In den 90er Jahren baute der Anti-Antifa-Aktivist Oliver Werner an Rohrbomben und schoss mit einer Zwille vom Dach des Wohnhauses des Neonazi-Rockers Arnulf Priem auf ein Presse-Kamerateam. Die Gruppe um Arnulf Priem trat in dieser Zeit mit Verbindungen zu Briefbombenanschlägen in Österreich, den Schüssen auf einen PDS-nahen Buchhändler und mit Brandanschlägen in Erscheinung. Später bemühte sich Oliver Werner weniger aufzufallen oder verbrachte seine Zeit wegen Zuhälterei im Knast. Ein politisches Umdenken erfolgte in diesen Jahren nicht. Nun taucht er an der Seite der Neuköllner NPD-Kandidaten als Mitglied der sogenannten NPD-"Schutzmannschaft" (Zitat Udo Voigt, Chef der NPD) auf.
Ein "brutaler und vom Nazigeist zerfressener Fanatiker"
Nachdem Autonome eine Neonazi-Demo in Berlin verhindert hatten, zog Kay Diesner, ein "Kamerad" und enger Vertrauter von Oliver Werner, am 19. Februar 1997 los und verletzte einen 63-jährigen linken Buchhändler aus Berlin-Marzahn schwer mit Schüssen aus einem in Österreich besorgten Schrotgewehr. Auf seiner Flucht schoss Diesner auf Polizisten und tötete einen von ihnen (Tagesspiegel vom 20.02.07). Diesner galt vor Gericht und in weiten Teilen der Presse schnell als "Einzeltäter". Die PDS reagierte im Dezember 1997 mit der Veröffentlichung "Die Einzeltäter" auf diese verharmlosende Darstellung. Oliver Werner wird in "Die Einzeltäter" als Diesners "Anti-Antifa-Partner" beschrieben, mit dem er seinen "Anti-Antifa-Eifer" geteilt habe. Diesner und Werner haben laut dem Buch „Sehnsucht nach Unfreiheit“ (Verlag: edition ost) gemeinsam den "Arbeitsbereich: Abwehr und Aufklärung" der Nationalen Alternative (NA) übernommen und leiteten die Sektion „Anti-Antifa“. Sie nahmen an Wehrsportübungen teil und hatten die Order, in der Öffentlichkeit „möglichst unauffällig und vorsichtig“ aufzutreten, um nicht „medien- oder polizeibekannt“ zu werden. Beide gelten zu dem Zeitpunkt als Teil einer neuen Generation von jungen Neonazis, deren „Fanatismus, Sendungsbewusstsein, Gewaltbereitschaft und Kompromisslosigkeit“ ungleich stärker ausgeprägt seien, als es bei den 1960er Geburtsjahrgängen der Fall gewesen war. Im Antifaschistischen Infoblatt (AIB) Nr. 29 (März/ April 1995) wurde Oliver Werner als Führungsperson der „Anti-Antifa Berlin“ geoutet.
Nach Informationen der Antifa-Publikation "Drahtzieher im braunen Netz Nr. 2" übernahm Werner als Mitglied der Organisation "Freundeskreis revolutionärer Volkssozialisten (FRVS)" bereits im Jahr 1992 die "Anti-Antifa-Kartei" vom Berliner Neonazi Oliver Schweigert und führte sie in Absprache mit Franz Radl („Volkstreue Jugendoffensive“ - VJO) aus Österreich, auf Computerbasis weiter. Franz Radl und seinem Sohn Franz Radl jr. werden Verbindungen zu Briefbombenanschlägen in Österreich nachgesagt. Der damalige Neonazi-Anführer Berlins Ingo Hasselbach beschreibt Oliver Werner in seinem Aussteigerbuch „Die Bedrohung“ (Aufbau-Verlag) rückblickend als "brutalen und vom Nazigeist zerfressenen Fanatiker". Im Oktober 1993 beschlagnahmte die Polizei in Werners Kreuzberger Wohnung Bombenbauanleitungen, eine Hülse für Rohrbomben und professionelle Zünder. Laut „Sehnsucht nach Unfreiheit“ beschlagnahmte die Polizei 1994 sogenannte „Feindeslisten“ bei Werner. Zudem wurden im Hauskeller der Familie Werner in Kreuzberg 10 Liter Ammoniak versteckt. Ammoniak ist gemäß einer Anleitungssammlung, die in der Neonazi-Szene kursierte, eine Komponente für Sprengbomben. Am 15.10.1994 werden in Werners Wohnung vier zylindrische Behältnisse mit insgesamt ca. tausend Gramm zweier verschiedener Sprengstoffe beschlagnahmt.
