[FR] 1.Mai: Von Bratwürsten, Kindern, Bullenstaat und Gentrifizierung

15. flying a

Der libertäre 1. Mai im Freiburger Grün wurde – wie schon im letzten Jahr – gegen das Verbot der Stadtverwaltung per Allgemeinverfügung sowie die Hetze von Uwe Mauch und Julia Littman durchgesetzt. Die zwei Einsatzhundertschaften aus Freiburg und Lahr standen sich zwei Tage lang die Beine in den Bauch und schafften letztlich nur, den kommerziellen Teil der 1.Mai-Feierlichlkeiten vor dem Jos-Fritz-Cafe zu verhindern sowie das traditionelle Kinderfest auf der Wilhelmstraße massiv zu verkleinern. Für den Straßenverkehr war diese aber genauso wie die Belfortstraße gesperrt, weil dort die Bullenwannen geparkt wurden. 

 

Optischer und musikalischer Höhepunkt der Feierlichkeiten war wohl der von RDL sogenannte kosmische Käfer, der auf der Adlerstraße – und damit innerhalb der Verbotszone – gelandet mit Elektrobeats für Stimmung sorgte. Allerdings ist auch als negativ anzusehen, dass am Nachmittag des ersten Mais nur die libertäre Demo und die Stelzenläufer für einige Minuten sowie lediglich eine RDL-Info-Auslage, ein GartenCoop-Info- und Saatguthänger und das autonome Fußballnachwuchsteam den bestehenden Freiraum zwischen Kyosk, Geier sowie in der  Belfort- und Wilhelmstraße längere Zeit nutzten, während die Sambaband die libertäre Demo in den hinteren Bereich der Adlerstraße lotste, wo dann die Freiburger Szene auf Privatgelände und direkt davor bei veganen Burgern und mit Infoständen im letzten Eck des Grüns den Abend mit kaum wahrnehmbarem Kontrast zum DGB-Fest ausklingen ließ.

 

"Eine vegane Bratwurst bleibt eine Bratwurst" (O-Ton aus der RDL Sondersendung am 1. Mai ab 18 Uhr)

Da der hedonistische Teil der Freiburger Szene nur den kosmischen Käfer als Anlaufpunkt zum Tanzen hingekriegt hat und der politische Teil – entweder aus Feigheit oder um den hedonistischen Teil zu erreichen oder aus Naivität – die Belfortstraße räumte und die Infostände im Grethergelände und direkt davor aufgebaut hat, kann Uwe Mauch – in leichter Verkürzung der Realität – jetzt schreiben, dass die Polizei das Verbot des Straßenfestes durchsetzen konnte. Dass es auch anders möglich gewesen wäre beweist die Situation rund um die Kreuzung Wilhelm- und Belfortstraße wo es dem Führungsstab des Reviers Nord weder gelang herauszufinden, was eine Saatgutbörse ist, noch diese um mehr als fünf Meter zu "räumen", und die RDL-Info-Hängematte und der Fußballnachwuchs weitgehend unbehelligt blieben.

 

"Wir haben den Krieg gegen die Kinder nicht verloren" (O-Ton aus der Abschlußbesprechung der Polizei)

Das Spielmobil wie schon letztes Jahr verboten. Ein Fußballspiel in der Wilhelmstraße ignoriert. Den Aufbau einer Hüpfburg zwischen kosmischem Käfer und Punkband und damit in der Verbotszone durch persönlichen Einsatz des Polizeiführers um wenige Minuten verzögert. Das Kyosk zwei Tage lang geschloßen. Ansonsten über zwei Tage lang geschätzt 4.000 Überstunden, halb so viele Hedonist_innen, laute Bässe und weitgehende Ignoranz ihrer Anwesenheit. Insgesamt muss sich die Polizei – wie schon im letzten Jahr – fragen lassen, was anders gewesen wäre, wenn sie einfach nur drei Durchfahrt-Verboten-Schilder aufgestellt hätte. Die weitgehende Nachtruhe wurde nicht von der Polizei durchgesetzt, sondern war Teil des Kompromisses im Viertel. Schade ist allerdings, dass – wie schon über die letzten Jahre im Kontrast zu früheren Zeiten zu beobachten war – die Polizei weitgehend ungestört im Grün patroillieren durfte.

