Bericht einer Teilnehmerin am ereignisreichen R:Ausflug vom 23.3.2013

Polizeigewalt

Gut gelaunt machte ich mich am 23.3. auf den Weg zur Auftakt-Kundgebung unserer „R:Ausflug“-Rad-Tour. Ich war sehr gespannt, wie viele Menschen bei den eisigen Temperaturen von ca. -10°C wohl kommen würden. Schon auf dem Weg zur Ostra-Allee waren wir eine lustige Bande von Fahr- und Lastenrädern, die aus allen Richtungen zusammenströmten, sich verschwörerisch zuwinkten und in die Pedalen traten, um pünktlich am Kundgebungsort einzutreffen.Zum Glück schien die Sonne solidarisch auf uns herab, so war die Stimmung vor der Kulisse des eingerüsteten Zwinger-Portals ausgelassen und fröhlich. Kaum war der erste Fahrrad-Lauti da, tanzten wir schon – dick eingepackt und pudelmützig.

 

freiGruppenlächeln bei der R:Ausflug am 23.03.2013Um 14:15 waren wir schon ca. 100 Menschen, zwischen einem und vielleicht 65 Jahren alt. Zur Kundgebung um 14:30 waren wir dann so ungefähr 200. Auf dem Transpi des Auto-Lautis stand: „Freiräume garantieren kulturelle Vielfalt“ , vom Wagen herab wurden die vielen Projekte verlesen, die aktuell in ihrer Existenz bedroht sind. Die Gründe: Mietwucher, schmelzende Fördertöpfe für die Kultur und der Missstand, dass unablässig städtische Grundstücke an private Investoren verhökert werden. Zum Schluss ein lautes, solidarisches Rufen und Pfeiffen – und schon geht’s los zur ersten Station: dem friedrichstadtZentral.

Dort angekommen gab’s dann schon die ersten Interventionen seitens der Polizei, die uns in – ich schätze mal – 3 Fahrzeugen gefolgt war. Wir sollten die Fahrbahn räumen, damit die eventuell auftauchenden Krankenwagen zum Krankenhaus durchkämen. Fand ich eigentlich überflüssig, zumal gerade eben vom Lauti aus die Gruppe darum gebeten wurde, im Falle eines nahenden Krankenwagens diesen durchzulassen.
Der Fahrradverband lauscht dem Redebeitrag am friedrichStadt Zentral.

Der Fahrradverband lauscht dem Redebeitrag am friedrichStadt Zentral.

Vom Lauti aus gab es eine – wie ich finde – gelungene Rede einer Projekt-Vertreterin des friedichstadtZentral. Wir erfuhren, wie das Projekt aus Wohnen+Kulturbetrieb+Kunstproduktion entstanden war und dass aufgrund des Immobilienverkaufs nun die hergerichteten Räume verlassen werden müssen. Zum Glück hat das Projekt nun eine neue Bleibe gefunden und wird im Sommer nach Pieschen auswandern. Großes Freuden-Hallo und solidarische Glückwünsche.

Nach 15 Minuten geht es dann auch schon weiter. Ein Krankenwagen war bis dahin nicht gekommen. Nur die Polizei hat einen Moment Mühe, ihre Wägen auf der Straße zu drehen und dem fröhlichen Fahrrad-Zug zu folgen. Tja – mit dem Bike ist mensch dann doch etwas wendiger.

Weißeritzstraße, Bremer Straße entlang. Mit nun geschultem Blick bemerke ich, wie viele große Häuser rechts und links der Straße leer stehen – wie viele Projekte da wohl Platz fänden? Wenn die noch eine Weile so ungenutzt vor sich hin-gammeln, dann wird sie niemand mehr beziehen können. Oder sie werden vorher noch abgerissen werden für Investitionsprojekte – typisch derzeit in Dresden. Ich selber bin in einem Projekt aktiv, das momentan händeringend neue Räume sucht. Warum behauptet die Stadt, es stünden keine Gebäude mehr zur Verfügung? Hier ist doch alles leer, schon lange.

Dann sind wir schon an der Werner-Straße, und stehen vor der Praxis. Auf dem Balkon im ersten Stock des Eckhauses stehen 3 schwarz-vermummte Gestalten. Sie berichten, dass das Haus bis auf das Erdgeschoss nun leer steht aufgrund der Kündigung im Februar. Das Wohnprojekt im EG hat beschlossen, nicht einfach zu weichen – es will auf bestehende Missstände aufmerksam machen. Wir erfahren auch: Nach einem Wohnungsbrand im August 2010 erhielt die Hausverwaltung von der Versicherung Geld für die Renovierung der entstandenen Schäden. Von den Bewohner_innen hat niemand etwas davon gesehen. Das Transparent am Balkon bekundet die Solidarität mit weiteren Wohnprojekten und Wagenplätzen in Dresden.

