Englands Repression

london-riot-cctv

Wenn die Linke recht hat und es nicht merkt

Wenn der Sturm sich legt wird es Zeit die Fenster auf zu machen und sich die Schäden anzuschauen. Aber oft sind es die kleinen Risse in den Chemiewerken, die ausgefallenen Notstromaggregate der Atomkraftwerke, die viel gefährlicher sind als der zerstörte Wohnblock, aber viel weniger spektakulär sind. So ist es auch in England. Etwas viel Bedrohlicheres ereignet sich jetzt als die Zerstörungswut der Unterschicht welche die letzten Tage die Titelseiten der Medienlandschaft beherrschte. Und es passiert versteckter. Die Konservativen haben die Justiz als politischen Kampfhund los gehetzt.

 

Über die Justiz

 

Formal gibt es im bürgerlichen Rechtsstaat eine Trennung zwischen Exekutive, Regierung und Justiz. Wie weit es mit dieser Gewaltenteilung her ist, zeigen die Ereignisse der letzten Tage. David Cameron besteht auf „Harte Strafen“, und die Justiz ist sofort bereit ihrer Aufgabe als Werkzeug zur Aufrechterhaltung von Law and Order für die konservative Regierung zu erfüllen. 1300 Urteile wurden bereits im Schnellverfahren durchgeboxt, weitere werden folgen. Selbst Spiegel.de erscheint das nicht geheuer:

 

Insbesondere zwei Fälle sorgen für Empörung. Der 20-jährige Jordan B. und der 22-jährige Perry S. hatten in der Nacht des 9. August im Internet auf Facebook zum Randalieren in ihren Heimatorten Northwich Town und Latchford aufgerufen. Als B. auf dem Parkplatz des lokalen McDonald's eintraf, wartete bereits die Polizei auf ihn. In beiden Fällen kam es nicht zu Krawallen, dennoch wurden die Möchtegern-Anstifter am Dienstag zu je vier Jahren Haft verurteilt.

 

Die bürgerliche Justiz zeigt jetzt selbst für den Spiegel zu deutlich, für was sie da ist: Die Erhaltung des Status quo. Die radikale Linke hat recht behalten: Gerechtigkeit hat nichts mit der Justiz zu tun. Sie urteilt politisch, kann nicht einmal anders. Innerhalb einer Gesellschaft mit sozialer Ungleichheit ist jede rechtliche Gleichstellung ein makaberer Witz. Plündern werden im Kapitalismus immer nur jene, welche keinen Laden besitzen. So fällt es der Justiz leicht zu trennen zwischen guten Bürger_innen welche die Ausschreitungen verurteilen, und den schlechten, welche sich bei den Plünderungen bereichern wollten.

 

Über die Täter

 

Leider gibt es immer wenig Zahlen genau da wo es interessant wäre. Die Auschreitungen der Unterschicht haben fünf Tote gefordert. Wie viel Menschen starben aufgrund der letzten und immer noch anhaltenden Wirtschaftskrise? Die staatlichen Statistiker_innen schweigen dazu. Es finden sich nirgends verwertbare Daten. Trotzdem versuche ich mich an einer wenig gewagten Aussage:

Mit Sicherheit mehr als Fünf. Diese starben weil sie in den USA keine Krankenkasse mehr haben. Weil sie in Deutschland seid Jahren in einer Suppenküche essen und mit 80 Jahren das abgelaufene Joghurt vom Supermarkt um Ecke auch der letzte sein kann. Kurz: Sie sterben an all den Dingen, weswegen hier niemand mehr sterben müsste. Sie werden ermordet, jeden Tag.

 

Die Justiz wird uns nicht helfen im Kampf gegen diese strukturelle Gewalt. Denn sie ist ein Teil von ihr, was dieser Tage in England beeindruckend gezeigt wird. Es kann im Kapitalismus keine Justiz geben welche die Widersprüchlichkeit von verschiedenen sozialen Lagen und der rechtlichen Gleichbehandlung löst. Das ist auch nicht ihr Anspruch. In den meisten Fällen ist die Justiz nicht einmal in der Lage ihrem eigenen Anspruch gerecht zu werden. Jede_n mit dem selben Maß zu messen.

 

Wer hätte das NICHT gedacht?

