Geschubst, geschlagen, getreten: Immer häufiger sehen sich Polizisten bei Routineeinsätzen mit Gewaltausbrüchen konfrontiert. Allein in Nordrhein-Westfalen wurden binnen eines einzigen Jahres fast 2000 Beamte verletzt - die Spirale der Eskalation dreht sich schneller denn je.
Es war im Sommer und ein Einsatz, von denen es in einer deutschen Großstadt so viele gibt: Peter* und sein Partner Mike hielten ein Auto an, eine schwarze E-Klasse von Mercedes, daran erinnert sich der Polizeioberkommissar nicht gerne, aber gut. Zwei junge Männer saßen darin, der Alkohol drang ihnen aus allen Poren, und als die beiden aussteigen mussten, begann der Tanz.
"Arschlöcher, Bullenschweine, ihr könnt uns mal", das Duo pöbelte los und ging zum Angriff über. Sie schubsten und schlugen um sich, Peter und Mike kassierten Treffer, nur mit Mühe konnten sie die beiden schließlich fesseln. Doch auch im Streifenwagen gaben die Männer keine Ruhe.
Einer trat eine Seitenscheibe heraus, der andere schlug mit dem Kopf gegen das Fenster. Und als die Betrunkenen aus der nahen Siedlung, in der viele Angehörige der beiden leben, Unterstützung bekamen, als plötzlich zehn, zwölf Typen die Polizisten umringten, riefen die Beamten nach Verstärkung. "Mir war klar: Jetzt wird es richtig eng", sagt Peter.
Alltägliche Situationen eskalieren
Seit Jahren steigt die Zahl der verbalen und handfesten Attacken auf Polizisten. Immer häufiger sind es dabei alltägliche Situationen, die eskalieren: So wollte ein Kriminalhauptkommissar aus Mönchengladbach im vergangenen August lediglich die Ausweise einer Gruppe junger Leute kontrollieren, als ihm ein 20-Jähriger unvermittelt gegen den Kopf trat. Der Beamte erlitt schwere Gesichts- und Schädelverletzungen.
"Die Brutalität, mit der sich die Kollegen inzwischen fast täglich konfrontiert sehen", sagt Erich Rettinghaus, der nordrhein-westfälische Landesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), "hat sich dramatisch erhöht." Es werde häufig gar nicht mehr versucht, Konflikte verbal zu lösen, sondern sofort geschlagen und getreten.
Nach einer neuen Untersuchung des Landeskriminalamts Nordhein-Westfalen wurden 2010 im Westen fast 2000 Polizisten von Angreifern im Dienst verletzt. Rund 85 Prozent der Opfer waren Streifenbeamte und mehr als drei Viertel der zumeist männlichen Täter hatten getrunken oder andere Drogen genommen.
Jeder zweite Großstadt-Schläger hat ausländische Wurzeln
Untersuchungen des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen (KFN) zufolge, an der mehr als 20.000 Beamte teilgenommen hatten, stieg die Zahl der schwerer verletzten Polizisten von 2005 bis 2009 um mindestens 60 Prozent. In Großstädten hatte demnach jeder zweite Täter, der auf Ordnungshüter losgeht, ausländische Wurzeln. Und das Motiv war in jedem dritten Fall Hass auf Polizei und Staat, wie die verletzten Beamten vermuteten.
Städte wie Stuttgart, Dortmund und Berlin meldeten in den vergangenen Jahren zehn Prozent mehr Verletzte als zuvor. In der Hauptstadt zogen sich fast 500 Polizisten Blessuren zu, weil Verdächtige sich etwa gegen Kontrollen oder Festnahmen sträubten. Bundespolizisten, die auch auf Bahnhöfen Dienst tun, wurden sogar doppelt so oft angegriffen wie im Vorjahr.
Was den Beamten zudem zu schaffen macht, ist die Respektlosigkeit vor allem junger Leute. Teenager, die T-Shirts mit dem Aufdruck "A.C.A.B." ("All cops are bastards") tragen, Halbwüchsige, die auf die Frage, wo sie denn hinwollten, herablassend antworten: "Geht Sie doch nichts an." Und Mädchen, die wild um sich schlagen, wenn sie von der Polizei nach Hause gebracht werden sollen.