Laut Hasselbach gehört Werner, u.a. neben Oliver Schweigert und Kay Diesner ab etwa 1992 auch der „Kameradschaft II“ der militanten Untergrundgruppe "Sozialrevolutionäre Nationalisten" (SrN) an, auf deren Konto wenigstens ein Brandanschlag auf einen alternativen Jugendklub geht (Berliner Zeitung, 03.03.1997). Am Freitag, den 14. Oktober 1992 um 22:20 sicherten zwei der Neonazis (Ingo Hasselbach, Rocco Richwald) die Eingänge des Gebäudes in Lichtenberg ab, während zwei weitere Neonazis (Guido Neumann, Oliver Werner) Molotow-Cocktails warfen. Oliver Werner gelang es hierbei, einen Brandsatz durch ein offenes Fenster in den Aufenthaltsraum zu werfen, dort konnte er aber gelöscht werden.
Als Ziehvater Diesners gilt der eingangs erwähnte Neonazi-Rocker Arnulf Priem, an dessen Wohnhaus in Berlin-Wedding am 13. August 1994 eine Antifa-Demo vorbeiziehen sollte. Zahlreiche Neonazis verschanzten sich mit Brandsätzen und Schusswaffen im Haus, das von der Polizei gestürmt wurde. Der Grund: der damals 20-jährige Oliver Werner hatte gemeinsam mit Kay Diesner und Andreas Tews mit einer Präzisionsschleuder ("Zwille") vom Dach auf ein vorab eintreffendes Filmteam vom WDR geschossen und dadurch einen Journalisten am Arm verletzt (RBB-Abendschau Bericht). Eine Verurteilung wegen „Bildung eines bewaffneten Haufens“ folgte für die anwesenden Neonazis.
Zuhälterei, Organisierte Kriminalität und die NPD
Das mediale Rampenlicht in das Teile von Diesners Umfeld spätestens nach dessen Mordtaten gestellt wurde, behagte Oliver Werner nicht und er versuchte über Jahre hinweg, in Vergessenheit zu geraten. Zudem betätigte sich Werner nun auch im Rocker- und Rotlichtmilieu im Bereich der sogenannten "Organisierten Kriminalität" (OK), weshalb er zwischenzeitlich eine längere Haftstrafe wegen Zuhälterei im Knast absitzen musste. Der Neonazi-Szene kehrte er derweil aber keineswegs den Rücken zu – und sie ihm selbstverständlich auch nicht.
Ein besonders gutes Verhältnis scheint Oliver Werner inzwischen zum 24-jährigen Kreisverbandschef der Neuköllner NPD Sebastian Thom zu unterhalten. Dies kommt unter anderem darin zum Ausdruck, dass dieser am 08.05.2010 Werners weißen VW Golf (B-ND-224) für eine NPD-Veranstaltung in Buckow nutzen durfte. (Darüber hinaus ergaben interne Recherchen, dass Oliver Werner auch einen dunklen Mercedes (B-WW-1488) (!) fährt.)
In gewöhnlich gut unterrichteten Antifa-Kreisen wird davon ausgegangen, dass Werner zumindest bei einem Teil der Sachbeschädigungen der Neonazis gegen "linke Locations" in Nord-Neukölln der letzten Jahre als "Schutz" für die Täter um Sebastian Thom eingesetzt wurde. Dass ein vergleichsweise professionell durchgeführter Brandanschlag auf das linke Jugendzentrum Anton-Schmaus-Haus in Britz ausgerechnet in zeitlicher Nähe zu einer körperlichen Attacke auf Werners Spezi Sebastian Thom erfolgte, gibt in diesem Zusammenhang natürlich ebenfalls zu denken.
