Bildende Künstlerinnen und Künstler fordern Abbau der NS Blut&Boden Nazikünstler Peiner-Schau in Gemünd – Kein Platz für Nazikunst in der Eifel

plakatpeiner

Die am 20. Mai in Gemünd eröffnete Werkschau des Nazi-Malers Werner Peiner müsse sofort geschlossen werden, verlangt Lorenz Mueller-Morenius, Bundesvorsitzender der Fachgruppe Bildende Kunst in ver.di: „Sie ist ein kulturpolitischer Skandal, zumal sie frei von grundsätzlicher Aufarbeitung und künstlerischer Analyse ist.“ In Gemünd werde mit Hilfe des CDU/UWV-Politikers Dieter Pesch ein ideologischer Helfer der Nationalsozialisten gefeiert. „Ein albtraumhafter Spuk völkisch-monumentaler Pinselführung“, so Mueller-Morenius, die bei Hitler, Himmler, Goebbels und Göring sowie ihren großindustriellen Unterstützern höchsten Beifall und finanzielle Unterstützung gefunden habe.

 

„Anstatt dem Kanon von Stimmen an faschistischen Orten in der Eifel mit der Werner-Peiner-Schau eine weitere schwarz-braune hinzuzufügen, hätte das KunstForumEifel die bis in die Gegenwart reichende Affinität zwischen nationalistischer Kunst und Kapital untersuchen sollen“, so der Künstler weiter. Peiner, nach 1945 als Nazi interniert, genoss bis zu seinem Tod 1984 in Leichingen Anerkennung beim Finanzkapital und politischen Diktatoren. Eine wissenschaftliche Analyse über Werner Peiner erscheint im Juni in gekürzter Version in der Printausgabe von KUNSTUNDKULTUR. 


Nazi-Kunst für alle und/als Eifel-Event … - Zur geplanten Werner-Peiner-„Werkschau“ im „KunstForumEifel“


Wilma Ruth Albrecht


„Wissenschaft fragt, warum etwas so ist. Kunst fragt nie warum, sie sagt, es ist so oder so, oder hört Euch doch nur an, wie es ist. Und wie ist es? Ist es schön, ist es lieblich, ist es tragisch? Ist die Welt etwas nur schön, lieblich tragisch? Nur häßlich, nützlich? Nein, sie ist le-bendig. Vom Kunstwerk nun verlangen wir keine genaue Aufzählung alles dessen, was in der Natur vorhanden ist. Hätte die Kunst die Mittel, alles zu geben, Bäume, Rinden, Vogelzwitschern und Donner, Sonnenschein und Wasser, so hieße das nicht anderes, als die Natur tatsächlich noch einmal zu machen. Wer von der Kunst das verlangt, verlangt etwas erstens Zweckloses, zweitens unmögliches. Nein, das Kunstwerk muß gutgelogene Natur sein, eine gut getroffene Auswahl, ein Spiegel der Empfindungen.“ – August Macke (1887-1914) – August Macke, Gedanken zu Formen der Kunst und des Lebens; in: ders., Die Tunisreise [1914]. Köln: duMont Schauberg, ²1973 [= duMont Kunst-Taschenbuch 3]: 9-17.

„Kunst gibt nicht das Sichtbare wieder, sondern Kunst macht sichtbar. Kunst ist das Herunterreißen der Masken. Hinter der Maske sitzt unsere Seele.“ – Paul Klee (1879-1940) – Paul Klee; Kasimir Edschmid, Hg., Schöpferische Konfession. Berlin: Erich Reiß, 1920 [= Tribüne der Kunst und Zeit 13].


I. Anfang August 2011 wurde „aktuell” berichtet (http://www.euregio-aktuell.eu/archives/14872-Werner-Peiner-Ausstellung-geplant.html) : der Kurator des KunstForumEifel, Dr. Dieter Pesch (Dieter Pesch (*1944 in Viersen) war von 1981 bis 2007 Leiter des Rheinischen Freilichtmuseums in Kommern, „CDU-Politiker“ und langjähriger „Schatzmeister des CDU-Kreisverbandes“. Er ist seit Mai 2011 Mitglied der UWV-Kreistagsfraktion http://www.ksta.de/html/artikel/1305797040801.shtml), plane, im Sommer 2012 eine Ausstellung über Peiner-Ausstellung auszurichten. Ende September 2011 erklärte Pesch, das KunstForumEifel wäre „die richtige Institution und der richtige Ort, sich in angemessener, objektiver und kritischer Weise mit Leben und Werk des Malers zu beschäftigen.“ (http://www.rundschau-online.de/html/artikel/1316702925824.shtml)
Damit schloß Pesch an einen ersten, im November 2007 gestarteten, “Versuchsballon” an: Marcus Albanus, ein Enkel Peiners, zeichnete in Kronenburg im „Haus des Gastes“ ein persönliches Bild Peiners und versuchte dabei, Opa Wer-ner den Geruch des Nazi-Künstlers zu nehmen (http://www.ksta.de/html/artikel/1194443094009.shtml).

