Es ist mittlerweile der vierte Naziaufmarsch unter dem gleichen Motto, der am 2. Juni 2012 in Hamburg stattfinden soll. Mit jeweils einem Jahr Abstand fanden die vorigen Aufmärsche in Pinneberg, Hildesheim und Braunschweig (bzw. Peine) statt.
Was bisher geschah
Die bisherigen drei Aufmärsche wurden fast ausschließlich von organisierten Nazis besucht. Nach dem Auftakt in Pinneberg mit über 200 Teilnehmern waren es in den letzten beiden Jahren jeweils um die 700. Die Strategie der Behörden im Umgang mit den Aufmärschen war es, den Faschisten kurze Wegstrecken (Hildesheim) oder Kundgebungsplätze (Braunschweig) zu genehmigen, die dann - hermetisch abgeriegelt - zum Freigehege für die Nazis wurden. Ungehindert von Protesten und gut geschützt von der Polizei konnten sie einmal ihre Rundedrehen bzw. ihre Reden halten, ehe sie sich wieder auf den Weg machten.Der letzte Aufmarschversuch in Braunschweig brachte dann die Neuerung, dass die Stadt Peine den Nazis erlaubte, nachdem sie in Braunschweig nur eine Kundgebung abhalten konnten, ihren Aufmarsch dort durchzuführen. Die dort weniger gut positionierte Polizei reagierte auf die antifaschistischen Proteste in Peine mit der, ihr in weniger überschaubaren Situationen eigenen, Brutalität. Zusammenfassend kann man sagen, dass sich die Aufmarschserie unter dem Motto „Tag der deutschen Zukunft“ in einer kritischen Phase befindet. Einerseits ist es den Organisatoren gelungen, die ersten paar Anläufe zu meistern und zumindest den harten Kern der Naziszene zu mobilisieren. Andererseits haben sie das Problem, dass Rassismus, wenn er von expliziten Nazis kommt, derzeit nicht in der Breite anschluss- und mobilisierungsfähig ist, sie bleiben bei ihren Aufmärschen unter sich. Selbst wenn ihnen Städte wie Peine das Gefühl geben, allen ein Schnippchen geschlagen zu haben, hätte das Unter-sich-bleiben ohne Publikum auf Dauer den Charme eines Betriebsausfluges und würde die Nazis nicht wirklich voranbringen.
Jammermärsche und Rassismus
An wiederholten, überregionalen Aufmärschen von Faschisten in Deutschland wären in den letzten Jahren vier zu nennen: Bad Nenndorf, Magdeburg, Dresden und der „Tag der deutschen Zukunft“. Die ersten drei sind Jammermärsche, ihr Thema ist neben der Bombardierung von Städten im Zweiten Weltkrieg (Magdeburg, Dresden) die Behandlung von Nazikriegsverbrechern nach eben jenem Weltkrieg (Bad Nenndorf). Hier wird sich beschwert, dass das, was Nazi-Deutschland über die Welt brachte, später auf Deutschland zurückschlug. In gewissem Maße können sie bei diesen Themen an bereits bestehende Haltungen, wie sie auch in offiziellen Gedenkveranstaltungen zu finden sind, anknüpfen. Aber auch intern genießen Jammermärsche bei den Nazis Beachtung. Wie schon bei den Aufmärschen in Wunsiedel zum Grab des Hitlerstellvertreters Heß ziehen Veranstaltungen wie in Magdeburg und Dresden bis zu mehreren tausend Teilnehmern. Es ist typisch für Nazis, dass sie, die das Recht, ja das Überleben des Stärkeren zum höchsten Prinzip erklären, stets darüber jammern, dass man sie nicht machen lässt. Nazis jammern eigentlich immer darüber, dass sie Opfer seien – genau so lange, bis sie in der Lage sind, andere zu Opfern zu machen. Das war schon beim Aufstieg der Nazis im 20. Jahrundert so und hat sich seitdem nicht geändert. Jammern und andere zu Sündenböcken für die eigene Situation stempeln und sobald man kann, andere leiden lassen, das ist Faschistenlogik. Da hinein passt das rassistische Motto der Aufmärsche, das von „Überfremdung“ spricht. Immer noch mehr Menschen werden arm, sind angewiesen auf Arbeit zu Hungerlöhnen oder durch „Hartz IV“ aus der restlichen Gesellschaft ausgegrenzt. Hierfür sucht die faschistische Hetze die Schuld bei bestimmten Gruppen. Das ist grundlegend falsch, weil die Gründe für die Probleme in einem gesamtgesellschaftlichen und weltweiten System namens Kapitalismus liegen. Diese falsche Sichtweise ist jedoch kein Versehen, keine aus Versehen falsch angesetzte Kapitalismuskritik. Sie richtet sich nämlich ausgerechnet gegen Leute, die mit besagten Problemen besonders zu kämpfen haben. Opfer von Nazigewalt werden eben nicht diejenigen, die in Politik und Wirtschaft aktiv daran arbeiten, Menschen in Armut zu drängen – was es auch nicht richtiger machen würde – sondern die Schwächsten der Gesellschaft, wie Flüchtlinge, Einwanderer und Obdachlose.
Ein erfolgter Aufmarsch ist ein erfolgreicher Aufmarsch!
So sehen es die Nazis jedenfalls. Dass die Polizei ihnen Mal für Mal die Straße freiräumt, antifaschistische Proteste kriminalisiert und angreift, blenden sie geflissentlich aus. Sie nutzen Aufmärsche und andere Aktionen dafür, neue Leute zu gewinnen, präsentieren sich als stark genug, ihre Hetze auf die Straße zu bringen - dabei sind sie wohl die am besten vom Staat umhegte, geschützte und unterstützte Minderheit überhaupt. Genau darum ist Wegsehen keine Option, im Gegenteil: Je effektiver der Widerstand gegen Aufmärsche ist, um so mehr nimmt er ihnen den gewünschten Erfolg.
Lassen wir sie jammern!
Es hängt stark vom Willen der politisch Verantwortlichen ab, wie der Schutz für die Faschisten ausfällt, ob Blockaden von der Polizei mit aller Gewalt weggeprügelt werden, die Naziroute verkürzt oder der Aufmarsch gar als undurchführbar erklärt wird. Erfolgreicher Widerstand, wie der gegen den jährlichen Aufmarsch in Dresden, ist dennoch möglich. Wenn genügend Menschen auf die Straße gehen, ist es möglich, Aufmärsche zu stoppen. Eine Großstadt wie Hamburg hat das Potenzial dazu dafür zu sorgen, dass die Aufmarsch-Serie "Tag der deutschen Zukunft" gar nicht erst an Fahrt gewinnt, sondern nach der Niederlage in Braunschweig und dem 2.-Klasse Aufmarsch in Peine weiter richtung Bedeutungslosigkeit stolpert. Nazis wollen jammern? Geben wir ihnen Grund dafür!
Jugend Antifa Aktion (JAA) & Antifaschistisches Plenum 2012
Busanreise
Es wird einen Bus aus Braunschweig für die gemeinsame Hin- und Rückfahrt geben!