Göppinger Verhältnisse zum Tanzen bringen

Göppinger Verhältnisse zum Tanzen bringen

Göppingen steht am 6. Oktober der nächste größere Nazi-Aufmarsch seit 2006 ins Haus. Die fortgesetzten Versuche der regionalen Faschisten aus den Reihen von "AN" und "NPD", sich in Göppingen öffentlich zu inszenieren, trafen einmal zu oft auf konsequenten antifaschistischen Widerstand. Nun soll eine überregionale Mobilisierung der Nazis das schaffen, woran das armselige Häuflein um Rausch, Ilgen und Co. mehrfach gescheitert ist - eine zumindest kurzzeitige Dominanz der Straßen Göppingens.

 

Die reisefreudigen Nazis aus dem Kreis Göppingen können hierbei auf die Unterstützung ihrer braunen Brüder (und Schwestern) setzen, deren traditionelle faschistische Events Dresden und Dortmund heute bereits in den letzten Atemzügen liegen. Der Ausflug aufs Land verspricht einen Aktionismus, der anderswo bereits Geschichte ist - und ein "autonomer Nationalismus", der sich im Süden eigentlich inzwischen selbst überlebt hat, will sich in Göppingen nun als provinzielle Farce abseits der großstädtischen Hochburgen wiederholen.


Gemäß seiner "nationalrevolutionären" Ausrichtung inszeniert sich auch der Aufmarsch am 6.10. als "antikapitalistisch". Fernab jeder Kritik der politischen Ökonomie wird der Kampf "gegen das System" bei den konformen Rebellen der AN zum Weckruf an eine "Volksgemeinschaft", die den kapitalistischen Exzess als "fremdartig" und "zersetzend" identifizieren und somit mit ihrer Blut-und-Boden-Ideologie beantworten will. Der Ansatz ist weder tiefgründig noch originell, verdeutlicht aber die konkrete Bedrohung, die von rechten Strömungen im Zeitalter der Krise ausgeht. Die Mechanismen des Ausschlusses und der Selektion, welche der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft eingeschrieben sind, werden nicht etwa infrage gestellt, sondern mithilfe nationalistischer, rassistischer und antisemitischer Ideologiefragmente uminterpretiert. Der soziale Konflikt wird zum naturhaften, und jede Möglichkeit der Emanzipation des Menschen von Herrschaft und Ausbeutung geht im pathetischen Gemurmel eines Kampfes organischer Schicksalsgemeinschaften unter.


Nicht umsonst gleicht der völkische Wahn der Faschisten, fernab davon eine "extremistische" Außenseiterposition darzustellen, häufig eher einer Zuspitzung von staatlichem und gesellschaftlichem Rassismus. In aller Deutlichkeit kommt dies aktuell am Beispiel Griechenlands zum tragen, dessen faschistische Partei der "Goldenen Morgendämmerung" auch auf regionalen Nazi-Seiten lobenswerte Erwähnung findet. So soll er also aussehen, der Kampf "gegen das System": In Form para-staatlicher Schlägertrupps und Bürgerwehren wird ein Klima des Terrors und der Gewalt gegen Migranten und Illegalisierte geschürt, wobei den Faschisten nicht selten die Sondereinheiten der griechischen Polizei, die mehrheitlich für die Rechtsradikalen gestimmt haben, schützend zur Seite stehen.


Für die rassistische Säuberungspolitik des konservativen Staatschefs Antonis Samaras fungieren die Faschisten gewollt oder ungewollt als back-up. Das historisch nur allzu bekannte Wechselspiel zwischen bürgerlichen Rechten und "Rechtsextremisten" manifestiert sich auf den Straßen Griechenlands unübersehbar in Form fließender Übergänge.


Die Notwendigkeit eines theoretisch fundierten und effektiven Antifaschismus offenbart sich im Angesicht der Krise in aller Dringlichkeit. Fernab diffuser demokratischer Bekenntnisse und humanistischer Appelle muss sich der Kampf gegen die politische Rechte - ganz gleich ob diese sich "demokratisch" nennt oder nicht - vor dem Hintergrund einer Kritik der bürgerlichen Gesellschaft vollziehen, anstatt als reine Verteidigung ihrer angeblichen Werte. Auch jede Zusammenarbeit mit bürgerlichen Nazi-Gegnern muss daher kritisch betrieben werden, soll der Antifaschismus nicht zum Feigenblatt für die Freunde der bestehenden Ordnung mitsamt ihren Knästen und Abschiebelagern werden.


Wein, Weib und Gesang

Der Nazi-Aufmarsch bleibt vorerst verboten, doch man kann erfahrungsgemäß davon ausgehen, dass eine Entscheidung der höheren Instanz den Faschisten das Recht auf die Straße letztlich zusprechen wird. Vor diesem Hintergrund erweist sich das Verbot durch die Stadtverwaltung mehr als Zugeständnis an den gestiegenen öffentlichen Druck denn als tatsächliche Einsicht in die Notwendigkeit eines konsequenten Antifaschismus. Verstärkt wird dieser Eindruck durch den Verweis auf das parallel stattfindende Weinfest, das keineswegs nur vordergründig als Verbotsgrund herhalten darf. Man sorgt sich im Kreis Göppingen um die Wahrung des öffentlichen Friedens - gleichwohl von welcher Seite er sich auch bedroht sehen mag. Konnte man die Nazis noch "engagiert ignorieren", als sie nur einzelne Personen bedrohten und unverhohlene Mordanschläge verübten, so gestaltet sich das Credo "Augen zu und durch" bei der drohenden Störung städtischer Tradition wesentlich schwieriger.Und da in Kürze Bürgermeister-Wahlen anstehen, wird nun auch das "extremistische Problem" zum Punkt auf der politischen Tagesordnung erhoben.