 

II. Werner Peiner (1897 -1984) (Die folgenden Angaben beruhen auf zwei Dissertationen: Anja Hesse, Malerei des Nationalsozialis-mus: Der Maler Werner Peiner (1897-1984). [ = Studien zur Kunstgeschichte. Band 94] Hildesheim, Zürich, New York: Georg Olms, 1995, 430 p., mit 58 Abbildungen; Nicola Doll, Mäzenatentum und Kunstförderung im Nationalsozialismus. Werner Peiner und Hermann Göring. Weimar: Datenbank für Geisteswissenschaften, 2009, 392 p., mit 82 Abbildungen; als Erstinformation nützlich: http://de.wikipedia.org/wiki/Werner_Peiner) wurde am 20. Juli 1887 als erstes von drei Kindern (Elisabeth *1899, Maria *1901) in Düsseldorf geboren. Seine Mutter Sophia entstammte einem bäuerlichen Anwesen aus der Eifel (Mechernich), sein Vater Joseph, der ebenfalls aus der Eifel (Eiserfey) kam, war als Prokurist einer Holzhandlung in Düsseldorf erwerbstätig; das Elternhaus galt als katholisch, konservativ, bürgerlich. Werner kam 1902 in die Vorklasse der städtischen Realschule; 1905 in Königliches Gymnasium, dann wieder in die Oberrealschule, dort “Mittlere Reife”. 1912: Kurse an der Kunsthandwerkerschule Düsseldorf; 1914: Kriegsfreiwilliger bis 1918; 1915: „Notabitur“ während eines Fronturlaubs; 1918: Hospitation an der Düsseldorfer Akademie; 1919: Kunststudium an der Düsseldorfer Kunstakademie (der Vater hatte Kontakte zu Mitgliedern der Professorenschaft), erste Teilnahme an einer Ausstellung in der Kunsthalle; 1920: “Dreimannwerkstatt” mit Richard Gessner (1894-1989) und Fritz Burmann (1892-1945); Meisterschüler von Fritz Roeber (1851-1924), einem Historienmaler, der seit 1909 eine Werkstatt für kirchliche Kunst und Glasmalerei sowie ein Atelier für Mosaik und Webkunst, Gebrauchsgrafik und Typografie unterhielt und gleichzeitig bis 1924 Direktor der Düsseldorfer Kunstakademie war; außerdem besuchte Peiner die Zeichenklasse von Wilhelm Döringer, einem Historien- und Schlachtenmaler und unternahm in der “Dreimannwerkstatt” Farbversuche mit licht- und waschechten Farben für Seide und Wolle der IG-Farben-Leverkusen; 1923: Auflösung der “Dreimannwerkstätte”; Heirat der Bonner Zahnarzttochter Therese Lauffs und Umzug nach Bonn; 1925: Rückkehr nach Düsseldorf; Beteiligung an der Mannheimer Ausstellung “Neue Sachlichkeit” von Gustav Hartlaub; 1927: Atelier an der Neun Akademie in Düsseldorf-Stockum; erneute Zusammenarbeit mit Richard Gessner (dessen Vater war Düsseldorfer Bankdirektor) und dem Architekten Emil Fahrenkamp (1885-1966); durch Fahrenkampf Bekanntschaft mit Dr. Walter Kruspig (1894-1939; seit 1925 Vorstandsmitglied, seit 1930 Generaldirektor der Rhenania-Ossag AG,Shell Deutschland; 1935 “Wehrwirtschaftsführer Öl”); 1929: “Das alte Haus Rechen”, bemalter Seidenteppich, Wandteppich für das Park-Hotel (Architekt Fahrenkamp) Haus Rechen in Bochum Ehrenfeld; durch Fahrenkamp auch Kontakte zu Industriellen wie Tengelmann, Underberg und Krustig; 1930: Innendekoration des Wohnhauses Walter und Ellen Kruspig in Hamburg; für das Shell-Haus (1928-1930), das erste, von Fahrenkamp geplante Stahlskeletthaus in Deutschland, entwirft Peiner Glasfenster und zwei Mosaikwände; 1931: Frank-furter Kunstverein: “Die deutsche Neuromantik in der Malerei der Gegenwart” mit Peiner und Ratziwill; Umzug nach Kronenburg/Eifel, Entwurf eines 107 qm großen Mosaiks für das Kasino-Hotel Zoppot; das Bildnis “Der Acker”; 1932: Peiner, Fahrenkamp und Krustig in Kronenberg; 1933: Mechernich verleiht Hit-ler die Ehrenbürgerschaft; Peiner stellt das Gemälde “Deutsche Erde” als Geschenk für Hitler zur Verfügung; erste Bild im Besitz von Hitler; Angebot des Akademiedirektors in Düsseldorf abgelehnt; Kartenwerk für Shell: 30 Fluß- und Gebirgslandschaften zu Werbezwecken beauftragt (bis 1935); 1934: Annahme des Lehramts für Monumentalmalerei; bei Görings Hochzeit mit der Schauspielerin Emmy Sonnemann stellt Kruspig Peiner diesem während einer Gartenparty vor; 1935: Ostafrikareise mit Walter Kruspig und beider Ehefrauen, mit Fotos, auf deren Grundlage 13 Bilder (Afrikazyklus 1936/38) entstanden; 1936: Aus-gliederung der von Peiner geleiteten Klasse für Monumentalmalerei aus der Düsseldorfer Akademie, “Landakademie der Staatlichen Akademie Düsseldorf”; Herbst: 1. Auftrag: Wandteppich für das Haus des Fliegers im Preußischen Landtag (Falkenjagd) und Mosaiken für das von Göring geleitete Luftfahrtministerium; Olympia-Ausstellung und Auszeichnung für Wandteppich; am 1. Juli 1937 persönlicher Erlass Görings für eine selbständige neue staatliche Hochschule als “Hermann Göring-Meisterschule für Malerei”; Goldmedaille an Peiner anlässlich der Weltausstellung in Paris; NSDAP-Mitgliedschaft Peiners; Februar 1938: Sonderschau im Rahmen der “Großen Deutschen Kunstausstellung” in der Preußischen Akademie der Künste, Berlin, “Weibliche Tugenden” (10 Gobelins für das Verwaltungsgebäude der NSDAP in München); Mitglied der Preußischen Akademie der Künste; 1939: “Die fünf Erdteile”, Tapisserieserie für das von v. Ribbentrop geleitete Reichsaußenministerium und dessen Architekten Albert Speer, “Deutsche Schicksalsschlachten” bzw. “Marksteine Deutscher Geschichte” (bis 1941) für die Marmorgalerie der “Neuen Reichskanzlei” in Berlin; April 1940 Preußischer Staatsrat; “Festzüge der Planeten”; 1943 Kriegsverdienstkreuz 2. Klasse für künstlerische Arbeit; September 1944 Auslagerung der “Meisterschule für Malerei Werner Peiner unter der Schirmherrschaft des Reichsmarshalls Hermann Göring” nach Gimborn (Gummersbach).

