Koordinierte Neonazi-Outings in Hessen

Nazis aus der Deckung holen

In den letzten Tagen wurden in ganz Hessen Neonazis durch antifaschistische Outings aus der Anonymität gerissen. Antifaschist*innen aus ganz Hessen reagieren damit koordiniert und geschlossen auf die zunehmende Vernetzung und vermehrte Übergriffe der Neonazis. Weitere Aktionen werden folgen.

 

Am Sonntag, den 6. November 2011 führen Antifaschist*innen aus Hessen koordiniert Outings bei organisierten Neonazis im Lahn-Dill-, Wetterau-, Main-Taunus- und Main-Kinzig-Kreis durch. Bereits einige Tage zuvor wurden in Bensheim (Südhessen) Neonazis geoutet. Die Nachbarschaft wurde über die Aktivitäten und das menschenverachtende Weltbild der Neonazis aufgeklärt. Redebeiträge machten darauf aufmerksam, dass die Neonazis in ihrem Wohn-Umfeld bisher weitestgehend unbehelligt leben konnten, und kaum auf Widerstand in der Dorfbevölkerung stoßen. Obwohl sie durch jahrelange Neonazi-Aktivität seit langem in der Öffentlichkeit stehen, und auch den Anwohner*innen ihre Gesinnung nicht unbekannt ist, wird den Neonazis so ein Rückzugsraum geboten.


Die Wahl der geouteten Neonazis erfolgte nicht zufällig. Beispielhaft wurden Aktivitäten und Wohnort von verantwortlichen Neonazis aus der Parteistruktur der NPD und den so genannten „Freien Kameradschaften“ offen gelegt. Die koordinierten Outings verstehen wir als Antwort auf die zunehmende Vernetzung organisierter Neonazis in ganz Hessen. Auch die vermehrten – teils brutalen – Übergriffe und das selbstbewusste Auftreten der Neonazis in der Öffentlichkeit verlangen eine entschlossen Reaktion.

Wir verstehen Outing-Aktionen als wichtigen Teil antifaschistischer Arbeit. Neonazis werden so aus der Anonymität gerissen, das Umfeld wird auf ihr menschenverachtendes Weltbild aufmerksam gemacht. Indem die Anwohner*innen für das Thema sensibilisiert werden, erfolgt ein erster Schritt, den Neonazis Rückzugsräume zu nehmen. Sie müssen im Alltag ständig zu spüren bekommen, dass sie unerwünscht sind, und dass ihre menschenverachtende Ideologie auf Ablehnung stößt. Denn die Erfahrung zeigt, dass Neonazis nur dort lange bleiben, wo sie ungestört sind.

In absehbarer Zukunft wird es weitere Aktionen dieser Art geben. Wer für gesellschaftliche Verhältnisse eintritt, die nicht nur auf Unterdrückung und Ungleichbehandlung von Menschen aufbauen, sondern bei denen die Verfolgung und Vernichtung ganzer Menschengruppen der zentrale Punkt ist, der muss auch in Zukunft mit antifaschistischer Gegenwehr rechnen.

antifaschistisches Komitee Hessen, November 2011

Im Folgenden werden die geouteten Neonazis kurz vorgestellt. Die verteilten und hier verlinkten Flyer enthalten weitere Infos.

Unverbesserliche NPD-Kader in der Provinz: Stefan Jagsch und Daniel Knebel (Altenstadt, Wetterau)

Jagsch und Knebel gehören zur Führungsriege der hessischen NPD und der Jugendorganisation JN. Sie sind somit mitverantwortlich für die Organisation und Durchführung diverser Nazi-Aufmärsche. Bei den Aufmärschen von der NPD/JN treten beide auch regelmäßig als Redner auf und verbreiten somit das menschenverachtende Weltbild der NPD in der Öffentlichkeit. Doch auch zu gewaltbereiten Neonazis aus so genannten „Freien Kameradschaften“ wie etwa den „Nationalen Sozialisten Rhein-Main“ hegen die beiden gute Kontakte.

