[FR]: Urteilsverkündung im Prozess gegen Florian Stech am Donnerstag

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Der Prozess gegen den Nazi Florian Stech geht seinem Ende zu. Am Donnerstag dieser Woche ergeht nun das Urteil. Der bekannte Nazi-Kader Stech war im Herbst letzten Jahres auf einem Pendler-Parkplatz bei der Autobahnausfahrt Riegel in eine Gruppe AntifaschistInnen gerast und hatte dabei eine Person schwer verletzt. Angeklagt wurde Stech u. a. wegen dreifachen versuchten Totschlags und gefährlicher Körperverletzung.

 

Stech betreute am frühen Abend des 1.10.2011 zum wiederholten Male einen sogenannten Schleusungspunkt der Kameradschaft Südsturm Baden. Seine Aufgabe war es, ankommende Gäste zum nahegelegenen Gelände der Familie Adler in Bahlingen weiterzuleiten. Dort sollte eine „Soliparty“ der Nazis stattfinden, um den geplanten Aufmarsch in Offenburg anlässlich des Jahrestages der Deportation der badischen Juden, zu finanzieren. Engagierte AntifaschistInnen beobachteten an jenem Abend den Schleusungspunkt. Als Florian Stech die Gruppe bemerkte, gab er Gas und raste frontal in diese hinein. Ein 21-jähriger konnte sich nicht mehr rechtzeitig zur Seite retten, wurde vom Auto erfasst, über die Windschutzscheibe geschleudert und blieb schwerverletzt liegen.

 

Dieser Angriff auf AntifaschistInnen letzten Oktober, der einen Menschen fast das Leben gekostet hätte, ist leider kein Einzelfall. Er fügt sich vielmehr ein in eine lange Reihe unzähliger gewalttätiger Übergriffe und Anschläge auf Menschen, die sich den FaschistInnen offen entgegenstellen oder einfach nicht in deren beschränktes Weltbild passen. In der BRD wurde seit 1990 mindestens 181 Menschen durch rechte Gewalt getötet. Betrachtet man allein die Ereignisse der jüngsten Vergangenheit in Baden-Württemberg, so wird schnell klar, dass sich an der Gefahr, die durch faschistische Gewalt besteht, nichts geändert hat. Beispielsweise schossen Nazis im März 2011 einem Jugendlichen in Leonberg mit einer Gaspistole ins Auge. Nur einen Monat später attackierte eine Gruppe Nazis in Winterbach im Rems-Murr-Kreis neun MigrantInnen unter anderem mit Äxten, jagte sie durch das Dorf und zündete die Hütte, in die sich die Angegriffenen flüchteten, an. Auch im äußersten Süden des Landes sind Angriffe auf Andersdenkende keine Ausnahmeerscheinungen. Gerade in der Region Lörrach, wo sich faschistische Strukturen über Jahre hinweg weitgehend ungestört etablieren konnten, kommt es regelmäßig zu Übergriffen und Anschlägen. Traurige Höhepunkte der faschistischen Gewalt in dieser Region bildete der Angriff mehrerer bewaffneter und vermummter Nazis auf eine Gruppe feiernder junger Erwachsener im Februar 2011 oder die mehrfachen Angriffe auf die Moschee in Rheinfelden. Eindrücklich in Erinnerung ist dem ein oder anderen vielleicht auch noch der Skandal um den Lörracher JN-Funktionär Thomas Baumann, auch bekannt als „Bombennazi“. Bei ihm wurden im Sommer 2009 Sprengstoffmaterialien gefunden. Er hatte unter anderem Angriffe in Freiburg geplant. Im Visier waren wohl die KTS und die südbadische DGB-Zentrale in Freiburg

 

Man sollte sich also auch im beschaulichen Freiburg nicht der Illusion hingeben, faschistische Strukturen seien nur in anderen Regionen ein Problem. Im Frühjahr 2009 griffen Nazis am Rande einer links-alternativen Demo zwei Personen mit einem Messer an und ebenfalls im Sommer 2009 kam es zu einem Brandanschlag auf die KTS. Darüber hinaus gibt es seit Jahren immer wieder Verletzte bei Auseinandersetzungen vor allem im Zusammenhang mit Fußballevents. Der Mordversuch in Riegel wäre nicht möglich gewesen, wenn wir es nicht auch um Freiburg mit einer aktiven und aggressiven Naziszene zu tun hätten.

 

Kurze Zeit nach der Tat erschienen neben Stech, mehreren Staatsschützern und PolizistInnen weitere FaschistInnen auf dem Pendler-Parkplatz. Sie beschimpften und bedrohten die geschockten AntifaschistInnen und machten sich noch Tage später auf Facebook über den Schwerverletzten lustig. Unter anderen fielen der in Emmendingen wohnhafte Phillip Mang sowie Daniel Adler durch ihr besonders aggressives Verhalten am Tatort auf. Beide sind aktiv bei der „Kameradschaft Südsturm Baden“ und waren als Zeugen im Prozess geladen. Bei den Vernehmungen der Faschisten bestätigte sich, dass vor allem auf dem Redgelände der Familie Adler in der Vergangenheit immer wieder kleinere und größere Veranstaltungen der regionalen und überregionalen Naziszene stattfanden. Der Nazi Thorsten Ziethen aus Bad Krozingen, der dem KSB nahesteht, fiel durch besonders menschenverachtende Beiträge auf Facebook auf. Stech hatte nur wenige Tage vor der Tat seinen Gewaltphantasien gegen politische GegnerInnen freien Lauf gelassen. Da der Mordversuch in Riegel nicht losgelöst von diesen Hasstiraden und Vernichtungsabsichten vor der Tat gesehen werden kann, wurde auch Ziethen bei der Polizei vorgeladen. Seine Absage kam per Mail – unterschrieben mit „Nationaler Sozialismus jetzt!“.