 

III. Stand Peiner als „Kunstmaler“ auf der zwölf Namen enthaltenden Sonderliste „Unersetzliche Künstler“, die 1944 im Zusammenhang mit der 1041 Namen umfassenden staatsoffiziellen „Gottbegnadeten-Liste“ von Goebbels und Hitler veranlasst wurde, so kam auch dieser Nazigünstling nach dem Zweiten Weltkrieg im August 1945 fünf Monate in das britisches Internierungslager in Recklinghausen. Nach Peiner Freilassung Anfang 1946 entstanden Planungen eines Wandgemäldes für das Parlamentsgebäude in Bonn 1949. Im Mai 1951 wurde Peiner in Köln von der Anklage des „Verbrechens gegen die Menschlichkeit entweder aus politischen, rassischen oder religiösen Gründen“ (Doll, Mäzenatentum und Kunstförderung im Nationalsozialismus: 17.) freigesprochen. 1952: Wandteppiche “Sicherung” und “Geschick” für den Gerling-Konzern. 1955: Wandteppich “Zug der Königin von Saba” anlässlich des 1954 erfolgten Besuches des äthiopischen Kaisers Haile Selassie den Ersten. 1986 Forderung des Aachener Schokoladenunternehmers und Kunstwerkehändlers Peter Ludwig (1925-1996), Künstler der NS-Zeit in Museen aufzunehmen.

