Stellungnahme der Antifaschistischen Revolutionären Aktion Berlin (ARAB)
zu der „Occupy“-Bewegung in der BRD und den aktuellen Protesten gegen
die Auswirkungen der kapitalistischen Krise.
I Athen, New York, Berlin
Ob
die Platzbesetzungen in Spanien, die sozialen Revolten in England, die
Jugendrevolten in den französischen Banlieues, die Massenbewegungen in
Griechenland oder die Occupy Wallstreet Bewegung in den USA – Überall in
der Welt lehnen sich Menschen gegen ihre, vom kapitalistischen System
aufgesetzte Entmündigung auf. Die Bewegungen und ihre Aktionsformen sind
so vielfältig wie international. So besetzen in Spanien tausende
Menschen Plätze und hielten diese mit weitgehend friedlichen Mitteln,
während in Griechenland,Frankreich und England wie auch in Chile sowohl
mit Platzbesetzungen als auch mit militanten Aktionen gegen Symbole des
Kapitalismus und der Staatsmacht versucht wurde, dem Protest Ausdruck zu
verleihen.
Spätestens seit dem 15. Oktober diesen Jahres, als 15 000 in Berlin und
einige Tausend in Frankfurt auf die Straße gingen, hat sich auch in
Deutschland eine Bewegung herausgebildet, welche es sich zum Ziel
gemacht hat „echte Demokratie“ zu erstreiten und die Macht der Banken
und Konzerne zu brechen. Anders als in anderen Ländern steht die
Bewegung hierzulande noch am Anfang – und zwar sowohl, was ihre
Kapitalismuskritik anbelangt, wie auch in Bezug auf ihre Aktionsformen.
Der Staat wird nicht als Gegner, sondern als „Freund auf Irrwegen“
angesehen. So bleibt die Polizei trotz massivem Schlagstock- und
Pfeffersprayeinsatz, dem Unterbinden jeglichen Versuchs ein Camp oder
andere Strukturen aufzubauen der „Freund und Helfer“, dessen Anweisungen
ohne Widerstand folge zu leisten sind. Kritik an den bestehenden
Verhältnissen wird noch allzu oft als Hoffnung auf einen „besseren“
Kapitalismus ohne „Zocker_Innen“ formuliert. Die Bewegung muss über
diese ihre Schranken hinauswachsen, wenn sie nicht wirkungslos verpuffen
will.
II „Besserer Kapitalismus“
Wenn nun selbst
Vertreter_Innen von CDU, FDP, SPD und Grünen – allesamt Parteien, bei
denen Sozialraub, Umverteilung von unten nach oben und Kriege zum
Hauptaufgabengebiet zählen – meinen, ihr „Verständnis“ für die Proteste
äußern zu müssen, und gar Wolfgang Schäuble vor einer „Krise des
demokratischen Systems“ warnt, sollte uns das zu denken geben.
Lob
von dieser Seite ist keineswegs etwas, worüber man sich freuen sollte.
Vielmehr ist es ein Indiz dafür, dass wir noch nicht weit genug gehen –
weder in unseren Forderungen, noch in der Art und Weise sie zu
vertreten.
Sicher sind Finanzmärkte, Banken, Hedgefonds und
Ratingagenturen die zurzeit sichtbarsten Akteure einer irrationalen
kapitalistischen Ökonomie. Aber es ist keineswegs so, dass es eine
„böse“ Finanz- und eine „gute“ Realwirtschaft gibt. Und es ist ebenfalls
keineswegs so, dass die Krise nur ein durch die „Gier der Zocker_Innen“
verschuldeter Betriebsunfall einer ansonsten blendend funktionierenden
Produktionsweise ist.
