Auf der internationalen Friedenskonferenz war dieser Schritt von der baskischen Untergrundorganisation gefordert worden. Nun geht es um die übrigen Punkte, also Verhandlungen und Anerkennung der Opfer, zu der auch die der staatlichen Todesschwadrone, Demonstranten, Flüchtlinge... gehören.
"Die ETA hat beschlossen, die bewaffneten Aktivitäten ein für alle Mal zu beenden." Das haben drei maskierte Mitglieder der baskischen Untergrundorganisation in einer Videobotschaft erklärt, die am späten Donnerstag von den Tageszeitungen Gara und Berria veröffentlicht wurde. Das wurde allseits erwartet, nachdem dieser Schritt am Wochenende auf der "Internationalen Friedenskonferenz" von der ETA gefordert worden war und schon zu dieser erwartet worden war. Die fand im baskischen Donostia (span. San Sebastian) statt, an der auch der ehemalige Uno-Generalsekretär Kofi Annan teilnahm.
Als sich am Montag auch die linke Unabhängigkeitsbewegung uneingeschränkt hinter die "Erklärung von Aiete" stellte, war klar, dass die ETA schnell handeln muss. Die baskische Linke hatte damit bekräftigt, dass die Unabhängigkeit eines vereinten und sozialistischen Baskenlands allein mit politischen und demokratischen Mitteln erreicht werden muss.
Nachdem sie die Vorleistung erfüllt hat, geht es um die übrigen Punkte der Erklärung, die vom irischen Ex-Ministerpräsident Bertie Ahern verlesen wurde. Er sprach dabei auch für Kofi Annan, für den Vorsitzenden der irischen Sinn Féin-Partei Gerry Adams, für die norwegische Ex-Regierungschefin Gro Harlem Bruntland und der französische Ex-Innen- und Verteidigungsminister Pierre Joxe, den britischen Ex-Chefunterhändler für den Nordirland-Konflikt Jonathan Powell entsandt. Sie hatten an Spanien und Frankreich appelliert, einen "Dialog" mit der ETA zu starten. Den fordert die nun auch ein, um eine "Lösung für die Konsequenzen des Konflikts und damit ein Ende des bewaffneten Konflikts" zu finden. Sie ruft die Basken auf, sich für "Frieden und Freiheit" einzusetzen, also für die "Anerkennung des Baskenlands und der Respekt vor dem Willen seiner Bevölkerung".
Auch die von den Vermittlern geforderte Versöhnung steht nun an. Denn “alle Opfer” und der "angerichtete Schmerz" auf beiden Seiten müsse anerkannt werden. Davon ist zum Beispiel der sozialdemokratische Regierungschef José Luis Rodríguez Zapatero weit entfernt. "Wir werden eine Demokratie ohne Terrorismus haben", sagte er und sprach vom "Sieg von Demokratie, Gesetz und Vernunft". Man werde aber das Leid der Opfer des Terrors nicht vergessen.
Er meint damit nur die mehr als 800 Opfernder ETA in den letzten 50 Jahren. Er vergisst die Opfer der staatlichen Todesschwadrone (GAL), die sein Parteifreund Felipe González in den 1980er Jahren auf die Basken losließ. Da sind etliche Tote der Sicherheitskräfte auf Demonstrationen, die Folteropfer, die die illegal geschlossen Zeitungen, die Partei- und Organisationsverbote, die Flüchtlinge oder die Angehörigen der Gefangenen. Weil die 800 Gefangenen entgegen den geltenden Gesetzen weit entfernt vom Baskenland in spanischen und französischen Gefängnissen sitzen, müssen Freunde und Eltern erheblichen Aufwand und Kosten für die kurzen Besuche auf sich nehmen. Etwa zwei Dutzend sind auf den langen Reisen bei Autounfällen ums Leben gekommen.