 

IV. Peiners Werke sind vor allem durch drei Kernelemente geprägt: erstens von einer konservativ, bürgerlich und religiös ausgerichteten Weltanschauung, die während seines Studiums durch seine Lehrer Roeber und Döringer noch verstärkt wurde; zweitens von einer (nach kurzfristiger Annäherung an die durchaus mit monumental-faschistischer Positionen compatible “Neue Sachlichkeit” (Peter Ulrich Hein: Die Brücke ins Geisterreich. Künstlerische Avantgarde zwischen Kulturkritik und Faschismus. Reinbek: Rowohlt, 1992.) Mitte der 1920er Jahre) ästhetisch überlebten malerischen Technik (etwa Mehr-schichtenmalerei) und Sujetwahl, die sich retrogeschichtlich an Spätgotik, nie-derländischen Gobelins und römisch-indisch-chinesischen Repräsentationskunst ausrichtet. Und drittens von der Suche nach Nähe und Abhängigkeit von und zu herrschenden Kräften der Großindustrie (Chemie-, Öl-, Versicherungskartelle) und nationalfaschistischer Spitzenpolitiker zur Sicherung von Mäzenatentum. So gesehen, hat sich Peiner bewusst in den Dienst des nationalsozialistischen Re-gimes gestellt, dessen Vernichtungsideologie (wie Rassengedanke und Eroberungspolitik) bildnerisch überhöht und zu Repräsentation und Festigung der Macht des Regimes beigetragen:

 

V. Dies mag eine Kurzanalyse (Zur Methodik Hanna Deinhard, Bedeutung und Ausdruck. Zur Soziologie der Malerei. Neuwied/Berlin: Luchterhand, 1967, 143 p. [= Soziologische Essays] ) von Peiners seinerzeit so hochgelobtem wie weitverbreitetem Ölbild DEUTSCHE ERDE von 1933 veranschaulichen. Das Bild wurde als schwarz-weiß-Reproduktion vor Jahren veröffentlicht und be-sprochen. ( Hesse, Malerei des Nationalsozialismus: 86-94; 100f) Es war von 1933 bis 1945 im Besitz des letzten deutschen Reichs-kanzlers und gilt heute als „verschollen“. DEUTSCHE ERDE wurde erstausgestellt 1934 auf der Biennale Venedig, sodann 1938 auf der Berliner Ausstellung in der Preußischen Akademie der Künste und auf der Großen Deutschen Kunstausstellung München. Das Bild wurde seit 1933 in zahlreichen Zeitschriften reproduziert und als Postkarte in „Wiechmann Bildkarten“, Reihe „Kunst für alle“, verbreitet. (Eine Farbreproduktion, auf die ich mich folgend beziehe, wurde nach aufwändigen Recherchen auf einer rechten Netzseite gefunden. ( http://www.lesenundschenken.de/index.php?page=search&page_action=query&desc=on&sdesc=on&verf=on&keywords=peiner&x=26&y=1 [Werner Peiner: DEUTSCHE ERDE. 1933. Dort angegebenes Format mit Rahmen etwa 90 X 53 cm]; ein Kunst-„research“-Projekt hat die bisher grauenhafteste DEUTSCHE ERDE-Bildversion in anthrazit-schwarz ins Netz gestellt: http://www.gdk-research.de/)


NS-Maler-Werner-Peiner
 

Quelle: Welt Online – Pesch und Peiners „Deutsche Erde“ von 1933 als Repro – Welcher Sinn? oder was soll hier vermittelt werden?


Peiner beschenkte den letzten deutschen Reichskanzler 1933 mit DEUTSCHE ERDE, einer retouchierten Fortschreibung seines Bilds DER ACKER von 1931, welches noch im weiten Horizont des oberen Bildrands das Wahrzeichen des rheinischen Katholizismus, den Dom zu Köln, erkennen ließ.

Das neue, keineswegs großformatige Bild, wird bestimmt von hellbraunen Ackerfurchen im Mittelpunkt und dunkelgrünlichem, nach oben dichter und höher werdenden, Baumbestand. Im Bild links vorne hinter einem schattenwerfenden, pflügenden Zweispänner ein in Hose und Wams gekleiderter unbemützter Mann. Er kehrt dem Betrachter den Rücken zu und bleibt gesichtslos. Trotz zweier roter Farbtupfer an Mann und Pferd wirkt das Bild durch das bestimmen-de Braun mit dessen politisch-ästhetischer Botschaft eintönig. Dieser Eindruck wird durch die Bewegungslosigkeit als monumentale Statik des Bodens verstärkt.

