Bericht über zwei Besuche bei den Flüchtlingen in Freudenstadt

lagern verboten

Bericht über den Besuch von supportern bei Flüchtlingen in Freudenstadt.

Irgendwann haben wir es dann noch geschafft. Mit fünf Leuten und zwei Autos sind wir am 8. Dezember 2012 nach Freudenstadt aufgebrochen, um uns mit Flüchtlingen zu treffen, die hier gegen die Bedingungen protestieren, unter denen sie leben müssen. Ein Teil der Flüchtlinge befindet sich im Streik und boykottiert die Annahme von Essenspaketen, deren Inhalt häufig schon abgelaufen ist. Als Ersatz fordern sie Gutscheine oder besser noch Bargeld, um selbst Essen kaufen zu können.


Wir hatten etwas Probleme hinzufinden, es dann aber mit Verspätung doch geschafft. Wir treffen uns mit zwei Flüchtlingen vor dem Haus. Wir gehen mit ihnen zusammen auf ihr Zimmer, um uns besser unterhalten zu können. Das Haus ist so groß wie das Epplehaus. 80 Menschen wohnen hier. Es gibt noch weitere Flüchtlingsheime im Kreis in Aipirsbach mit 40 Bewohner_innen und Hallwangen mit 70 Bewohner_innen. Auch ein Teil von deren Bewohnerschaften hat(te) sich dem Streik angeschlossen. Das und andere Dinge erfahren wir auf dem Zimmer unserer beiden Gastgeber. Das Zimmer ist schmucklos, es gibt einen Fernseher der läuft, einen Schrank, ein altes Sofa, einen Tisch und zwei Betten. Sonst nichts. Keine Bilder oder Poster an der Wand. Das Zimmer hat den Charakter eines Kasernen-Raums. Wir erfahren später, dass einem Flüchtling durch den Heimleiter ein Sofa verweigert wurde mit der Begründung, hier habe man ohnehin keine Gäste und keine Freunde auf dem Zimmer („Here you don't have a guest or friends.“)


Wir setzen uns an den Tisch und stellen uns vor. Die Sprache, in der wir uns unterhalten, ist Englisch. Von den beiden kommt einer aus dem Nordosten Pakistans und einer aus Afghanistan, einem Land in dem die Bundesrepublik Konflikt-Akteur ist. Beide Länder sind zum Teil Bürgerkriegsregionen. Später kommt ein weiterer Flüchtling aus Pakistan dazu. Unsere beiden Gegenüber sind jung, um die 20 Jahre und leben teilweise seit 1 ½ Jahre hier. Als Flüchtling mit dunkler Hautfarbe ist Freudenstadt sicher kein guter Ort. Sie können sicher auch nicht ohne Grund ziemlich ziemlich gut den Begriff „Scheiße Ausländer“ nachahmen. Einmal sagt auch jemand von ihnen: „I don't like this Schwarzwald.“ Sie berichten uns von ihrem Leben. Sie würden wie Hunde behandelt („treat us like dogs“), sie würden nur essen und schlafen („ate and sleep“). Sie dürften nicht arbeiten und hätten keine Möglichkeit Deutsch zu lernen. Der (deutsche) Leiter der drei Heime im Landkreis würde ihnen das verweigern. Trotzdem hätte derselbe sich unmittelbar nach ihrer Ankunft geweigert mit ihnen Englisch zu sprechen, da sie ja in Deutschland seien. Natürlich ist es einfach nur autoritärer Schwachsinn von Unkundigen die Benutzung einer unbekannten Sprache erzwingen zu wollen oder wie einer der Betroffenen sagte: „Is there a memory card in my head you can change?“. Auf engen Raum mit anderen Leuten ohne Privatsphäre untergebracht, isoliert vom Rest der Stadt und verdammt zum Nichtstun machen sich psychische Probleme breit. Viele könnten hier nicht mehr richtig schlafen, wird uns berichtet.


Eine Arbeitserlaubnis hätte fast niemand von den 80 Bewohner_innen des Heims, dass es übrigens schon seit 20 Jahren gibt. Die Streikenden begrüßen zwar unseren Besuch und freuen sich über die Sachen, die wir mitgebracht haben. Aber sie betonen, dass sie in Freudenstadt vor Ort Unterstützer_innen brauchen. Die gibt es bisher kaum. Es gibt zwar einen kirchlichen Arbeitskreis Asyl, aber der hält sich eher zurück, um sein Renomee nicht zu gefährden. Deswegen würden sie gerne, von uns begleitet, einmal in eine Kirchengemeinde gehen, um dort ihre Situation und ihre Lebensgeschichte vorstellen. Später stößt eine weitere Person zu uns. Er kann leidlich Deutsch und berichtet ebenfalls von der Schwierigkeiten und der Wichtigkeit die Möglichkeit zum Deutschlernen zu haben.