Outing-Flyer zu Stefan Jagsch und Daniel Knebel
 
Nachwuchs-Kader und engagierter NSRM-Trabant: Dominik Fischer (Bruchköbel, MKK)

Dominik Fischer tritt seit mehr als 3 Jahren öffentlich als Neonazi auf. Er unterhält neben seinen Aktivitäten bei den NSRM auch einen engen Kontakt zu NPD Funktionären, wie dem ebenfalls geouteten JN-Landesvorsitzenden Stefan Jagsch. In letzter Zeit fällt Fischer vor allem dadurch auf, bei Neonazi-Aufmärschen zu filmen, und die Videos anschließend bei YouTube hochzuladen. Während dem Outing, das die gesamte Familie Fischers interessiert verfolgte, versuchte dieser offenbar völlig wild geworden auf die Antifaschist*innen loszugehen. Dominik musste von Mutter und Großvater zurückgehalten werden.

Outing-Flyer zu Dominik Fischer

„Fußsoldat“ der NSRM und Anti-Antifa-Aktivist: Kai König (Eschborn, MTK)

 

König ist fest in organisierte Strukturen gewaltbereiter Neonazis eingebunden und nimmt bundesweit an Neonazi-Veranstaltungen und -Aufmärschen teil. Er gehört zum engsten Kreis, allerdings nicht gerade zu den führenden Köpfen der so genannten „Nationalen Sozialisten Rhein-Main“ (NSRM). Die inhaltliche Arbeit überlässt er lieber anderen. Seine Stärken sieht er stattdessen in seinem aggressiven Auftreten und prinzipieller Gewaltbereitschaft.

Outing-Flyer zu Kai König

Gewaltbereite und organisierte Sauf-Nazis: Franko Naujeck, Kai Raimund und Krister Weber (Bensheim, Bergstraße)

 

An der Bergstraße lässt sich seit Anfang des Jahres eine Steigerung rechter Aktivitäten feststellen. Mehrere Neonazis, die aus dem Umfeld der 2006 aufgelösten »Kameradschaft Bergstraße« stammen, sind aus der Versenkung aufgetaucht. So auch Franko Naujeck und Kai Reimund, die beide eher peripher an dieser Gruppierung beteiligt waren. Auch Krister Weber hat eine ähnliche Vergangenheit, wohnte er doch vor wenigen Jahren mit dem »KSB«- und späteren »Kameradschaft Darmstadt«-Kader Andreas Jeckel (mittlerweile nicht mehr aktiv) in Bensheim-Auerbach und war im Umfeld der »Kameradschaft Darmstadt« aktiv.

Artikel auf Indy linksunten zu den Outings von Neonazis in Bensheim

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Am späteren Abend wurde in Biblis der Nazi Nicolay Molitor („Nationale Sozialisten Ried“) geoutet: https://linksunten.indymedia.org/de/node/49851

 

Auch in Zukunft gilt: Es gibt kein ruhiges Hinterland! Nazis aus der Anonymität reißen! Nazis und ihren Strukturen offensiv entgegentreten!

Naziradar wird von sehr suspekten Personen betrieben. Infos sind nicht sicher. Bei der Outingaktion wurden neben seit langem bekannten Neonazis(Jagsch,Knebel[kandidiert dort z.B. als NPD-Bürgermeister]) auch mindestens ein Nicht-Nazi als solcher geoutet.

Unseriöse Gruppe - neben peinlicher Aktion an sich auch die Falschen erwischt. Spitzel und Provokateure raus. Infos über Nazis bitte an die regionalen Antifa-Gruppen in Hessen und nicht an das Nazis-Radar!!!

Siehe hier:

http://www.mittelhessen.de/lokales/region_wetzlar/asslar/626745_Linker_Protest_vor_falschem_Haus.html

Leider müssen wir bestätigen, dass uns bei der Outing-Reihe ein grober Fehler unterlaufen ist, der nicht zu entschuldigen ist. Der in Aßlar geoutete Thorsten Gross ist nicht das vermutete langjährige Mitglieder der NPD Lahn-Dill. Wir sind uns über die Dimension dieses Fehlers bewusst.

 

@Mods: Um den Schaden wenigstens zu minimieren, wäre es schön, wenn ihr den Absatz und Outing-Flyer zu Thorsten Gross löschen könnten. Bitte löscht nicht den gesamten Artikel, da die anderen geouteten Personen sicher Neonazis sind, was ihre persönliche Reaktionen belegen.