Untermalt wird die Rede von ein paar Silvester-Raketen vom Nachbar-Balkon. Man sieht sie kaum leuchten im strahlenden Sonnenschein. Doch heizen sie die Stimmung unter den Zuschauern an – und den Unmut. Ein paar lassen sich noch zudem zu verbalen Provokationen gegenüber der Polizei im allgemeinen hinreißen. Mit einem Seitenblick auf die anwesenden Beamten entscheide ich: auch das ist Meinungfreiheit. Ich hoffe, wir fahren bald weiter, bevor die bisher allgemein gute Stimmung kippt angesichts des Unmuts über die hier vernommenen Ungerechtigkeiten auf dem Wohnungmarkt – oder die Polizisten sich durch die Provokationen anstacheln lassen. Es bleibt aber friedlich und einige nutzen die kurze Pause, um ein veganes Brötchen zu verspeisen (Der Lastenrad-Vokü sei dank für den leckeren Imbiss!) und sich mit einem Schluck warmem Tee aus der Thermoskanne zu wärmen. Es ist immer noch hunde-kalt. Und weiter geht’s.

Auf der Nossener Brücke dann ein schöner Anblick: Im gleißenden Sonnenlicht ein langer Zug von Fahrrad-Volk. Ich biege kurz auf den Gehweg ab, lasse die Herde an mir vorbeiziehen. Mir scheint: es sind noch mehr geworden. So 250, vielleicht 300 Räder und andere nicht-motorisierte Vehikel.

Die uns begleitenden Polizei-Wagen ermahnen den Tross mehrmals, sich auf die rechte Fahrspur zu beschränken – bei jeder Durchsage überschlägt sich die Stimme mehr, scheint wütender zu werden. Ich finde die Ermahnung unbegründet, denn kein Autostau bildet sich hinter uns, noch scheinen die wenigen sich mitten im Zug befindenden Fahrzeuge ungeduldig zu werden – jedenfalls hupt niemand. Wäre ja eigentlich zu erwarten gewesen. Nein: Sie zuckeln geduldig mit im Fahrrad-Tempo.

Und schon fahren wir auf den KOK16 am TU-Gelände zu. Ich bin sehr gespannt, wie es da nun aussieht. Vor drei Wochen noch besuchte ich die Wackeren dort, die vor einer Woche die Besetzung abgebrochen hatten – nun soll die Baracke bereits abgerissen sein. Und tatsächlich: Nur noch ein großer Haufen Schutt und Holz. Überrascht bin ich allerdings beim Anblick der vielen Polizeibeamten, die uns bereits erwarten. Ca. 6 Six-Packs waren es nun schon. So 20 Beamte standen wie aufgefädelt vor der Einfahrt zum ehemaligen KOK16 und der Nachbar-Baracke, die fensterlos noch immer steht.

Beim Heranfahren sehe ich, dass sogar auf dem Lauti-Auto zwei Beamte stehen. Neben ihnen zwei Sprecher_innen aus der Dresdner Studentenschaft, die den KOK bis zuletzt genutzt hatten und ihren selbstverwalteten Freiraum nun vermissen. In ihrer Rede erfahren wir vom großen Studien-Druck, der auf den Studierenden lastet und wie wenig Selbst-Verwaltung der Studien-Alltag zulässt. Umso wichtiger war ihnen der vor zwei Jahren erkämpfte KOK16 geworden, der Herberge war für zahlreiche selbstverwaltete Studenten-Projekte. Der einzige Freiraum auf dem gesamten TU-Gelände. Die Projekte sind gekündigt worden durch die TU mit dem Versprechen auf neue Räumlichkeiten. Ohne dass dieses eingelöst worden war, mussten dann alle Ende Januar (?) die Baracke verlassen. Nur einige wenige wollten diese Kröte nicht schlucken und besetzten das Gebäude. Sie harrten 8 Wochen lang aus ohne fließend Wasser, ohne Strom und ohne Heizung (die ist kurz zuvor entfernt worden) – und das mitten im Winter. Sie organiserten weiterhin Konzerte, Versammlungen und Veranstaltungen vor Ort.

