dabei war der Biss offenbar so stark, dass der Polizist durch den gepolsterten Handschuh hindurch Schmerzen verspürte. Die Person hinter dem Transparent sah er zum Zeitpunkt des Bisses nicht. Als er es herunterriss, bekam er vor sich die Studentin zu fassen. Dabei riss er ihr nach eigener Aussage ein Büschel Haare aus. E r schilderte, dass er ihr einen leichten Schlag auf die Nase verpasste. "Ich bin mir zu 100 Prozent sicher, dass sie das war", versicherte der 27-jährige Polizist. Mit Hilfe zweier Kollegen ergriff er die Studentin und führte sie ab. Dass sie dabei gezappelt und gestrampelt habe und nicht in den Griff zu bekommen gewesen sei, wie der Polizist sagte, war auf einem Video, das in der Verhandlung vorgeführt wurde, nicht zu sehen. Im Gegenteil: Die Angeklagte war "relativ ruhig", wie ihre Anwältin befand. Für Staatsanwalt und Richter bestand jedoch kein Zweifel daran, dass es die Angeklagte war, die zugebissen hatte.

 

Quelle: http://www.badische-zeitung.de/freiburg/ein-teurer-protest-gegen-die-stu...