 

VI. Der „ideologische“ Charakter von Peiners deutschem Erdbild (1933) wird augenfällig beim Vergleich mit dem frühimpressionistischen Ölbild MOHNFELD (1873) von Claude Monet (1840-1926). (Eine eindrucksvolle Bildreproduktion steht auch im Netz. (http://www.kunstgalaxie.de/shop/mohnfeld-argenteuil-claude-monet-p23304.html [Claude Monet: MOHNFELD. 1873. Öl auf Leinwand. Dort angegebenes Format etwa 90 × 70 cm])) Bei formatanaloger Gesamtbildanlage wird hier kontrastive Farblichkeit über zartes Rot und behutsames Grün kompo-sitionell entfaltet. Die vier Menschen, jeweils zwei Frauen mit kleinen Kindern hinten links und groß im Vordergrund halbrechts, haben Gesichter. Monets Mohnbild drückt doppelte Bewegung aus: die Natur ist nicht zu ideologisierendes Feld, sondern wird durch im Bild doppelt gestalteten heftigen Wind, gegen den sich die Frauen und Kinder als Spaziergänger, wenn sie weiterkommen wollen, bewegen müssen, dynamisch.

 

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VII. Dieser knappe Vergleich zeigt nicht nur die malerisch-künstlerische Rückschrittlichkeit Peiners – grad so als sollten, vermittelt durch die besonders die deutsche Kunstszene kurzfristig bestimmende Neusachlichkeit der 1920er Jahre, ästhetische Entwicklungsprozesse von sechs Jahrzehnten zurückgenommen werden zugunsten eines vermeintlich „einfachen Lebens“ (Ernst Wiechert). So gesehen, trifft eine intelligente Kennzeichnung neusachlich bestimmter national-sozialistischer Kunstwerke als „reaktionäre Modernität“(Jeffrey Herf, Reactionary Modernism: Some Ideological Origins of the Primacy of Politics in the Third Reich; in: Theory & Society, 10 (1981) 6: 805–832; http://www.autodidactproject.org/quote/herf1.html)) mit Blick auf Peiners DEUTSCHE ERDE (1933) nicht, weil hier jenseits aller Modernität nur ein reaktionäres Gesellschaftsbild von Acker, Scholle und Boden präsentiert und propagiert wird.

 

VIII. Was die gegenwärtige Marktgängigkeit von Peiner-Werken, die von der Galerie Kümmel (Düsseldorf) als „Moderne Kunst“ (http://www.galerie-kuemmel.de/pages/moderne-kunst/moderne-kunst-4.php) und von van Hamm (Köln) als „Moderne Kunst / Neue Sachlichkeit“ (http://www.van-ham.com/datenbank-archiv/datenbank/werner-peiner.html) geführt werden, betrifft, so bietet der Düsseldorfer Händler nur ein undatiertes Aquarell und der Kölner Händler im Frühjahr 2012 fünfzig Werke an: der Preisbogen spannt von 400 € „Schätzpreis“ (zuzüglich 400 € „Zuschlag“) bis zu 6000 € (zuzüglich 17.000 €) für die bekannte „Zirkusreiterin“ (1928).(http://www.artnet.de/artists/LotDetailPage.aspx?lot_id=124305AE1F91D26DB1E4590058852B44 )