Die Rede wird jäh unterbrochen von einem Tumult in oder an der noch stehenden Nachbar-Baracke. Eine Person war aufs Dach geklettert – ich vermute, um ein Transparent anzubringen. Als sie die in die Baracke eilenden Polizisten bemerkt, versucht sie zu flüchten. Am Boden angekommen, nehmen 4 (!) Beamte die Verfolgung auf diesen einen Menschen auf. Als er um die hintere Ecke der Baracke biegt, um zu entkommen, wünsche ich mir inständig, es möge ihm nichts schlimmes zustoßen. Ich sehe ihn dann nicht mehr. Nur einige der Beamten, die auf dem Gehweg wieder hervorkommen. Einer von ihnen rempelt grob D. an, der vor ihm sein Lasten-Zweirad den Weg entlangschiebt. Die Stimmung kippt, es ertönen Buh-Rufe aus der Menge. Mittlerweile haben sich einige Anwohner der umliegenden Gebäude auf der Straße versammelt, weitere Beamte beziehen Stellung an der naheliegenden Kreuzung. Irritiert stehen die Radfahrer_innen nun leicht versprengt da und verfolgen das Geschehen. An den Lauti wagt sich kaum noch jemand heran, der mittlerweile total eingekesselt von Polizeifahrzeugen und Fuß-Beamten in der Einfahrt steht. Die letzte Durchsage der Studenten vom Lauti herab kündigt an, dass der Wagen nun vermutlich nicht mehr wird weiterfahren können und auch die Durchsage nun wohl beendet sei.

Irgendwie setzt sich der Hauptteil der Radfahrer_innen wieder in Bewegung in Richtung auf das nächste Ziel: die Neustadt, wo weitere Projekte angefahren werden sollen. (Einige wenige bleiben am KOK, um dort mit der Polizei zu verhandeln, sie möge den Lauti und deren Besetzung freigeben.) Doch nach 20 Metern ist erst einmal Schluss. Eingekeilt zwischen 2 oder 4 Six-Packs (ich erinnere mich nicht mehr) stehen die Räder still. Ich beobachte aus der Ferne, um nicht ggf. mit im Kessel zu landen. Es ist schwer einzuschätzen, was als nächstes kommt.

Kurzzeitig ertönt Musik aus einem Fahrrad-Lauti, dann Stille. Dann: ein klangvolles, rythmisches Klingel-, Trommel und Impro-Konzert für einige Minuten. Die Radfahrer_innen wollen sich ihre gute Laune nicht verderben lassen. Dann wieder Stille. Langsam bewegt sich die Menge ein paar Meter vorwärts, dann hält sie wieder an. Das dauert so ungefähr eine dreiviertel Stunde. Als dann klar wird, dass die Tour fortgesetzt werden kann, schließe ich mich an. Muksmäuschen-still verlassen die Radfahrer_innen den Ort des Geschehens. Ich höre von Umliegenden: Wir sollen uns nun in höchstens kleinen Grüppchen davon machen.

In kleinen Grüppchen also fahren wir wieder los, die Fritz-Löffler-Straße hinunter. An der roten Ampel vor dem Hauptbahnhof halten wir, im nebenstehenden Pkw lässt eine Frau das Fenster herunter und fragt, was denn das Treiben bedeuten soll ? Wir informieren sie über unsere R:Ausflug-Tour und unsere Anliegen. Sie freut sich darüber und wünscht uns viel Glück.

Am Wiener Platz treffen wir dann mit unserer kleinen Gruppe wieder auf die anderen. Ebenso anwesend: Etwa 10 Polizei-Kleinbusse. Es scheinen immer mehr zu werden. Einige Beamte zu Fuß zwingen die Radfahrer, sich zu einer „kurzen Pause“ auf die nebenliegende Wiese zu begeben.

Ich höre von Umliegenden: Wir sollen die Straße verlassen und auf dem kürzesten Weg nach Hause fahren. ??? Ja – wie denn nun ? Wir sollen von der Straße runter und wegfahren ? Sollen wir uns in Luft auflösen oder fliegen ?

Es geht weiter und unvermittelt biegt der Fahrrad-Zug nach links ab in die Prager-Straße hinein. Na klar ! Von der Straße runter ! Wir fahren hinterher.

Und dann geht plötzlich alles ganz schnell.

Ungefähr auf der Mitte der Strecke sehen wir schon ca. 40 (?) Polizeibeamte in breiter Linie zu Fuß auf uns loslaufen von vorn. Die vorderen Radfahrer drehen um, wir hinterher. Auch von der Seite kommen nun Beamte und beginnen, einige der Radfahrer_innen von den Rädern zu stoßen. Einer vor mir wird grob von seinem Lastenrad gezerrt und zu Boden gedrückt. Ich sehe fassungslos zu.

Inzwischen haben ca. 40 Beamte einen Kessel in der Mitte gebildet. Darunter Kinder und Hunde, ca. 50 Personen stehen drin, mit ihren Fahrrädern.
Polizei kesselt während der R:Ausflug FahradTour am 23.03.2013 einen Teil des Fahradverbands auf der Prager Straße.

Polizei kesselt während der R:Ausflug FahradTour am 23.03.2013 einen Teil des Fahradverbands auf der Prager Straße.