Das Problem ist der Kapitalismus im
Ganzen. Zu ihm gehört die Ausbeutung der Arbeitskraft der Mehrheit der
Bevölkerung ebenso wie Krisen, Kriege und Unterdrückung. Zur
kapitalistischen Krise gehört im Moment nicht nur die weitere
Verschlechterung der Lebenssituation großer Teile der Bevölkerung durch
sogenannte Sparpakete zur Finanzierung milliardenschwerer
„Bankenrettungsschirme“. Auch dazu gehören die katastrophalen
Arbeitsbedingungen von Kurz- und Leiharbeiter_Innen, prekär
Beschäftigten und Arbeiter_Innen im Billiglohnsektor. Und ebenso gehört
zur Krise die Unterwerfung der Länder der europäischen Peripherie, allen
voran Griechenlands, unter das Diktat von EU und IWF. Die
unterschiedlichen Kämpfe – ob gegen schlechte Arbeitsbedingungen,
Hartz-IV, Militarismus, Rassismus,die aktuelle Flüchtlingspolitik oder
den Spekulationswahn der Banken und Finanzinvestoren – müssen
zusammengefasst und gegen den gemeinsamen Gegner gerichtet werden und
zwar auf einer internationalen Ebene.
III Was tun?
1968
zitierte eine Revolutionärin einen Aktivisten der schwarzen
Bürgerrechtsbewegung in den USA mit den Worten: „Protest ist, wenn ich
sage, das und das passt mir nicht. Widerstand ist, wenn ich dafür sorge,
dass das, was mir nicht passt, nicht länger geschieht.“ Die
Occupy-Bewegung ist der Ausdruck eines Unbehagens, einer Empörung gegen
die bestehenden Verhältnisse. Um diese verknöcherten Verhältnisse aber
zum Tanzen zu bringen, sie aufzubrechen und zu überwinden, ist mehr
nötig. Es sind keine Revolutionen, die auf den Plätzen stattfinden, nur
ein erstes, zartes Aufbegehren. Revolutionen brauchen einen langen Atem,
und sie brauchen Organisierung, die den Augenblick überdauert. Sicher,
wir alle sind Individuen. Aber kollektives Handeln und gemeinsame
Organisierung steht dem nicht entgegen. So wie der Mensch erst in
Gesellschaft zum Individuum wird, so wird auch der Protest des/der
einzelnen erst durch und im Kollektiv zielgerichtet und wirkungsvoll.
Wir müssen eine gemeinsame Infrastruktur aufbauen wie die kämpfende
griechische Bevölkerung am Syntagma-Platz; wir müssen die verschiedenen
Kämpfe zusammenführen, unsere Kräfte bündeln; wir sollten neue Formen
zivilen Ungehorsams entwickeln, uns entschlossener die Freiräume nehmen,
die wir brauchen. Die Ereignisse in Oakland von Anfang November sind
Positivbeispiele dafür.Dort hatten Aktivist_Innen, wegen der schweren
Verletzung eines Demonstranten eine Woche zuvor, zum Generalstreik
aufgerufen und im Zuge dessen den Hafen besetzt und die Arbeit dort zum
erliegen gebracht. Wir dürfen uns nicht in „gute friedliche“ und „böse
gewaltbereite“ Demonstrant_Innen spalten lassen. Nur gemeinsam sind wir
stark und handlungsfähig und nur so können die Occupy-Proteste eine
Etappe auf dem langen Weg zu einer neuen, menschenwürdigen
Gesellschaftsordnung werden.
