In Berlin-Kreuzberg war für den 12.12 eine Zwangsräumung einer fünfköpfigen Familie angekündigt. Diese sollte schon am 22.10 geräumt werden, was aber 150 Menschen mit Sitzblockaden verhinderten. Viele Menschen bekundeten beim zweiten Mal mitblockieren zu wollen, die Unterstützung für die Familie war groß. Nun war der öffentliche Druck so groß, dass die Räumung auch beim zweiten Mal abgesagt werden musste. Polizei und Politik sind offenbar mit der neuen Aktionsform überfordert. Ein dritter Termin droht allerdings. Auch bei weiteren Zwangsräumungen wird Widerstand vorbereitet.
Kraftvolle Mobilisierung
Am 12.12. sollte die Wohnung der Familie Gülbol geräumt werden. Der Vermieter Andre Franell hatte sie nach einem Fristversäumnis aus ihrer Wohnung geklagt. Am ersten Räumungstermin versammelten sich spontan 150 Menschen vor der Tür und verhinderten somit die Räumung. Eine Welle an Solidarität und Unterstützung war die Folge. 300 Menschen haben sich in einen SMS-Verteiler eingetragen und über 70 Institutionen und Einzelpersonen erklärten sich in einer Solidaritätserklärung zu einer Blockade bereit. Darunter waren Läden aus dem Kiez, der Präsident von Türkiyemspor, die Kleingeldprinzession oder der Autor Raul Zelik. In den Tagen vor der Räumung erklärten sich auch die Fraktion der Grünen in Friedrichshain-Kreuzberg und der Landesvorstand der Linkspartei zur Blockade bereit. Es kündigte sich also eine breite Aktion des zivilen Ungehorsams an, welche sonst nur bei Naziaufmärschen oder Castortransporten zu beobachten ist.
In der Nachbarschaft tauchten große Mobiplakate auf, Veranstaltungen von Parteien wurden besucht und dort offensiv über die Zwangsräumung berichtet, die gedruckten Plakate waren schnell vergriffen, es kam zu Angriffen auf Gebäude von Andre Franell und die Presse berichtete intensiv über die geplante Räumung.
Zwangsräumung abgesagt
Polizei und Senat waren also mit einer neuartigen Situation konfrontiert. Es war unklar, wieviele hunderte Menschen sich an den Blockaden beteiligen würden. Die Zwangsräumung wurde dann abgesagt, mit einer fadenscheinigen Begründung angeblich wegen "formalen Unstimmigkeiten bei der Zustellung des Räumungstermins". Der Räumungstermin war allerdings fristgerecht zugestellt worden, die Vermutung liegt sehr nahe, dass politischer Druck auf das Amtsgericht ausgeübt wurde, die Zwangsräumung vorerst abzusagen. Die Gegenseite verfolgt damit die Strategie Zeit zu gewinnen um auf die neuartige Herausforderung reagieren zu können und die entstandene Dynamik zu schwächen. Die Verschärfung der soziale Lage von vielen Menschen in Berlin durch die steigenden Mieten kann aber auch nicht durch mehr Polizeihundertschaften gelöst werden. Das Bündnis bereitet sich nun auf einen dritten Räumungstermin vor und wird weiter den Druck auf Andre Franell erhöhen um die Zwangsräumung endgültig abzuwenden.
Verdrängung stoppen !
Jeden Tag kommt es in Berlin zu einigen Zwangsräumungen. Davon werden auch jetzt nur ein Bruchteil öffentlich bekannt, aber immer mehr betroffene Menschen melden sich. In der Lübbener Straße will die städtische Wohnungsbaugesellschaft WBM das Ehepaar K. aus ihrer Wohnung räumen. Das 70 bzw. 80 Jahre alte Ehepaar ist 1969 aus der Türkei nach Berlin eingewandert und lebt seit 37 Jahren in der Wohnung. Der Ehemann ist schwer körperlich krank. Bereits vor einem Jahr wurde in einem Attest erklärt, dass ein Umzug den Gesundheitszustand des Ehemannes wesentlich verschlechtern würde. Das Ehepaar hat angekündigt ihre Wohnung nicht verlassen zu wollen. Das Bündnis „Zwangsräumung verhindern“ unterstützt sie dabei und will auch diese Zwangsräumung abwenden.
Nach der erfolgreichen Besetzung der Stillen Straße, dem seit Mai bestehenden Protestcamp am Kottbuser Tor und jetzt dem Widerstand gegen Zwangsräumungen gab es in diesem Jahr einige neuartige Entwicklungen in der stadtpolitischen Bewegung in Berlin. Dabei ist der Kampf gegen Zwangsräumungen nur durch die schon seit längerer Zeit angestoßene Basisorganisierung in den Nachbarschaften erfolgreich.
Zwangsräumungen verhindern
Wo wohnt Franell? Autonummer?
So lange Schreibtischtäter nicht persönlich zur Verantwortung gezogen werden, ändert sich gar nichts.