Ich bin nicht mit im Kessel. Von verwunderten Passanten werden wir angesprochen und auf das Geschehen hin befragt. Wir geben gern Auskunft und teil mit ihnen die Entrüstung über das harte Durchgreifen der Ordnungshüter_innen.

Etwas schadenfroh stellen wir fest, dass die Polizei uns soeben zu einem aufmerksamkeits-erregenden Auftritt verholfen hat. 40 Beamte in ihren bulligen Uniformen und mit Schlagstöcken, die einen bunten Haufen Fahrrad-fahrer_innen breitbeinig in der belebten Einkaufspassage umzingelt und festhält. Besser könnte die Absurdität der Situation kaum zum Ausdruck gebracht werden. Interessiertes Publikum ist garantiert.

Wehmutstropfen bei der ganzen Sache: Es sind immer noch zehn Grad Minus und unter den Festgesetzten beginnen bald nicht nur die Kinder zu frieren. Man behilft sich mit Tanzen und Springen, dazu spielt L. auf der Mundharmonika.
Polizei kesselt am 23.03.2013 einen friedlichen Fahradverband und fertigt biometrische Fotos an.

Polizei kesselt am 23.03.2013 einen friedlichen Fahradverband und fertigt biometrische Fotos an.

Einzeln werden die Menschen von je zwei Beamten hinter eine Polizei Wanne geführt, dort werden sie fotografiert und ihre Personalien werden festgestellt. Dann werden sie von den Beamten aufgefordert, „den Ort zu verlassen“.

Unklar ist: Was genau wird ihnen vorgeworfen ?

Das ganze dauert ca. 2 Stunden.

Mittlerweile bin ich total durchgefroren und ziemlich k.o.

Wir verständigen uns, uns am Freiraum Elbtal wieder zu treffen. Auch die Polizei drängt darauf, uns in diese Richtung zu entfernen. Einzeln und in kleinen Gruppen fahren wir los.

Ein paar wenige schaffen es noch, zum Umsonst-Laden in der Neustadt zu fahren – das wäre das nächste Zwischenziel gewesen.

Ich erfahre später, dass sich ca. 50 Personen zur vereinbarten Zeit am Umsonstladen einfanden, darunter „Neu-Zugänge“ und Journalist_innen. Kurzfristig wurde der Umsonst-Laden der Liste der akut bedrohten Projekte hinzugefügt. Grund: Vor wenigen Tagen ist das Haus an ein Immobilienbüro aus Nürnberg verkauft worden. Der neue Besitzer kündigt nun eben mal eine richtig fette Mieterhöhung an. Die Betreiber_innen haben den Kontakt zum Vermieter aufgenommen und versuchen, den Preis zu verhandeln. Fest steht: Eine derart drastische Mieterhöhung wird über kurz oder lang die Existenz des ausschließlich spenden-finanzierten Projekts gefährden und übt zusätzlichen ökonomischen Druck auf die unentgeltlich wirkenden Betreiber_innen aus. Ebenfalls betroffen sind die Betreiber des neben-liegenden Antiquariats, die erst vor einem Monat die Räumlichkeiten bezogen und eingerichtet haben.

Am Freiraum Elbtal angekommen, treffe ich bereits auf ungefähr die Hälfte der beteiligten Radfahrer_innen. Sichtlich ermüdet zwar und total durchgefrohren lassen sie sich auch jetzt noch den Spaß nicht verderben. Es gibt Grießbrei für die Kleinen, im Vereinsbüro scharren sich die Ausgekühlten am mollig-warmen Ofen. Draußen am Feuer tummeln sich die anderen, verspeißen die restlichen vegan belegten Brötchen und tanzen zum Klang aus den Boxen des nun nicht mehr ganz so friedlich gestimmten Fahrrad-Lauti.

Draußen vor dem Tor beziehen zwei Polizei-Wagen Stellung und trollen sich dann, denn aufs Gelände dürfen sie nicht drauf.

[ Was wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht wissen: Später werden die Beamten der – vermutlich – selben Fahrzeuge am A.Puschkinplatz versuchen, den merklich dezimierten Fahrrad-Zug am Weiterfahren zu hindern. Dies tun sie, indem sie sich auf den Fahrrad-Lauti stürzen und diesen derart ramponieren, dass er nun in die Werkstatt geschoben wird und die Radfahrer_innen ohne ihn weiterziehen.]

Auf dem Freiraum Elbtal nun erwarten wir die Ankunft der Teilnehmer_innen, die immer noch frierend auf der Prager Straße hocken. Auch die Crew des am KOK16 festgesetzten Auto-Lauti wird freudig empfangen. [ Der Wagen wurde von der Polizei freigegeben, als die Nachricht vom erfolgreichen Kessel auf der Prager-Straße über Funk bekannt gegeben worden ist. ]

Als alle eingetroffen sind, werden die Redebeiträge des Freiraum Elbtal sowie der ebenfalls hier ansässigen Werk-Stadtpirat*innen vorgetragen.