 

"Die Wilhelmstraße bleibt ruhig und sauber, die Mieten steigen" (O-Ton Bürgerverein Sedanviertel und OB Salomon)

Teile der Anwohnerschaft sind genervt von den wochendlichen – nicht immer gewaltfreien – Feierausläufern der Innenstadt und bangen um ihr ruhiges Innenstadtviertel. Um sich dagegen zu wehren, schießen sie sich auf die subkulturelle Szene rund um das Straßenfest ein. Ob sie sich damit gewollt oder ungewollt vor den Karren der Gentrifizierung spannen lassen, bleibt ungewiss, aber sie sollten sich dann nicht über die Mieten im Viertel beschweren. Auch der winzige Teil der Festorganisator_innen, der vereinzelte Sprechchöre wie "BRD – Bullenstaat – Wir haben dich zum kotzen satt!" als unangebrachte Provokation ebenjener Bullen empfinden, sollten sich fragen lassen, ob sie nicht lieber das staatlich legitimierte Weinfest samt Schlägerei in St.Georgen organisieren wollen.

 

"Theorie und Praxis passt nicht zwischen Burger und Bratwurst" (O-Ton der Autor_innen dieses Artikels)

Leider fehlte auf dem Straßenfest – sowie im Vorfeld – eine Analyse, warum wir dieses Fest feiern wollen, warum Stadt&BZ es verbieten wollen, wo der Zusammenhang mit steigenden Mieten und der Gentrifizierung des Viertels liegt sowie welcher Zusammenhang zum Arbeiter_innen-Kampftag besteht. Schließlich fehlte es an einem Konsens über die Ziele der Feierlichkeiten und die Strategie diese durchzusetzen. Im Gegensatz dazu war die libertäre Demo – neben ihrem entschloßenem, dynamischem aber auch offenem Charakter – auch inhaltlich erfreulich gut aufgestellt.

 

 

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Statt mit leicht abwertendem Unterton von "den hedonistischen Leuten" zu sprechen denen außer Tanzen alles egal gewesen wäre, hättet ihr lieber mal versuchen sollen, diese irgendwie einzubinden. Gerade am Abend des 30.April beispielsweise, haben ein Häuflein Leute versucht, dem Polizeiaufgebot ein kleinwenig an Protest (z.B. in Form von Sprechchören) entgegenzustellen, ohne das von ihnen auch nur versucht wurde, Leute zu mobilisieren. Genau da sollte man im nächsten Jahr ansetzen. Es kann dann auch mal vorkommen, dass man dann vielleicht mal ein paar Minuten mit den Leuten diskutieren muss und dass es manchen auch wirklich egal ist, aber alle Leute außer sich selbst mal pauschal als HedonistInnen in Reinform abzustempeln, ist dann doch etwas überheblich.

Hedonisten sind super! Die haben zwei Tage mehr Raum zurückgeholt als jede Scherbendemo! Natürlich hätten sicher manche mehr Bock auf Bullenstress und Aktion gehabt, aber Mensch kann eben nicht alles haben. So waren es zwei nette Tage, an denen viele Leute ein schönes Fest hatten und auch mal Sound lief, den Mensch in Freiburg selten am Tag und schon gar nicht umsonst bekommt. Das ist vielleicht nicht die große Revolution, aber immerhin etwas. Ich freue mich auf die hier üblichen Anmachkommentare und Anfeindungen :) Live is great!!!

Der Artikel ist nicht, wie die zwei bisherigen Kommentare meinen, als Diss gegen die Hedonist_innen gemeint. Es wird nur festgehalten, dass die Hedonist_innen nur einen Anlaufpunkt hinbekommen haben, und nicht so wie in früheren Jahren zwei oder mehr Punkte, was schade ist. Die eigentliche Kritik geht gegen Hambacher-Forst-Soli-Leute, ALFR, FAU, Burgerbrater_innen, etc. die alle nichts besseres zu tun haben, als im Grethergelände ihre Infostände aufzubauen, anstatt das Fest weiter in die Adler-, Belfort- und Wilhelmstraße zu ziehen. Das dies zumindest partiell möglich gewesen wäre wurde ja an der Kreuzung des letzten Feuers bewiesen. Und dann wäre es vielleicht auch wieder möglich gewesen, dass die Elende Bande – wie letztes Jahr – Belfort- Ecke Adlerstraße spielt und der hedonistische ANteil dezentraler wäre ...

Dann kam das wohl nur bei mir ein bisschen falsch rüber. Zu den Ständen und Co: Die Angst vor Beschlagnahmung war vermutlich zu hoch, was einerseits Schade ist, andererseits aber verständlich.

 

@Tralala: Solch Unsinn wie Scherbendemos gibts in FR glücklicherweise nicht. Und Anfeindungen überlasse ich gewissen anderen Personen die darin schon geübt sind ;)