[B]: Viele Zwangsräumungen verhindert

Stop Zwangsräumungen

In den letzten Wochen ist es ruhiger geworden um die Proteste gegen Zwangsräumungen. Dies hat einen simplen Grund. Die meisten Zwangsräumungen in letzter Zeit konnten erfolgreich verhindert werden. Die vorangegangenen Blockaden und Aktionen haben einen großen Druck aufgebaut, sowohl öffentliche Wohnungsbaugesellschaften als auch private Vermieter versuchen nun einer Blockade aus dem Weg zu gehen und sagen deswegen Zwangsräumungen ab.

Die abgesagten Zwangsräumungen sind zunächst ein großer Erfolg und besonders für die Betroffenen eine sehr große Erleichterung. Die generelle Entwicklung von steigenden Mieten und Verdrängung in Berlin und vielen anderen Städten ist damit aber noch längst nicht gestoppt. Die Praxis des Zwangsräumungsbündnis hat sich aber als äußerst erfolgreich herausgestellt. Nun hat sich in Nordrhein-Westfalen der erste Ableger gegründet, es ist zu hoffen, dass auch weitere Kämpfe von den Erfahrungen profitieren können.

 

Zwangsräumung is nich


In der Öffentlichkeit dominieren die spektakulären Aktionen. Der massive Polizeieinsatz bei der Räumung in der Lausitzerstraße 8 oder das unmenschliche Vorgehen bei der Räumung von Rosemarie, welche wegen der Räumung zwei Tage später starb, haben großes mediales Echo gefunden. Die vielen abgesagten Zwangsräumungen sind für die meisten Menschen aber zunächst weniger interessant. Ein offener Brief ist deutlich weniger spektakulär als Pfefferspray und Spontandemonstration.


Noch vor der Räumung in der Lausitzer Straße 8 konnte die Zwangsräumung von Sami durch die GSW abgewendet werden. Bei Sami war die Miete stark gestiegen, die GSW nutzte die Mietschulden zur Räumungsklage. Leider konnte nur ein temporärer Verbleib in der Wohnung gesichert werden. Auch bei Familie K in der Lübbener Straße wurde die Zwangsräumung verhindert. Hier half ein Go-In bei der öffentlichen Wohnungsbaugesellschaft WBM. Nach den vielen Aktionen des Bündnisses zeigten sich vor allem die öffentlichen Wohnungsbaugesellschaften aufgeschreckt. Zwangsräumungen wurden reihenweise abgesagt, es ist davon auszugehen, dass auch viele weitere Räumungen verhindert wurden, welche dem Bündnis nicht direkt bekannt sind. Die öffentliche Wohnungsbaugesellschaft GEWOBAG sagte die Räumungen von Mohamed S. und Christine ab. Bei einem Gespräch mit dem Geschäftsführer der GEWOBAG auf dem Parkplatz vor der Zentrale waren 70 Polizist*innen anwesend. Auch die Wohnungsbaugesellschaft Stadt und Land gab den Bedingungen des Bündnissses nach und es wird zur Zeit eine Wohnung für Zeinab gesucht. Die GSW lenkte ebenfalls ein und sagte die Räumung bei Wislawa ab. Ebenfalls Bewegung ist bei der drohenden Räumung von Tina im Wedding feststellbar.


Weiterhin droht die Räumungen von Andre aus Kreuzberg. Hier fand eine erste Demonstration zum Vermieter mit 120 Menschen statt. Auch die Räumung von Mevla, welche zu ihrem Gerichtstermin mit einigen Aktivist*innen begleitet worden war, ist noch nicht verhindert. Es melden sich immer außerdem immer wieder weitere Menschen, sodass mit einer Mischung aus abgesagten und durchgeführten Räumungen zu rechnen ist. Bei öffentlichen Wohnungsbaugesellschaften könnte durchsetzbar sein, dass alle Räumungen von Menschen abgesagt werden, deren Miete von staatlichen Trägern gedeckt ist.

