Zum Verfall eines Nazi-Reliefs an der Bergkaserne in Gießen

Blut- und Boden-Romantik mit Rissen: Das Relief am Lärchenwäldchen soll saniert oder sogar abgetragen und eingelagert werden. Foto: Möller

In einem Artikel im „Gießener Anzeiger“ wurde sich am 21.09.12 dem vom Verfall bedrohten Relief an der Außenmauer der Bergkaserne in Gießen gewidmet. In dem Artikel werden alle relevanten Fakten erwähnt: „Es handelt sich um das Relief aus der Nazi-Zeit, das in die Mauer eingelassen ist. Es steht unter Denkmalschutz, wurde vor dem Krieg erstellt. Thema: „Blut und Boden“. Es droht zu zerfallen.“ [1] Nun stellt sich eine Frage geradezu zwingend: Na und?

 

Weiterhin stellt sich die Frage, warum Nazi-Propaganda mit immensem Aufwand  restauriert wird, und nicht stattdessen eine inhaltliche Ergänzung ausgearbeitet und umgesetzt wird, um zunächst über den Gesamtkontext aufzuklären?


Das Relief wurde, auch das ist dem ausführlichen Bericht zu entnehmen, einem Erlass des „Reichsministers für Volksaufklärung und Propaganda“, sprich Goebbels, folgend, an der Kasernenmauer installiert. Dieser Erlass regelte den „Prozentsatz der Bausumme für Kunst am Bau“.[2] Die „Kunst am Bau“ diente also Propagandazwecken des faschistischen Deutschlands in den 1930er und 1940er Jahren. Dass ausgerechnet ein solches Relief unter Denkmalschutz gestellt wird, ohne dass zugleich auch sicher gestellt wurde, dass Betrachtende über den historischen Kontext dieses Machwerks aufgeklärt werden, spricht deutlich für sich.


Schon vor zwei Jahren thematisierte die Antifa R4 das Relief in einem Text, der sich mit der Erinnerungspolitik der Stadt Gießen bezüglich des Deutschen Faschismus und des Zweiten Weltkriegs auseinandersetzte: „Das martialische Relief an der Außenwand wurde im Februar 1938 eingeweiht und ist ein Beispiel für die ideologisierte und instrumentalisierte Kunstauffassung jener Zeit. Abgebildet sind, nach Manier der „Blut-und-Boden-Romantik“ arbeitende Familien, welche von drei Soldaten, in heroischer Nacktheit dargestellt, bewacht werden. Der Erhalt dieses Reliefs scheint von größerer Bedeutung, als sich um das Füllen einiger Erinnerungslücken zu kümmern.“[3] Dem ist leider bis heute nichts hinzuzufügen.

[1] Gießener Anzeiger (21.09.2012): Relief-Sicherung kommt nicht voran, S.13.

[2] Vgl. ebd.

[3] Antifa R4 (2010): Deutsche Erinnerungspolitik am Beispiel Giessens, URL http://erinnerungspolitik.blogsport.de/deutsche-erinnerungspolitik-am-be... (21.09.2012).

Dieser Text wurde bereits auf dem Blog des Infoladen Gießen (http://infoladengi.blogsport.de) veröffentlicht und dem Gießener Anzeiger sowie der Gießener Allgemeinen Zeitung zugestellt.

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In der Zeit des Artikelschreibens wäre ein Hammer & Meißel Besuch vor Ort sinnvoller gewesen. Weniger Theorie, mehr Tat!

Dasselbe könnte man von deinem Kommentar behaupten. Ich bezweifle allerdings dass ein reiner Hammer&Meißel Besuch wirklich sinnvoller gewesen wäre. Faschismus bekämpft man nicht indem man nur seine Symbole zerstört, das ist plumper Aktionismus. Mann muss schon auch über ihn und seine Hintergründe bei aufgeschlossenen Bevölkerungsteilen aufklären und dafür ist Theorie unerlässlich. Wenn schon dann Hammer&Meißel Besuch und gutes Bekennerschreiben an die lokale Presse. Theorie und Praxis ist kein Gegensatz sondern bedingt sich gegenseitig positiv. Es gilt die Tat, aber Öffentlichkeitsarbeit ist eben auch eine Tat die es nicht zu unterschätzen gilt. Natürlich sollte man die Handarbeit und die Politik auf der Strasse auch nicht vernachlässigen.

"Wenn schon dann Hammer&Meißel Besuch und gutes Bekennerschreiben an die lokale Presse." 


Korrekt. Aber theoretische Anklageschreiben und verschrobene Theorietexte findet man (gerade aus Uni-Städten) haufenweise. Der einfache Besuch mit ein bisschen "handwerklichem Geschick" hätte mehr gebracht, die Stadt würde zumindest nicht auf die Idee kommen das "Denkmal" zu ersetzen bzw. neu dahin zu mauern. Ziel erreicht und vielleicht nachträglich noch auf den Fleck hingewiesen. 

"
Dasselbe könnte man von deinem Kommentar behaupten." Aha, es kann nicht jeder in Gießen wohnen bzw. dem direkten Umfeld aktiv sein. 

Hier ist der Artikel, der für den Text als Aufhänger fungierte, zu finden: http://www.giessener-anzeiger.de/lokales/stadt-giessen/nachrichten/12439...

Artikel vom 05.10.2012 - 16.00 Uhr
Kunstwerk aus Nazizeit beschmiert

"Das unter Denkmalschutz stehende Soldaten-Relief neben der Einfahrt zur früheren Bergkaserne ist von Unbekannten beschmiert worden. Offenbar in der Nacht zum Tag der Deutschen Einheit wurde auf die Wand der Spruch »Blöder Nazi-Kram« gesprüht."

 

http://www.giessener-allgemeine.de/Home/Stadt/Uebersicht/Artikel,-Kunstw...