 

Und noch etwas ist uns wichtig: Wir, das antifaschistische Komitee Hessen, haben nichts mit dem Naziradar zu tun. Das Projekt Naziradar führt unseres Wissens keine Outings durch, und ist bisher nicht negativ aufgefallen. Wir haben die Kontakt-Email des Naziradar unter die Outing-Flyer geschrieben, um den Anwohner*innen eine direkte Kontakt-Möglichkeit zu bieten. Wir hofften, damit im Sinne des Naziradar zu handeln. Dass diese Aktion nun das Projekt Naziradar in  ein schlechtes Licht gerückt hat, tut uns Leid.

 

@John: Wie kommst du zu der Erkenntnis, dass das Naziradar eine "unseriöse Gruppe" ist, und von "sehr suspekten Personen" betrieben wird?

Recherche über Naziaktivitäten, -treffpunkt und -wohnorte hat schon lange eine große Bedeutung, können doch Aktivitäten, Strukturen und Vernetzung dadurch transparent gemacht werden.

Oftmals passiert das über Outing-Aktionen, bei denen antifaschistische Gruppen Nazis einen Hausbesuch abstatten, um sie aus der Anonymität zu reißen, ihnen das Leben in ihrem Umfeld zu erschweren und bei den Nachbarn einen sensiblen Umgang mit dem Thema in Vereinen oder durch sonstige  Aktivitäten zu erreichen.

Das Leben soll ihnen schwer gemacht werden.  Einige Ziele solcher Aktionen sind: Umzug, Stress, die Ungewissheit ob weiter Aktionen folgen oder einfach nur ein mulmiges Gefühl wenn sie sich im Dorf bewegen.

In den letzten Jahren gab es immer mehr Outing-Aktionen, teils mit respektablen Erfolgen.  Einzelne Nazis bewegte solch eine Aktion sogar zum Ausstieg aus der Organisierten Szene.

Bis jetzt war uns kein Fall bekannt, bei dem eine solche Aktion an falscher Stelle stattfand.  Jetzt ist es passiert, ausgerechnet "uns". Eigentlich haben wir anspruchsvolle Kriterien für solche Aktionen. Mit Informationen gehen wir in der Regel sehr vorsichtig um, Leichtgläubigkeit und Naivität sind eher nicht unsere Sache. Im Gegenteil, bisher haben wir Infos lieber zwei-, dreimal mehr gecheckt, um diese wirklich zu bestätigen.

Nichtsdestotrotz ist uns dieser folgenschwere Fehler unterlaufen und wir haben eine Person geoutet, die nichts mit den Nazis zu tun hat.

Die Person hat zwar den gleichen Namen und wohnt im gleichen Ort, ist aber nicht der gesuchte NPD-Mensch.

Der Fehler war recht schnell entdeckt und liegt weniger in unserer Arbeit, als mehr in der Kommunikation untereinander. Vertrauen untereinander ist gut, und in vielen Situationen unumgänglich. Hier jedoch war Vertrauen alleine nicht genug, ein Hinterfragen der Informationen hätte das Desaster verhindern können.

Also versuchen wir noch etwas aus der ganzen Aktion mitzunehmen und nicht nur für uns.

Sieht man auf die Konsequenzen die solch eine Aktion haben kann, wird einem schnell klar, dass solche Fehler nicht passieren dürfen und dass sie unentschuldbar sind. Zu weitreichend können die Folgen für die fälschlicherweise geoutete Person sein. Von dem Stress den die Person hat ganz zu schweigen.

Aus diesem Grund bleibt uns nur, auch anderen Leuten mitzugeben wie wichtig es ist, wirklich hohe Standards für die eigene Arbeit zu setzen und diese auch zu halten. Denn die Aktionsform an sich finden wir auf jeden Fall angebracht. Der Fehler lag in diesem Fall auch keineswegs in der Aktion selbst.

Bei der Person in Aßlar haben wir uns entschuldigt und in der Nachbarschaft Flugblätter verteilt.

Letztendlich muss an dieser Stelle auch unbedingt unterstrichen werden, dass die Leute vom Nazis-Radar damit nichts zu tun haben. Wir wollten sie lediglich unterstützen, weil wir die Arbeit, die sie machen, gut und wichtig finden. Auch bei den Leuten die bei der Aktion dabei waren müssen wir uns entschuldigen.

Antifaschistisches Komitee