Dass Spanien zur Anerkennung alle Opfer und zum Dialog wohl gezwungen werden muss, hat sich in den letzten Monaten deutlich gezeigt. So hatten Zapateros Sozialisten (PSOE) die Friedensbemühungen der baskischen Linken boykottiert und an der Konferenz nicht teilgenommen. Kürzlich wurden mit dem Batasuna-Sprecher Arnaldo Otegi und dem Ex-Chef der Gewerkschaft LAB zwei Drahtzieher des Friedensprozesses mit anderen Personen sogar zu zehn Jahren Haft als angebliche ETA-Chefs verurteilt. So war es Gerry Adams, der nach der Erklärung der ETA die Relegalisierung der 2003 verbotenen Partei Batasuna (Einheit) und die Freilassung von Otegi und anderen Anführern der baskischen Linken gefordert hat.
Wie groß die Enttäuschung über die PSOE ist, machte niemand anders als der Präsident der baskischen Sektion deutlich. Jesús Egiguren hatte gegen alle Widerstände stets auf einen Dialog gesetzt. Im Interview erklärte er, dass sich der Parteichef Patxi Lopez vollständig in dem Prozess “verbrennen müssen, um den Frieden zu erreichen”. Egiguren hatte nun im Interview seinen "Lehendakari" (baskischer Regierungschef) schwer kritisiert. Patxi Lopez, der nur über Wahlmanipulationen an die Macht gekommen war, war nicht wie Egiguren auf der Friedenskonferenz. Lopez wurde in den USA von der Nachricht überrascht und musste eilig den Heimweg antreten. “Ich bin total verärgert, denn in diesem Prozess bin ich auf wenig Verständnis in meiner Partei gestoßen”, sagte er und resümiert. “Als Sozialisten haben wir eine Möglichkeit verpasst, dem Frieden eine Fahne zu geben.”
Die postfaschistische Volkspartei (PP), deren Chef Mariano Rajoy nun von einer "guten Nachricht" spricht, hatte noch die Friedenskonferenz als "Propaganda für die ETA-Unterstützer" abgekanzelt. Rajoy, der alle Friedensbemühungen in acht Jahren als Oppositionsführer bekämpft hat, will das Thema aber nicht vollständig für die vorgezogenen Neuwahlen am 20. November aufgeben, bei denen er den dritten Anlauf nimmt. Er streicht deshalb heraus, dass Spanien erst dann beruhigt sein könne, wenn sich die ETA vollständig aufgelöst habe.
Der internationale Druck auf Madrid muss also noch deutlich zunehmen, damit diese historische Chance auf eine Friedenslösung genutzt werden kann. Noch vor der ETA-Erklärung haben sich allerdings auch der Ex-US-Präsident Jimmy Carter, der britische Ex-Premierminister Tony Blair und der US-Senator George Mitchell der Erklärung von Aiete angeschlossen. Die Frage wird sein, ob Deutschland sich einbringt. Die Zeit dafür wäre reif, wenn Deutschland 2012 an die Zerstörung des baskischen Wahrzeichens Gernika erinnert wird, welche die Legion Condor vor 75 Jahren für Francos-Putschtruppen durchgeführt hat. Nun hätte Berlin die Möglichkeit, der historischen Verantwortung gerecht zu werden und könnte sich für einen gerechten Frieden einsetzen.
Der, so das Ergebnis der Konferenz wurde auf der Konferenz unterstrichen, müsse auf die gesamte Gesellschaft bauen können, um einen dauerhaften Frieden zu erreichen. Nach dem Dialog und den Verhandlungen der Politiker sollte die Bevölkerung das letzte Wort in einem Referendum erhalten, weil "das zu einer neuen Ära ohne Konflikt beiträgt". Das ist aber genau die Formel, welche die baskische Linke seit vielen Jahren vorschlägt. Doch das die Basken über ihre Zukunft entscheiden können, stellte bisher stets eine zu hohe Hürde für Spanien dar.