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IX. Am 20. Mai 2012 soll im KunstForumEifel in Gemünd eine Peiner-Ausstellung und Dokumentation unter dem Kurator Pesch eröffnet werden. Dieses Vorhaben kann durchaus im Zusammenhang mit der auch aus öffentlichen Mitteln geförderten touristischen „Vermarktung“ der Nazi-Vergangenheit, die auch „dark, black or grief tourism“ genannt wird (http://en.wikipedia.org/wiki/Dark_tourism (einen entsprechenden deutschsprachigen wikipedia-Eintrag gibt es nicht)) (in) der Eifel (Nationalsozialismus im Kreis Euskirchen. Die braune Vergangenheit einer Region. Hg. Geschichts-verein des Kreises Euskirchen e.V., Weilerswist: Landpresse, ²2007, XIV, 994 p.) im allgemeinen und mit besonderen geschichtlichen Ereignissen oder „Events“ speziell der „braunen“ Jahre wie der Ordensburg Vogelsang 1936-1939 (Franz Albert Heinen, Ordensburgen. Vogelsang, Sonthofen, Krössinsee. Berlin: Ch. Links, 2011, 216 p. ) , ab 1939 Wehr-machtstellung für den Westfeldzug, Westwall 1936, dem „Felsennest“ Hitlers ( Hans-Josef Hansen, Felsennest. Das vergessene Führerhauptquartier in der Eifel. Bau, Nutzung, Zerstörung. Aachen: Helios, 191 p.) in Bad Münstereifel/Rodert, dem „Forsthaus Hülloch“ als Unterkunft für Wehrmachtsoffiziere im Zusammenhang mit dem „Frankreichfeldzug“ vom 10.5.-22.6.1940, schließlich zuletzt der militärstrategisch destruktiven „Ardennenoffensive“ vom 19.12.1944 gesehen werden.
Der gegenwärtige, vom postmodernischen Relativismus und postfaschistischen Nihilismus geprägte Zeitgeist begünstigt und fördert Irrationalismus und Vergangenheitsverklärung auch in Form von Vergangenheitsverherrlichung des Nationalsozialismus und seinen bauwerklichen, militaristischen und bildnerischen Hervorbringungen.
Dagegen regt sich auch in der Eifelregion Widerstand: das Bündnis “Eifel gegen Rechts” und das “Bündnis gegen Rechtsextremismus” sprachen sich öffentlich gegen die Peiner-Ausstellung aus und kritisierten den „in rechten Kreisen gehandelten“ Mythos Peiner. Und Mitte April 2012 trat der langjährige Kreisvorsitzende der Unabhängigen Wähler, Axel Gerth, aus der UWV-Kreistagsfraktion aus: er lehnte die von Pesch geplante Peiner-Ausstellung ab ( http://www.euskirchen-online.ksta.de/html/artikel/1334494356523.shtml).

 

 


Erläuterung über das Plakat:
1939 erhielt der nationalsozialistische Propagandamaler Werner Peiner den Auftrag, acht Wandteppiche für die Marmorgalerie der Reichskanzlei in Berlin mit „deutschen Schicksalsschlachten“ in den Maßen 10 m x 5,40 m zu fertigen.

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Zusammen stellten die ausgewählten Ereignisse ein Programm dar, das den Nationalsozialismus in die Kontinuität deutscher Geschichte stellen sollte. Es handelte sich um:
- Die Schlacht im Teutoburger Wald, (Jahr 9);
- König Heinrich I. in der Ungarnschlacht, (15. März 933);
- Die Belagerung der Marienburg, (1410);
- Die Türken vor Wien, (1529);
- Friedrich der Große bei Kunersdorf, (12. August 1759);
- Die Schlacht bei Leipzig, (16. – 18. Oktober 1813);
- Die Tankschlacht von Cambrai, (20. November – 7. Dezember 1917);

 

Der achte, nicht überlieferte Entwurf, sah ein Ereignis aus der NS-Zeit vor, also eine entscheidende Schlacht aus dem II. Weltkrieg.

 

 

Plakatabbildung

Die Abbildung auf dem Plakat zeigt einen Ausschnitt aus dem Wandteppich „Die Schlacht im Teutoburger Wald“, auf welchem eine Darstellung des Cherusker-Fürsten Arminius umgeben von germanischen Kriegern zu sehen ist. Allerdings wurde die vierfarbige Originaldarstellung auf eine grün/weiße reduziert.

Bei der Schlacht im Teutoburger Wald im Jahr 9 unserer Zeitrechnung erlitten drei römische Legionen samt Hilfstruppen, was einem Achtel des gesamten römischen Heeres entsprach, unter ihrem Feldherren Varus eine vernichtende Niederlage gegen ein germanisches Heer unter Führung des Arminius (zu deutsch: „Hermann“). Damit endeten die Versuche der Römer, sich das rechtsrheinische Gebiet Germaniens zu unterwerfen.
Mit dem Aufkommen der Romantik und des Nationalismus, vor allem während der Befreiungskriege gegen Napoleon (1813 – 1815), wurde Arminius zu einer nationalen Leitfigur –und ist es bis heute geblieben.(*)

Insbesondere die Nazis bezogen sich auf diesen nationalen Gründungsmythos. Mit dem Wandteppich sollte der historische Anspruch der Nationalsozialisten auf die deutsche Geschichte und ein neues, III. Reich in der Tradition des »Tausendjährigen Reiches« unterstrichen werden. Das I. Deutsche Reich, auch »Heiliges römisches Reich deutscher Nation« genannt, ging auf das Frankenreich unter Karl dem Großen um 800 zurück und wurde offiziell erst im Jahre 1806 von Napoleon Bonaparte aufgelöst. Das II. Reich, als „Deutsches Kaiserreich“ bezeichnet, bestand von 1871 bis 1918.