 

Dass Florian Stech als gefestigter Nazi angesehen werden muss und dass er die menschenfeindliche faschistische Ideologie längst verinnerlicht hat, beweisen nicht nur seine Äußerungen auf Facebook, sondern auch seine Aktivitäten in den vergangenen Jahren. Er ist vorbestraft, unter anderem wegen einschlägiger Delikte wie gefährlicher Körperverletzung, Zeigen verfassungsfeindlicher Symbole, sowie wegen Landfriedensbruch den er nach dem Naziaufmarsch in Dresden 2010 in Pirna beging. Ein weiteres Verfahren wegen Volksverhetzung läuft derzeit noch. Darüber hinaus kandidierte Florian Stech zweimal für die NPD und fungierte des öfteren als Demoanmelder der rechten Szene und gilt als „Kopf“ der Freien Kräfte Ortenau und als überregionales Verbindungsglied. Besonders hervorgehoben sei an dieser Stelle auch ein Foto, welches Stech gemeinsam mit weiteren FaschistInnen unter dem Eingangstor des KZ Buchenwald aufnahm. Auf dem Schild ist zu lesen „Jedem das Seine“. Eine schier unerträgliche Verhöhnung der Opfer des Holocaust. Der Versuch Stechs, sich im jetzigen Verfahren als Aussteiger zu präsentieren, wird allein schon dadurch als bloße Strategie entlarvt, dass er sich in einem weiteren gegen ihn geführten Verfahren wegen Volksverhetzung nach wie vor von der einschlägigen Nazianwältin Nicole Schneiders vertreten lässt.

 

Am kommenden Donnerstag wird nun das Urteil gegen Florian Stech gesprochen. Mit einer Verurteilung zu mehrjähriger Haft wird wohl zu rechnen sein dürfen - alles andere wäre ein Skandal allerersten Ranges. Der Staatsanwalt forderte in seinem Plädoyer lediglich drei Jahre Haft, während die Nebenklage ein deutlich höheres Strafmaß für angemessen hält. Der Verteidiger Stechs plädierte auf Freispruch wegen Notwehr. Er behauptete, Stech habe keine andere Möglichkeit gehabt, sich zu wehren, während die AntifaschistInnen ausreichend Zeit gehabt hätten, sich zu retten. Beides wurde im Laufe des Verfahrens mehrfach widerlegt.

 

Keinesfalls darf sich der Illusion hingegeben werden, man könne sich bei der Bekämpfung rechter Gewalt und faschistischer Strukturen auf den Staat und seine Institutionen verlassen. Das Bekanntwerden der Morde des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ schockten in jüngster Zeit die bundesdeutsche Öffentlichkeit. Gleichzeitig stand die entsetzte Öffentlichkeit der Frage, wie es möglich war, dass eine faschistische Terrorzelle über Jahre hinweg eine Blutspur durch die ganze BRD ziehen konnte, völlig hilflos gegenüber. Nach und nach jedoch kommen die Verstrickungen des sogenannten „Verfassungsschutzes“ mit den NSU-Morden ans Licht. Ein Skandal jagt den anderen und es wird immer offensichtlicher, dass staatliche Behörden in dieser Affäre ihrem vermeintlichen Anspruch der Bekämpfung faschistischer Gewalt nicht nur nicht gerecht wurden, sondern diese vielleicht sogar erst ermöglichten.

 

Auch im Stech-Prozess offenbarten die Vernehmungen der involvierten Staatsschutzbeamten zahlreiche Versäumnisse bei den Ermittlungen und eine völlige Ignoranz gegenüber der gesellschaftlichen Tragweite des Falles. Beispielsweise wurden die Personalien der am Parkplatz anwesenden Nazis nicht aufgenommen, und die Facebookeinträge der FaschistInnen nicht gesichert. Allerdings wurden immer wieder die Aktivitäten des KSB trotz besseren Wissens relativiert und verharmlost.

 

Völlig klar ist für uns, dass FaschistInnen und ihre Strukturen auf allen Ebenen entgegengetreten werden muss. Von der bürgerlichen Justiz erhoffen wir uns in diesem Zusammenhang allerdings nicht allzu viel. Viel entscheidender ist nachhaltiges antifaschistischen Engagement und die Schaffung einer breiten Öffentlichkeit. Hierzu gehört zum einen, Nazis zu zeigen, dass wir uns ihnen immer und überall entgegenstellen werden. Faschistische Gewalt wird in ihrer Masse erst dann möglich, wenn zugelassen wird, dass Nazis sich in Regionen etablieren, dort ungestört Strukturen aufbauen und ihre menschenverachtende Ideologie verbreiten können.

 

Doch das werden wir nicht zulassen!

 

Entscheidend ist, dass faschistische Strukturen anhaltend benannt, verurteilt und bekämpft werden. Ein gesellschaftliches Klima in dem rechte Gewalt verharmlost und ignoriert wird spielt den FaschistInnen in die Hände.

 

Kommt am Donnerstag zur Urteilsverkündung ins Freiburger Landgericht. Zeigt euch solidarisch! Beteiligt euch an der anschließenden Kundgebung am Bertoldbrunnen.

 

Urteilsverkündung | Donnerstag 12.7. | 10:30 | Landgericht Freiburg | Salzstraße | Saal 4

Kundgebung | Donnerstag 12.7. | 12:00 | Bertoldbrunnen

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Die Migranten in Winterbach wurden NICHT durch das Dorf gejagt, diese Auseinandersetzung spielte sich lediglich in einer Kleingartenkolonie ab.