Das Gelände der beiden Projekte ist seit sechs Jahren durch den Freiraum Elbtal e.V. gemietet und genutzt. Die schrittweise Wiederherstellung des heruntergekommenen und ursprünglich total vermüllten Objekts (von 12.500m² Fläche) hat einiges an Zeit und Engagement benötigt, bevor es nun von ca. 60 Künstler_innen, Handwerker_innen, Initiativen und Kreativen gemeinschaftlich genutzt wird. Weitere einige Hundert Besucher_innen und Gäste nehmen jährlich an den Platzfesten, Workshops und anderen Veranstaltungen teil und nutzen den Freiraum zur Erholung und zu manigfaltigen Aktivitäten.

Der Werk-Stadtpiraten e.V. betreibt hier eine DO-IT-Yourself-Werkstatt mit wöchentlichen Öffnungszeiten und Workshops zum Selberbauen und Tüfteln.

Vor 2 Jahren ist der Verein aus der Friedrichstadt hier her in die Neustadt/Grenze zu Pieschen gezogen, da es das unheizbare Objekt dort zu der gezahlten Miete nicht länger hätte halten können. So bauten sie sich eine Halle auf dem Freiraum mit Ofen aus, auf dass nun bessere Zeiten anbrechen sollten.

Dem Freiraum Elbtal (und damit auch den Werk-Stadtpiraten und anderen Initiativen vor Ort) ist im vergangenen Jahr das Gelände gekündigt worden zum 30.6.2013. Grund: Das Gelände liegt im Einzugsgebiet der geplanten „Hafen City“. Hier sollen Wohnbauten im großen Stil errichtet werden für ein zahlungskräftiges Klientel („Dresdens neue Adresse am Wasser“). Das Großprojekt wurde ursprünglich von der Stadt angeschoben, deren Rahmenplan allerdings bereits unterwandert wurde durch Immobilien-Spekulanten, die sich nun gegeseitig „die Filet-Stücke an der Elbe“ zu absurd hohen Preisen aus den Händen reißen. Maßgeblich beteiligt ist eine Firma namens „Unser Schönes Dresden“ (USD). Die Bauplanungen sind ins komplett Untrasparente abgeglitten und es steht zu befürchten, dass die Elbwiesen nun mit Zehn-Geschossern zugeplastert werden sollen.

Bekannt ist in der Gegend ebenfalls das Vorhaben, einen riesigen Globus-Markt zu installieren. Das Ganze läuft im letargischen bis einträchtigen Einvernehmen mit der Stadt komplett in privater Hand. Damit steht zu erwarten, dass in den kommenden Jahren ein riesiges Gebiet an der Elbe ein vollkommen neues, marktorientiertes Gesicht bekommt.

Auf der Strecke bleiben dabei Wenig-Verdienende und Vereine wie der Freiraum Elbtal e.V., die Werk-Stadtpirat*innen und weitere, die bereits seit Monaten (bisher erfolglos) nach Ausweichobjekten suchen. Die Stadt Dresden als Institution verhält sich dabei komplett un-kooperativ.

Weiter geht es nun – gegen 19:30 bereits im Dunkeln – tapfer zur Robert-Matzke-Straße 16. Nach der unerfreulichen Unterbrechung am A.Puschkinplatz „dürfen“ die Radfahrer_innen endlich unbehelligt weiterfahren. An der RM16 erfahren die Teilnehmer_innen, dass die Besitzverhältnisse des in alternativen Kreisen traditionsreichen Hauses unklar sind und nun zu befürchten steht, dass es demnächst ebenfalls unter den Hammer kommt. Ein Stück Stadtteil-Kultur wird wegbrechen, wenn das politisch-engagierte Wohnprojekt verschwinden sollte.

Auf nun zum abfallGut.

Den Wertstoffhof auf der Heidestraße kennen viele von uns. Hier können seit 1997 nicht nur alte Möbel und Geräte entsorgt werden, hier wird auch bestes Recycling gepflegt. Eine Möbel-, Kleingeräte- und Bücherscheune bot vielen die Gelegenheit, sich gegen Spende neu einzurichten. Der regen Nutzung wurde bereits vor 2 Jahren auf Druck der Industrie- und Handelskammer ein Dämpfer verpasst: Künftig sollte jede_r nur noch gegen Vorlage eines Dresden-Passes etwas bekommen dürfen (um die Konkurenz zu den umliegenden Trödel-Händlern nicht unnötig anzufeuern, wie es damals hieß).