Extremismusquatsch mit Guido


Der Plan von OB Guido Till, sich auf einer eigens angesetzten städtischen Kundgebung am 6.10 öffentlich zu inszenieren, mutet vor dem Hintergrund seiner bisherigen konsequenten Ignoranz der regionalen Nazi-Umtriebe nicht nur lächerlich und scheinheilig an - er gestaltet sich durch seine Bezugnahme auf die Extremismustheorie bereits von vornherein als fortgesetzter Versuch, das antifaschistische Engagement öffentlich zu diskreditieren und gemeinsam mit dem "Rechtsextremismus" als gleichwohl unerwünscht zu entsorgen. Eine unmissverständliche Distanzierung von Tills Propaganda ist daher für alle geboten, die sich glaubhaft dem Kampf gegen die Faschisten verschrieben haben.


Sinniger als jede Stimmungsmache "gegen Extremismus und Gewalt" wäre allerdings selbst für bürgerlich-biedere Nazi-Gegner die Frage, ob nicht das konservative Lager selbst für die faschistischen Umtriebe den geistigen Bodensatz mitbereitet hat. Ob eine Stadt, deren "bürgerliche Konservative" Hetzpamphlete wie die "Eislinger Erklärung" publizieren und auf ihren Veranstaltungen kurzgeschorene Thor-Steinar-Träger beschäftigen, überhaupt erst eine umtriebige Nazi-Szene braucht, um die Notwendigkeit des Kampfes gegen Rechts einzusehen, wäre eine weitere sinnvolle Frage.


Doch mit inhaltlich fundiertem und effektivem Antifaschismus sieht es bis dato in Göppingen leider immer noch eher mau aus, auch wenn die Antifaschistische Gruppe Göppingen hier bereits gute Akzente setzen konnte. Das handzahme Bündnis "Kreis Göppingen Nazifrei" war sich in der Vergangenheit zwar nicht zu schade, stundenlang in vollen Sälen über geworfene Eier zu debattieren, glänzte allerdings auf antifaschistischen Veranstaltungen mehrheitlich durch Abwesenheit. Die für jede sinnige Zusammenarbeit notwendige Distanzierung von der Extremismustheorie erfolgte bisher nur vordergründig und unreflektiert - auf eine konsequente Distanzierung vom konservativen Lager, das man sich tatsächlich zunächst mit ins Boot holen wollte, darf man bis heute vergeblich warten. Für einen gemeinsamen Blockadeaufruf wollte sich das Bündnis erst gar nicht hergeben - zu groß wiegt wohl die Befürchtung, die Simulation eines breiten bürgerlichen Protestes könne durch die Adaption rechtlich fragwürdiger Aktionsformen gestört werden.


Trotz der ursprünglich eher desolaten Ausgangslage ist Göppingen mittlerweile dabei, den Ruf einer Spielwiese für Neonazis Stück für Stück abzulegen. Ob sich die Rechten durch die inzwischen einsetzende staatliche Repression langfristig zermürben lassen, bleibt abzuwarten.


Die Aktionen lokaler und auswärtiger Antifas konnten bisher ohne Störungen von Nazi-Seite aus stattfinden - die vollmundigen Ansprüche der Rechten, Göppingen als "ihre Stadt" zu behaupten, erwiesen sich bis dato bei der kleinsten Möglichkeit auf Widerstand zu treffen, als heiße Luft. Ihre Feigheit und geistige Impotenz versuchen die Nazis um Daniel Reusch nichtsdestotrotz durch Penetranz und Brutalität wett zu machen. Die Übergriffe auf politische Gegner, von denen wenig Gegenwehr zu erwarten ist, und ihr unverhohlenes Bekenntnis zum Rechtsterrorismus (z.B. durch die erneute Einladung des Bombenbauers Thomas Baumann als Redner) machen deutlich, dass abseits jeder Verharmlosung die Aufdeckung und Zerschlagung der rechten Strukturen geboten ist.


Es wird zudem deutlich, dass jede Nazi-Szene nur so gefährlich sein kann wie die Ignoranz oder klammheimliche Sympathie der Restgesellschaft es zulässt. Im Kreis Göppingen und darüber hinaus gibt es einige Sümpfe trockenzulegen - möge die Verhinderung des drohenden Aufmarsches hierfür ein unübersehbares Fanal werden.


Autonome Antifaschistische Linke [Ostalb]
Autonome Antifa Heidenheim
Autonome Antifa Schwäbisch Hall

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Quelle:

http://www.schwaebische-post.de/634958/