Werners radikalisierender Einfluss auf Jüngere stellten nicht zuletzt die Neuköllner NPD-Kandidaten Sebastian Thom und Julian Beyer unter Beweis, die vor einigen Tagen Passanten im Streit um ein NPD-Wahlplakat mit Messern bedrohten und mit Pfefferspray angriffen (Stoerungsmelder vom 04.08.11). Julian Beyer stand seinerseits bereits 2008 im Verdacht, Anstifter bei Brandanschlägen auf die Wohnhäuser zweier Familien mit Migrationshintergrund im Rudower Blumenviertel gewesen zu sein.
Für die NPD im Wahlkampfeinsatz 2011
Äußerlich im Vergleich zu den 90er Jahren stark verändert - offenbar sind Anabolika im Spiel - präsentierte sich der mittlerweile 37-jährige Werner ganz aktuell am 9. Juli 2011 an einem Wahlkampfstand der NPD Neukölln am U-Bahnhof Britz-Süd. Anwesend waren sämtliche "Größen" der NPD Neukölln, vom BVV-Verordneten Jan Sturm und dem Kandidaten und Kreisverbandschef Sebastian Thom über den Kandidaten und wichtigsten neonazistischen Kader in Süd-Neukölln Jill Glaser bis hin zum ebenfalls aufgestellten Nachwuchsneonazi Julian Beyer. Der im damaligen Indymedia-Bericht zum Infostand noch voreilig als "unbekannt" bezeichnete Werner konnte offensichtlich als Mitglied der NPD-"Schutzmannschaft" gewonnen werden, zu deren Bildung Udo Voigt nach Angriffen auf NPD-Funktionäre in Berlin aufgerufen hatte.
Das zeigt einerseits, dass man für die Berliner NPD nicht zu kriminell oder terroristisch sein kann, um im Wahlkampf geschätzt und eingesetzt zu werden. Andererseits mahnt diese "Personalentscheidung" aktive Antifas und Linke zur Vorsicht im Wahlkampf. Oliver Werner ist gefährlich und bewaffnet – allein schon, um für mögliche Auseinandersetzungen im Milieu vorbereitet zu sein. Es muss als wahrscheinlich gelten, dass er zur Absicherung von NPD-Plakataktionen (z.B. im Norden Neuköllns) eingesetzt werden wird.
Oliver Werners Gesicht sollte sich gut gemerkt werden.
Literatur
Drahtzieher im braunen Netz. Der Wiederaufbau der NSDAP, 1992, Ed. ID-Archiv, ISBN-10: 3894080221 oder ISBN-13: 978-3894080228
Drahtzieher im braunen Netz Nr. 2. Ein aktueller Überblick über den Neonazi-Untergrund in Deutschland und Österreich., Antifasch. Autorenkollektiv, 1996, Konkret Literatur Verlag;
ISBN-10: 3894581409 oder ISBN-13: 978-3894581404
Sehnsucht nach Unfreiheit. Der Fall Kay Diesner und die rechte Szene : Ermittlungen am Ort des Geschehens, Laura Benedict, 1998, edition Ost, ISBN-10: 3932180364 und ISBN-13: 978-3932180361
Ein Paket aller alten Ausgaben des Antifaschistischen Info Blattes gibt es für etwa 25,- Euro. <a href="http://aib.nadir.org/index.php/abo">Hier</a> zu bestellen.
Neonazi-Aussteigerliteratur mit Bezug zu Berlin:
Verschenkte Jahre: Eine Jugend im Nazi-Hass, Nick W. Greger, 2005, Books on Demand, ISBN-10: 3833438096 und ISBN-13: 978-3833438097 <br/>
Die Abrechnung. Ein Neonazi steigt aus. Ingo Hasselbach / Winfried Bonengel, 2005, Aufbau Tb; ISBN-10: 3746670365 und ISBN-13: 978-3746670362<br/>
Oliver Werner (2011)
v.l.n.r.: Beyer, Werner, Glaser, Thom, Sturm
NPD-Stand in Britz (Juli 2011)
Oliver Werner (1990er)
Kay Diesner (1990er)