Die nationalsozialistische Agitation ist bei der abgebildeten Schlachtszene durch NS-Symbolik unterstützt: im Ausschnitt kann man auf dem Schild des Arminius Sigrunen, wie sie auch von der SS benutzt wurden, erkennen.
________________________

 

 

 

(*) Die Orte der Schlacht wurden an verschiedenen Stellen vermutet. Früher ging man vom Teutoburger Wald aus, wo das kolossale Hermannsdenkmal bei Detmold seit 1875 an die Schlacht erinnert. Seit Ende der 1980er Jahre wurden systematische archäologische Grabungen an einem Fundort in Kalkfriese am Wiehengebirge im Osnabrücker Land durchgeführt. Viele Indizien sprechen dafür, dass dies der Ort des antiken Geschehens gewesen sein könnte. Seit dem Jahr 2000 existiert dort der »Museumspark Varusschlacht« mit einem 40 Meter hohen Aussichtsturm, von dem aus das Schlachtfeld überblickt werden kann, das man sich zu Fuß über verschiedene Stationen erschließt. In einem großen Museumsbau sind mehr als 3000 Fundstücke zu finden.
Da diese versteckten Anspielungen Werner Peiners nicht ausreichen, um das Bild auf den ersten Blick als Propaganda zu identifizieren, wurde ein großes, bräunliches Hakenkreuz aufgelegt, dessen textiler Hintergrund zudem die gewebte Struktur der Vorlage verdeutlicht.
Die rot unterlegten Textbereiche des Plakates heben die in grün gehaltene Abbildung in ihrer Mitte hervor. Dieser Effekt ergibt sich unter anderem daraus, dass rot und grün Komplementärfarben sind, sich im Farbspektrum also gegenüber stehen.
Betrachtet man das Plakat von weitem, sticht besonders das Hakenkreuz hervor. Es macht deutlich, dass es sich hier um Nazi-Kunst handelt, gegen die es vorzugehen gilt.
Bernd Langer, Mai 2012

 

Den Peiner-Mythos kommentierte nun plötzlich und aspekthaft auch Peiner-Ausstellungsinitiator Pesch. Nach dessen neuerlichen (Kunstkennern seit Jahr-zehnten bekannten) Einsichten war Peiner

„einer, der vor 1933 bereits nationalsozialistisches Gedankengut vertrat, der 1937 Mitglied der Nazipartei wurde, als zunehmend klar wurde, dass die Chance auf ein Sponsoring durch den Naziführer Hermann Göring bestand, und einer, der 1945 nicht aufhörte, NS-Gedankengut zu vertreten […] Die Gemälde des Nazi-Favoriten fanden sich alsbald im Reichsluftfahrtministerium und in Görings Landsitz „Carinhall“. In Hitlers Privatbesitz befand sich das Bild „Deutsche Erde“ als Geschenk der Gemeinde Mechernich anlässlich der Verleihung der Ehrenbürgerwürde an den Diktator. – Der Maler genoss seinen Ruhm in der Hierarchie der systemkonformen Künstler in vollen Zügen. Und er lebte nicht schlecht davon. Für 1940 gab Peiner selbst sein Einkommen aus künstlerischer Arbeit mit 96.000 RM an: etwa das Zehnfache eines Normalverdieners […] Dass er nach 1945 bemüht war, seine Nazi-Verbindungen möglichst kleinzureden, lag auf der Hand. Peiners Autobiografie ist insofern von Klittern und Verschweigen geprägt und verrät nichts über seine wirkliche Haltung.“

(F. A. Heinen, „Mythos Peiner“ soll zerstört werden:
http://www.ksta.de/html/artikel/1333640821724.shtml )

 

X. Soweit zur Causa Peiner/Pesch. Bleibt die Doppelfrage: wenn das so war und wenn das so ist – wozu dann diese „Werkschau“ dieses Nazi-Malers? Und warum nicht Nazimaler Peiner rechts liegen lassen und stattdessen „vor-Ort“-Präsentationen der von den Nazis verfemten und verfolgten, sich ebenfalls auf das Sujet Eifel/Landschaft malerisch beziehender Künstler wie der linken Antifaschisten (Zu Barz (*30. August 1895 in Düsseldorf †19. Oktober 1982 in Margraten/Niederlande): Mathias Barz. Zum 85. Geburtstag des Künstlers. Ausstellung im Stadtmuseum Düsseldorf [10.-19.10. 1980];) Mathias Barz und Hanns Kralik versuchen?