Nun wurde dem Projekt die städtische Förderung „aus vertragsrechtlichen Gründen“ gänzlich abgegraben, sodass das abfallGut als eines der letzten seiner Art in Dresden am 31.3. seine Tore schließt.

Total verausgabt, müde und verfroren kam der größte Teil der Teilnehmer_innen zwischen 20:30 und 22:00 kleckerweise an der letzen Station an: Zur Upfuck-Party im Büdchen, Stauffenberg-Allee 11HH (Auszug wegen Kündigung zum 31.3.). Vorbei an 6 Six-Packs, die schon einige Zeit lang den Eingang zum Grundstück und die umliegenden Zuwege belagerten. Beamte durchstreunten in Grüppchen das anliegendene Grundstück, bemängelten voreilig den Funkenflug des wärmenden Lagerfeuers, filzten dienstbeflissen die eintreffenden Radler auf fehlende Lichter am Rad und ließen vorsichtshalber zwei Einsatz-Wagen im Hechtviertel postieren. Absurde Episode zum Schluss: Einer Teilnehmerin wurde 20 Meter vor der Zufahrt zum Hof die Benutzung des Gehwegs untersagt. Sie solle ihr Rad bitte auf der Straße weiterschieben.

Was soll man denn angesichts so reger Anteilnahme der behördlichen Einsatzkräfte noch sagen ?

Mit solidarischen Grüßen, Katharina Schnuppe.

 

http://freiraum.fueralle.org/

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Am Samstag versammelten sich um 14 Uhr etwa 40 Menschen, um bei frostigen Temperaturen für den Erhalt von Freiräumen und linken Projekten zu radeln. Als die Menschenmenge vor der Gagfah-Zentrale in der Ostra-Allee 6 auf fast 200 Menschen gestiegen war, setzte sich der Tross aus Fahrrädern und anderen Fortbewegungsmitteln begleitet von mehreren Polizeifahrzeugen in Bewegung (Fotos). Viele hübsch und liebevoll aufgebaute Fahrräder waren zu sehen – schlanke schnelle Flitzer, solide Winterräder und dazu etliche lustig kostümierte Menschen. Einige Leute hatten mobile generatorbetriebene Soundsysteme auf ihren Lastenrädern und Hängern installiert und so wechselte die musikalische Begleitung im Sonnenschein zwischen Techno, Hiphop und Punk. Während sich der Aufzug zum ersten Projekt bewegte, beschränkten sich die Beamtinnen und Beamten zunächst darauf, den Verkehr zu regeln. Erster Haltepunkt war das von der Schließung bedrohte friedrichstadtZentral, wo in einem Redebeitrag über die aktuelle Situation des Projektes berichtet wurde.  

Anschließend fuhren die inzwischen etwa 250 Menschen über die Löbtauer Straße zum alternativen Wohnprojekt Praxis in der Columbusstraße. Dort angekommen, wurde wetterbedingt heißer Tee serviert und in einem zweiten Redebeitrag ebenfalls das bevorstehende Aus des Projektes thematisiert, während gleichzeitig auf den Balkonen zur farblichen Untermalung Pyrotechnik gezündet wurde. Bereits am Rande der Kundgebung vor dem Haus zog die bis zu diesem Zeitpunkt sehr zurückhaltend agierende Polizei massiv Einsatzkräfte zusammen. Obwohl die Stimmung die ganze Zeit über ausgesprochen friedlich gewesen war, erklärte die Polizei den Fahrrad-Korso an dieser Stelle für beendet. Bei den anwesenden Menschen stieß diese Mitteilung durchweg auf Unverständnis – viele hatten sie aber auch einfach akustisch nicht wahrgenommen. So fuhren fast alle gemeinsam über die Nossener Brücke in Richtung Universität, wo die Überreste des ehemaligen universitären Freiraums “KOK16″ angefahren wurde. Vor Ort war auch der Lautsprecherwagen wieder präsent und während dieser bereits durch eine Polizeiwagenkette isoliert wurde, erinnerte einer der Beteiligten an das Veranstaltungsprogramm des Hauses in der Bayreuther Straße. Bei dem Versuch, vom Dach der in den letzten Wochen besetzten Baracke ein Foto von der Veranstaltung zu machen, wurde an dieser Stelle die erste Person von der Polizei gewaltsam in Gewahrsam genommen.