 

Die Praxis der Solidarität


Möglich wurden diese Erfolge durch die Mischung aus konfrontativer Aktionsform und kleinteiliger Solidaritätsarbeit. Das Bündnis begleitet Betroffene zu Ämtern, versucht im Detail herauszufinden, wie eine Räumung noch abgewendet werden kann und baut gezielt Druck auf. Dabei stößt das Bündnis auf breite Sympathie bei den Mieter*innen in Berlin. Das Schreiben von offenen Briefen, die Beobachtung von Gerichtsprozessen und die vielen gemeinsamen Gespräche und Aktionsplanungen mit Betroffenen taucht allerdings häufig nicht in der Öffentlichkeit auf. Dies ist aber eine zentrale Eigenschaft des Kampfes gegen Zwangsräumungen. Die Solidarität kann eine aufbrechende Wirkung entfalten, weil sie es schafft die politische und soziale Maschinerie, der die Betroffenen ausgesetzt sind, zu hinterfragen. Die Verbindung von Solidarität mit politischer Aktion greift die Verfahrensweisen der kapitalistischen Stadt ganz konkret an. Das Bündnis versucht die konkrete Zwangsräumung abzuwenden und gleichzeitig immer deutlich zu machen, dass es sich dabei um ein grundsätzliches und systemisches Problem handelt.


Der Protest in Berlin konnte viel von der Bewegung in Spanien lernen. Die Idee Zwangsräumungen zu verhindern breitet sich immer weiter aus. Es haben schon Veranstaltungen mit Aktivist*innen aus Berlin in München, Hamburg, Wien und London stattgefunden, nächste Woche gibt es ein Mitmachtreffen in Berlin und viele weitere Informationsveranstaltungen sind geplant. In Nordrhein-Westfalen hat sich vor kurzem das zweite regionale Zwangsräumungsverhindern-Netzwerk gegründet. Hier wird versucht eine Räumung in Krefeld abzuwenden.


In Berlin wird zur Zeit bei vielen verhinderten Räumungen verhandelt um eine sichere Lösung für die Betroffenen zu erreichen. Außerdem stehen einige weitere Räumungen an, welche durch den Druck der Straße hoffentlich ebenfalls verhindert werden können. Für das Bündnis stellt sich die Herausforderung die verhinderten Zwangsräumungen als Erfolge den Mieter*innen in Berlin zu vermitteln. Denn der gemeinsame und solidarische Widerstand gegen steigende Mieten und Verdrängung lohnt sich !

Zwangsräumung verhindern: Web // Facebook // Twitter

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"Die meisten Zwangsräumungen in letzter Zeit konnten erfolgreich verhindert werden" - Das ist leider eine große Selbstüberschätzung! Bei den meisten Räumungen erfährt die Öffentlichkeit nichts davon. In Berlin gibt es jedes Jahr mehrere hundert. Und nach dem neuen Mietrecht seit dem 1.5. sind Zwangsräumungen sogar noch einfacher für Eigentümer durchzuführen.

Es wäre gut, diesen Artikel rauszunehmen. 2015 veröffentlichten Wissenschaftler_innen der Humboldt-Uni die Studie "Zwangsräumungen und die Krise des HIlfesystems".  Wichtiges Ergebnis: Im Schnitt etwa 27 Zwangsräumungen täglich in Berlin. Andrej Holm hat diese Zahl Anfag 2017 im Interview bestätigt. Untersuchungen mit etwas anderen Datenbasen kommen auf ähnliche Werte. 

 

Das ist die traurige Wahrheit und die Bewegung muss Wege suchen, effektiven Widerstand dagegen zu entwickeln und nicht, wie hier, die Lage schönzureden und die Zahlen runterzulügen, damit sich einzelne Akteure vor ihrer Szene profilieren können. Den Berliner Mieter_innen fällt das aufs Übelste in den Rücken.