Wilma Ruth Albrecht (*1947 in Ludwigshafen/Rhein) ist eine deutsche Sozial- und Sprachwissenschaftlerin (Lic; Dr.rer.soc.) mit den Arbeitsschwerpunkten Literatur-, Politik- und Architekturgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts. Sie lebt (seit 2005 als freie Autorin) in Bad Münstereifel. – Letzte Buchveröffentlichungen: Bildungsgeschichte/n (Aachen: Shaker, 2006) – Harry Heine (Aachen: Shaker, 2007) – Nachkriegsgeschichte/n (Aachen: Sha-ker, 2008). Die Autorin veröffentlichte 2007 das wiesenhausblatt – e-Blätter für Schöne Literatur (-> http://www.wiesenhausblatt.de) und arbeitet seit Ende 2008 an ihrer Romantrilogie des letzten Jahrhunderts EINFACH LEBEN. – Aktuell publizierte Wilma Ruth Albrecht literarisch in der Zeitschrift Chaussee 26/2010 die historische Erzählung Briefe an Jenny [Aus-wahl] sowie im Sammelband FLASCHEN POST (2011) die Dokumentarerzählung SPARTAKISTEN. Hochschulsommer neunzehnhundertsiebzig (-> http://gegen-den-strom.org) und wissenschaftlich in den Zeitschriften soziologie heute 14/2010 Wer von den Produktionsverhältnissen nicht reden will, sollte vom malerischen Schaffen schweigen: Illustrierte These zur Malerei als Prolegomena einer speziellen Soziologie der Künste und 20/2012 Heine als Soziologe, im FORUM WISSENSCHAFT 1/2012 über Kunst im antifaschistischen Exil und 2/2012 gegen Nazi-Kunst, im Kritiknetz ihre Parlamentarismus- und Psychiatriekritik (2009/10), im Jahrbuch für Forschungen zur Geschichte der Arbeiterbewegung II/2010 Arbeiterbewegung und literarische Familienchronik, I/2011 zur „Sickingen-Debatte“ (Marx – Engels – Lassalle) und II/2012 zur Liberalismusdebatte in der DDR und in Aufklärung und Kritik I/2008 Rechtsstaat als Ideologie, II/2009 Psychologie ohne Logos, III/2011 zur Vergangenheit deutscher Diplo-maten und IV/2011 Feuerbachs Religionskritik und der historisch-dialektische Materialismus.


Externe Links

http://de.wikipedia.org/wiki/Wilma_Ruth_Albrecht
http://www.grin.com/profile/16255/wilma-ruth-albrecht
http://soziologieheute.wordpress.com/2010/09/29/ruth-wilma-albrecht/
http://www.shaker.de/de/content/catalogue/index.asp?lang=de&ID=21&ISBN=978-3-8322-6506-9
https://portal.dnb.de/opac.htm?method=showFirstResultSite&currentResultId=wilma+ruth+albrecht%26any&currentPosition=20

zuletzt Hans-Dieter Arntz: http://www.hans-dieter-arntz.de/der_maler_otto_pankok.html – Zu Kralik (*27. Mai 1900 in Neufeld an der Leitha †9. Mai 1971 in Düsseldorf) zuletzt Sylvia Brecht; Ines Grau; Jürgen Schuh u.a., Gesichter des deutschen Widerstandes. Lya und Hanns Kralik. Hg. Aktion Sühne-zeichen Friedensdienste; Foyer le Pont, Paris; VVN-BdA [Düsseldorf 2010]; Wilma Ruth Albrecht, „Mensch – wie stolz das klingt“: Über Künstler, Kunst & Gesellschaft; FORUM WISSENSCHAFT 1/2012: 58-61

© Autorin (2012)

 

 

 

 

 http://www.kunstundkultur-online.de/kuenstler.html#eifel

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