An dieser Stelle teilte sich der Demonstrationszug auf. Eine größere Gruppe fuhr vorneweg, andere warteten in der Nähe des Lautsprecherwagens auf die Weiterfahrt. Nachdem die Polizei zuvor schon Durchsagen über das Mikrofon unterbunden hatte, untersagte sie dem Fahrzeug auch die Fahrt in Richtung Innenstadt. Ebenso scheiterte der Versuch, spontan eine Demonstration anzumelden, da die Einsatzkräfte die mitgebrachten Musikanlagen nicht für die Veranstaltung zulassen wollten. Daraufhin versuchten die Menschen in kleinen Gruppen zum nächsten Punkt der Tour zu gelangen. Die Gruppe der Fahrradfahrerinnen und Fahrradfahrer, die zuerst in Richtung Äußere Neustadt aufgebrochen war, erreichte diese unbehelligt. Dabei fuhr die Gruppe mit musikalischer Begleitung über die St. Petersburger Straße bis zum Alaunplatz. Ein anderer Teil der Demonstration wurde wenig später vor den Augen zahlreicher Passantinnen und Passanten auf der Prager Straße in Höhe des Rundkinos von der Polizei rüde gestoppt. Bei dem Versuch, einige der radfahrenden Personen gewaltsam festzusetzen, wurde mindestens ein Mensch von den an dieser Stelle äußerst aggressiv auftretenden Einsatzkräften verletzt. In einer Pressemitteilung übten die Veranstalter dann auch Kritik daran, dass auf Dresdens Haupteinkaufsstraße “mehr als 50 Personen in einem Polizeikessel mehr als zwei Stunden bei -10 Grad ausharren” mussten. “Das Prinzip der Verhältnismäßigkeit”, so eine Sprecherin der Initiative, “scheint für die wie entfesselt agierende Dresdner Polizei scheinbar nicht zu gelten”.

Der nächste Halt auf der Alaunstraße in Höhe des Umsonstladens verzögerte sich, da immer wieder Nachzügler eintrafen, die von den “polizeilichen Maßnahmen” auf der anderen Elbseite berichteten. So gab es vor dem Eingang zum Sonnenhof nur eine kleine Megafonansprache über die Funktionsweise eines Umsonstladens, was er macht und dass auch er durch steigende Mieten bedroht ist. Die anschließende Weiterfahrt über die Fritz-Reuter-Straße in Richtung Elbe verlief ohne weitere Vorkommnisse. Im Freiraum Elbtal in der Leipziger Straße wurden die übrig gebliebenen Fahrerinnen und Fahrer mit Essen und heißen Getränken empfangen, ein Lagerfeuer brannte und auch die verloren geglaubten Menschen von der anderen Elbseite fanden sich etwas verspätet wieder ein. Danach ging es noch zum ebenfalls bedrohten alternativen Wohnprojekt RM16 in Pieschen und dem Wertstoffhof abfallGUT e.V., der Ende des Monats aus finanziellen Gründen seine Arbeit einstellen muss. Auch bei der kurzen Kundgebung vor der RM16 kam es bei dem Versuch, die Personalien eines Teilnehmers festzustellen, zu kurzen Rangeleien.

Trotz der Übergriffe bezeichnete die erst in diesem Jahr gegründete dresdenweite Vernetzung den Tag als Erfolg: “Das bei einer solchen Kälte so viele Menschen sich über die betroffenen Projekte und Initiativen informieren wollten, zeigt die Berechtigung unseres Anliegens und bestärkt uns darin, die Dresdner_innen zu informieren und uns für den Erhalt der Projekte einzusetzen”. Die an diesem Tage genutzte Aktionsform “Critical Mass” wird inzwischen weltweit praktiziert und diente ursprünglich dazu, Kritik am Verkehrsgeschehen in Innenstädten zu üben und zugleich auf die Möglichkeit alternativer Fortbewegungsmittel hinzuweisen. Dabei gilt in Deutschland §27 der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO), wonach Gruppen ab fünfzehn Personen als geschlossener Verband gelten und beispielsweise auch dann eine Kreuzung passieren dürfen, wenn die Ampel von grün auf rot geschaltet hat. Kritik am übermotivierte Polizeieinsatz, der für die rund 50 Personen auf der Prager Straße mit einer Feststellung der Personalien endete, äußerte der Grünen-Stadtrat Torsten Schulze. Seiner Ansicht nach hätte eine “bessere Kommunikation zwischen Polizei und den TeilnehmerInnen des Fahrradcorso [...] dem Anliegen der Aktion wesentlich mehr entsprochen”. Ungeachtet der Ereignisse, ließen es sich mehrere hundert Menschen am Abend im “büdchen” in der Stauffenbergallee 11 nicht nehmen, den Tag feuchtfröhlich Revue passieren zu lassen.

 

http://www.addn.me/freiraeume/mehr-als-200-menschen-radeln-fuer-den-erhalt-von-freiraeumen/

Bei einer Freiräume-Radtour in Dresden ereignen sich übergriffe seitens der Polizei. Diese leugnet, trotz vieler Zeug_innen.
Am Samstag, 23.3., fand in Dresden ein Fahrradausflug mit ca. 250 teilnehmenden Personen statt, der - von der im Februar gegründeten „IG Freiräume“ organisiert - neun verschiedene Freiraumprojekte anfuhr, die derzeit massiv bedroht sind, um auf die Missstände der dresdner Stadtpolitik aufmerksam zu machen.