IV „Echte Demokratie jetzt“
Nicht
zuletzt brauchen wir Diskussionen über gemeinsame Ziele. Wenn wir etwa
„echte Demokratie jetzt“ fordern, muss uns klar sein, dass diese „echte
Demokratie“ nicht einfach die „Verbesserung“ des bürgerlichen
Parlamentarismus sein kann. Alle paar Jahre ein Kreuz bei einer der
mittlerweile ohnehin kaum noch zu unterscheidenden Elendsverwalter_Innen
der etablierten Parteien zu machen, kann keine Lösung sein. „Wirkliche“
Demokratie kann nur bedeuten, neue Formen der Selbstbestimmung und
Selbstermächtigung auszuprobieren, gegen Hindernisse durchzusetzen und
dem parlamentarischen System Schritt für Schritt die Machtgrundlage zu
entziehen. Wir brauchen keine „Appelle“ an die Herrschenden, wir können
uns nur selbst befreien. Und „wirkliche Demokratie“ darf nicht vor den
Toren der Ökonomie haltmachen. Banken, gesamtgesellschaftlich relevante
Bereiche wie Wasser- oder Gesundheitsversorgung, Großkonzerne sowie
Grund und Boden dürfen nicht der Willkür privatkapitalistischen
Eigentums überlassen werden, sondern müssen unter die Kontrolle der
gesamten Gesellschaft gestellt werden. Banken und Konzerne zu enteignen,
dass ist keineswegs eine unrealistische und abstrakte Forderung, es ist
im Gegenteil ein erster Schritt zur einzig realistischen Lösung des
Problems: Der Überwindung des Kapitalismus.
V Kämpfe verknüpfen
Die
Bewegung in Deutschland steht – verglichen mit anderen Ländern wie
Chile, Griechenland oder Spanien – erst am Anfang. Es ist wichtig, dass
wir nicht nur Kapitalismuskritik im Allgemeinen üben, sondern auch die
konkreten, lokalen Kämpfe in die Bewegung einbeziehen. Sei es der Streik
bei dem Charité facillity Management (CfM), die am 17. November
beginnenden Proteste gegen die katastrophale Situation an Universitäten
und Schulen oder die Proteste gegen den Krieg in Afghanistan im
Dezember. Es gilt jetzt über die allgemeine und spontane Empörung
hinauszugehen und konkrete Ziele zu formulieren, Nah- und Fernziele.
Welche das sind, müssen wir gemeinsam diskutieren: Ob Abschaffung der
Hartz-IV Armutsgesetze, die Rekommunalisierung der Betriebe der
öffentlichen Daseinsvorsorge, die Verstaatlichung oder
Vergesellschaftung von Großbanken und Konzernen, Wohnraum für alle oder
ein Ende der deutschen Unterwerfung von Staaten der europäischen
Peripherie – der Kapitalismus gibt genug Anlass. All diese Forderungen
können wir nicht erbetteln, wir müssen sie erkämpfen und in diesem Kampf
stärker und größer werden, bis sich vielleicht eines Tages der
praktische Beweis erbringen lässt, dass der Kapitalismus nicht das Ende
der Geschichte ist.
Für eine Welt ohne Ausbeutung und Unterdrückung!
Make Capitalism History!
Antifaschistische Revolutionäre Aktion Berlin
arab.antifa.de
nächste Termine:
11.November | 11:11 Uhr | Humboldt Uni
„Noch sind wir Narren – Karneval der Empörten“
11.November | 20:30 | Zielona Gora Grünberger Str.72
„Great Crisis Riseup – Infoveranstaltung“
12.November | 12:30 Uhr | Hautpbahnhof
„Banken in die Schranken – Demo und Regierungsumzingelung“
17.November | 12 Uhr | Rotes Rathaus
„Kostenlose Bildung für alle – Bildungsstreikdemo“
19.November | 11 Uhr | Friedrichstrasse
„Solidemo für Charite-Streik“
Text als PDF zum Drucken & Verteilen
Hier der Text als gelayoutetes Flugblatt zum selberausdrucken und verteilen:
http://arab.blogsport.de/images/crisis.pdf
ZEIT ZU INTERVENIEREN!
Starkes Flugblatt!
Trotzdem sollten wir uns langsam mal mit der Rechtsoffenheit der Berliner Gruppe "Occupy Reichstag" auseinandersetzen.
http://reflexion.blogsport.de/2011/11/10/der-querfrontler-ein-occupy-akt...
"Else" Elsässer geht garnicht!!!