"Je später die Nacht", schrieb ein Beamter aus Nordrhein-Westfalen vor geraumer Zeit seinem Vorgesetzten, "desto größer der Wahnsinn." Der Brief, der SPIEGEL ONLINE vorliegt, war ein Hilfeschrei eines erfahrenen Dienstgruppenleiters, ein Zeugnis der voranschreitenden gesellschaftlichen Verwahrlosung ebenso sehr wie der zunehmenden Überforderung der Polizei.
"Die Gewaltspirale dreht sich immer schneller", notierte der Beamte aus Düsseldorf, das "erträgliche Maß" sei längst überschritten. Seine Untergebenen würden inzwischen regelmäßig "geschlagen, getreten und mit Flaschen beworfen", zudem bespuckt, beleidigt und mit dem Tode bedroht.
Die vermeintlichen Ordnungshüter seien längst "zu Statisten des Sauf- und Erlebnistourismus degradiert" worden, mit denen man sich ungestraft anlegen könne. Gerade unter "jungen Migranten" sei es angesagt, am Wochenende "Bullen aufzumischen". Respekt vor Amtspersonen: Fehlanzeige. In der allgemeinen Hektik einer solchen Situation - nicht selten stünden den Beamten Hunderte gegenüber - könnten die meisten Angreifer sogar noch "ungestraft das Weite suchen".
Volkssport: Mit Polizisten anlegen
In Stadtteilen wie Berlin-Wedding oder Duisburg-Marxloh ist es schon fast zum Volkssport geworden, Polizisten zu drangsalieren. Dort sind es meist junge Zuwanderer, die Recht und Gesetz für sich beanspruchen. Streifenwagen werden aus dem Hinterhalt mit Steinen und Glasflaschen beworfen, einfache Einsätze bei Parkverstößen und Ruhestörungen können zu Großlagen ausarten, weil die Beamten eingekesselt werden.
"Die Justiz muss endlich aufwachen und das Strafmaß bei diesen Delikten ausschöpfen", sagt Polizeigewerkschafter Rettinghaus. In der Realität aber würde die Schuld für die Gewalt hinterher oft den Beamten zugeschrieben, die die Situation angeblich hätten eskalieren lassen. Und der eigentliche Aggressor zeigte dann häufig auch noch die Polizisten an und verlangte möglicherweise Schadensersatz. Zudem würden die Kollegen von ihren Vorgesetzten mit diesen Belastungen oft völlig alleine gelassen.
"Das ist einfach nur noch absurd", empört sich der DPolG-Landesvorsitzende.
Der Oberkommissar Peter konnte sich damals im Sommer mit vielen seiner Kollegen aus der bedrohlichen Situation herauskämpfen. Doch er weiß seither, wie es ist, wenn gleich mehrere Strafanzeigen wegen Körperverletzung im Amt gegen einen Polizisten laufen. "Da überlegst du dir ganz genau, ob du in bestimmten Situationen wirklich anhältst und einschreitest - oder ob du so tust, als hättest du nichts gesehen oder gehört."
Die Folge dessen ist: Der Respekt vor der Polizei sinkt weiter.
* Die Polizisten wurden zu ihrem Schutz anonymisiert.
KV construct
was in diesem Artikel fahrlässigerweise nicht vorkommt ist, das vermehrt Delikte konstruiert werden aus Versammlungskontexten - angeblich versuchte KV gegen Beamte. Auch das es in sehr vielen Dienststellen usus ist eine KV Anzeige - bzw. eine Beschwerde gegen einzelne Polizisten ersteinmal mit Widerstand und ebenfalls einer versuchten KV zu beantworten. In den meisten mir bekannten Fällen ist das an den Haaren herbei gezogen und dient vornehmlich dem Selbstschutz bzw. ist für die Statistik und die Pressemeldungen gemacht. Auch ist als Nebenbemerkung in Pressemitteilungen der Polzei öfter zu hören gewesen das Dienststellen vermehrt auf eigene Initiative (nicht einzelner Polzisten) Anzeigen wegen Beleidigungen und / oder KV stellten.
Nicht vergessen, von hunderten Anzeigen gegen Polzisten kommt nichtmal ne Handvoll überhaupt vor Gericht. Andersherum bekommt aber JEDE_R ein Verfahren und eine Strafe.