Nach drei erfolgreich passierten Stationen, an denen in Redebeiträgen über die einzelnen Projekte informiert wurde, wurde die bis dahin friedliche Fahrradtour jäh unterbrochen. Mehrere Einsatzwagen der Bereitschaftspolizei fuhren auf die - für Fahrräder freigegebene - Fußgängerzone der Einkaufsmeile Prager Straße und aussteigende Polizeibeamt_innen stießen, vor den Augen hunderter verdutzter Passant_innen, Menschen von ihren Fahrrädern, mit der Begründung, sie hätten mehrfach Verkehrsregeln missachtet. „Wir sind so mit den Fahrrädern die Prager Straße langgefahren, als plötzlich Polizeibeamte auf uns zugerannt kamen. Ich wusste überhaupt nicht, was los ist und wurde einfach vom Fahrad gestoßen.“ berichnet eine Teilnehmerin der Fahrradveranstaltung. „In der Nähe lag ein Mensch neben seinem Fahrrad, auf ihm knieten zwei Polizeibeamte.“
Schnell bildete sich ein Polizeikessel, der ca. 50 Teilnehmer_innen der Fahrradtour einschloss, darunter auch Kinder. Mehr als anderthalb Stunden wurden bei minus zehn grad die Personalien aller eingeschlossenen Personen einzeln nacheinander aufgenommen. Alle wurden abfotografiert. Menschen, die dagegen Einspruch erhoben, wurde teilweise Zwang angedroht, teils wurden sie einfach trotz des Einspruchs abfotografiert.
Außerdem kam es bei der Personalienüberprüfung zu Übergriffen in Form homophober Sprüche durch Polizisten.

Die Polizei behauptet in ihrer Pressemitteilung, die Fahrradfahrer_innen hätten mehrfach Verkehrsregeln verletzt und leugnet ihren Einsatz von Gewalt und unverhältnismäßiger Härte: „Die Vorwürfe der ‚IG Freiräume‘ sind frei erfunden und deshalb haltlos.", so Polizeipräsident Dieter Kroll.
„Diese Leugnungen der Vofälle durch die Polizei sind unvorstellbar dreist, wenn man bedenkt, dass es dafür mit den vielen Passant_innen der Prager Straße schließlich einen haufen Zeug_innen gibt. Die IG ist gerade dabei, aus ihren Fotos von der Demo Bilder zu sammeln, die die Polizeiübergriffe eindeutig belegen“, so ein Mitglied der IG.

Die Fahrradfahrer_innen bestreiten die Vorwürfe der Verkehrsregelverletzung und beziehen sich dabei auf das Critical-Mass-Prinzip und die Verkehrsregelung, dass eine Fahrradgruppe ab 15 Personen als Konvoi, also als EIN Fahrzeug gilt, und somit auch weitergefahren werden darf, wenn Ampeln zwischenzeitlich auf rot schalten.

Zwei Teilnehmer_innen des Fahrradausflugs erinnern sich: „Wir waren gemütlich mit unseren Fahrrädern unterwegs, bei uns lief Musik, als wir an einer Station unserer Radtour von zwei sehr jungen Polizisten angehalten und festgesetzt wurden. Fieberhaft versuchten sie, uns irgendetwas anzuhängen, erst Ruhestörung, es war aber mitten am Tag und unsere Musik nur mäßig laut, dann haben sie geguckt, ob bei uns das Licht fehlt usw. Nach ihrer Dienstnummer gefragt antworteten beide: ‚null-acht-fünfzehn‘ und schickanierten uns weiter“.

Diese übergriffige Polizeipraxis ist in Sachsen nicht besonders überraschend. Es handelt sich dabei vielmehr nur um ein weiteres Mal, bei dem Polizeibeamt_innen willkürlich Menschen festsetzen, bedrängen und sogar verletzen können, ohne dass sie dafür in irgendeiner Form belangt werden können, geschweige denn, dass diese Vorfälle überhaupt öffentlich eingestanden werden oder die Betroffenen sich irgendwie dagegen verteidigen könnten. Dies entbehrt jeder Rechtsstaatlichkeit, fügt sich allerdings sehr gut in die Tradition sächsischer Polizeiarbeit ein, vorallem mit Blick auf Repressionen von Strukturen, die im Weltbild der sächsischen Behörden auch nur ansatzweise irgendwie „links“ oder „linksalternativ“ sein könnten.


http://de.indymedia.org/2013/03/342928.shtml