Über das Reden ist es draußen dunkel geworden, wir müssen aufbrechen und verabschieden uns. Aber wir sind nicht zum letzten Mal da gewesen.

 

Am 15. Dezember fahren wir zu dritt erneut nach Freudenstadt, um die Flüchtlinge zu besuchen. Inzwischen ist einiges geschehen. Nur ein einziger Flüchtling boykottiert noch die Essenspakete. Alle anderen haben den Boykott eingestellt. Nach Berichten der Flüchtlinge erklärte der Leiter der Flüchtlingsheime im Kreis Freudenstadt und „Sozialpädagoge“, den noch streikenden Flüchtlingen ihnen die Aushändigung des ihnen zustehenden Taschengelds zu verweigern. Er begründete das mit der Teilnahme am Flüchtlingsstreik.


Zur Erinnerung: Die Flüchtlinge aus verschiedenen Lagern im Landkreis Freudenstadt protestieren für eine menschenwürdige Behandlung. Die Kernforderung ist die Abschaffung der Lebensmittelpakete zugunsten von Bargeld. Um dieses Ziel zu erreichen boykottierten anfangs mehr als 100 Flüchtlinge aus drei Lagern im Landkreis Freudenstadt die Ausgabe von Lebensmittelpaketen. Sie protestieren damit gegen abgelaufene Lebensmittel und die Verwehrung selbstbestimmter Ernährung. Erst vor einiger Zeit musste einer von ihnen wegen schlecht gewordenen Nahrung im Krankenhaus behandelt werden.


Durch den Druck der Umstände, die Isolation des Streiks in der Bevölkerung und die weitgehende Ignoranz der Behörden, hat sich die TeilnehmerInnen-Zahl am Streik stark verringert. Mit der Verweigerung des Taschengelds wird den Streikenden die Möglichkeit genommen sich Nahrung zu beschaffen.


Es ist ein besonderer Skandal, dass ausgerechnet vor Weihnachten, den streikenden Flüchtlingen in Freudenstadt das, ohnehin geringe, Taschengeld verweigert wird, um ihren Streik zu brechen.


In Rücksprache mit einer Rechtsanwältin urteilte diese, dass die Verweigerung des Taschengelds ein Verwaltungsakt ist, der nur nach schriftlicher Androhung vollzogen werden darf. Was nicht geschehen ist. Aber auch dann wäre er natürlich noch ein unmenschlicher Akt, um Menschen in ihrer politischen Meinungsfreiheit einzuschränken, zu der auch Streiks gehören.


In Freudenstadt treffen wir auf drei weitere Unterstützer aus Stuttgart. Mit ihnen zusammen besuchen wir die Heime in Freudenstadt und in Alpirsbach.


In Freudenstadt erfahren wir von einer Flüchtlingsfrau, die unter einer Gluten-Unverträglichkeit leidet. Durch die Lebensmittelpakete ist ihr eine verträgliche Ernährung nicht möglich. Inzwischen ist sie auf 36 Kilogramm herunter, was lebensgefährlich sein kann.


Im Gespräch bestätigen die Flüchtlinge die harte Haltung der Behörden („They are hard people“). Eine Frau berichtet in drei Monaten nur einmal Taschengeld erhalten zu haben.


Als ich vorschlage ihre Isolation etwas aufzubrechen indem man Kontakt zu dem türkischen Verein in Freudenstadt aufnimmt, winkt einer der Flüchtlinge ab. Türken seien hier in der Mehrheitsbevölkerung ebenso unbeliebt und man würde damit die Lage sicher nicht verbessern.

 

Mehr Infos gibt’s unter: http://strikefreudenstadt.wordpress.com/ bzw. https://www.facebook.com/refugeeprotest.FDS

Zeige Kommentare: ausgeklappt | moderiert

Sehr gut geschriebener Beitrag!

Als ich selber noch genug Geld hatte, habe ich auch Sachleistungswaren abgekauft damit die Menschen wenigstens ein bisschen materielle Freiheit haben.

Nicht besonders gut geschriebener Beitrag...

Ich beobachte die Situation in Aufnahme-Heimen für Flüchtlinge mit großer Skepsis und Wut, aber subjektiver und maniplierender kann die Thematik nicht dargestellt werden.

 

Schade, dass rebellisches Potential durch spontane Wut und Ideale in den Dreck gezogen wird...

interessant - aber wo genau ist denn das heim in freudenstadt? (ich habe die adresse auch nach halbstündiger recherche im internet nicht gefunden)