 

Das Einzige was Jakob Augstein auf Freitag.de und in seiner Kolumne auf Spiegel.de noch wundert ist die Verwunderung über die Ausschreitungen. Er stellt die richtige Frage (findet aber die falschen Antworten): Wer hätte gedacht das es ewig so weitergeht? Nach Rekordgewinnen die privatisiert wurden und Verlusten die wir alle tragen mussten, nach dem enstehen von Armenvierteln und noch mehr Sozialabbau? Dazu Augstein:

 

Jetzt fällt es plötzlich allen auf. Im konservativen "Daily Telegraph" schreibt der Konservative Charles Moore, der die offizielle, erst nach ihrem Tod zu veröffentlichende Biografie über Thatcher verfasst hat: "Es hat mehr als 30 Jahre gedauert, bis ich mir als Journalist diese Frage stelle, aber in dieser Woche spüre ich, dass ich sie stellen muss: Hat die Linke nicht am Ende recht?"

 

Jetzt ist die Zeit gekommen Analysen zu präsentieren welche nicht nur postvisionär die Aufstände schon immer kommen sahen und gleich noch Erklärungen mitliefern. Es ist auch nicht an der Zeit die Gewaltexplosion im Kapitalismus, die totale Verrohung des Menschen und die soziale Kälte als revolutionär zu feiern. Jetzt ist vor allem ein guter Zeitpunkt für eine linksradikale Debatte was wir aus England für Konsequenzen ziehen. Den die Konservativen sind am Ende und überlegen laut ob die Linke nicht am Ende recht hat. Wir hatten Recht - und haben es nicht gemerkt.

 

Geschichte wird gemacht. Wer Recht haben wird keine ausgemachte Sache. Es war die eine Sache vorrauszusehen, das es nicht ewig so weitergeht. Aber die entscheidende Frage ist noch offen: Wie geht es weiter?

Zeige Kommentare: ausgeklappt | moderiert

Jetzt gilt es Banden zu entwickeln, sich was zum lesen zu schnappen und schlaue Sachen von sich geben.

Solange wir in Deutschland die Zustände von London nicht erreicht haben, bringt Gewalt auf den Straßen wenig.

Also:
lest Bücher

bildet Banden

bildet euch weiter!

 

ROTFRONT!

aber: >Diese starben weil sie in den USA keine Krankenkasse mehr haben. Weil sie in Deutschland seid Jahren in einer Suppenküche essen und mit 80 Jahren das abgelaufene Joghurt vom Supermarkt um Ecke auch der letzte sein kann. Kurz: Sie sterben an all den Dingen, weswegen hier niemand mehr sterben müsste. Sie werden ermordet, jeden Tag.< Aber ein bisschen überskizziert dieser Part. Richtiger wäre sicher: Sie sterben, weil um der Profite Wille die Pharmalobby nur Medikamente zur Symptombekämpfung, nur wenige zur Heilung, entwickelt und auf den Markt bringt. Weil Betten- und Personalabbau in den Krankenhäusern eine personenbezogene Pflege überhaupt nicht mehr erlaubt. Weil eine "Gesundheitsreform" nichts reformerisches hat, nur Einschränkung lebenswichtiger Untersuchungen und längere Wartezeiten in Arztpraxen. Weil Oma und Opa kostengünstiger in profitorientierten Altenheimklitschen dahinsiechen, als zu hause ihren Lebensabend zu verbringen. Weil sie seid Jahren das angepriesene Junkfood fressen, um es hernach, zum Erhalt des propagierten Bodymassindexes wieder auszukotzen oder sich in Crash - Diäten vom Leib zu schwitzen. Weil Hartz IV und Mindestlohn nicht für eine ausgewogene vernünftige Ernährung langen. Nicht erst der xte Lebensmittelskandal uns zeigt, welchen Dreck über Kunstkäse bis gepanschtes Öl uns als "Lebensmittel" serviert werden. (Suppenküchen sind da meiner Erfahrung nach eher noch die sichere Seite) Und im Supermarkt ist es sicher nicht der abgelaufene Joghurt, sondern das Fleisch von der Hundetheke oder das angefressene Brötchen aus dem Abfalleimer oder dem Container davor. Nur mal so zur Ergänzung....

Nur hast Du vergessen, dass sich irgendwelche 10-jährigen Jungs an den Plünderungen beteiligt haben. Klar gibt es gegen diese auch schon in ihrem Alter strukturelle Gewalt, jedoch besitzen sie in den wenigsten Fällen soviel Weitsicht und Kommunikationsvermögen um iin jeglicher Hinsicht hr Handeln überblicken und verbal umsetzen zu können.  Einige Jahre älter und es wird mitten in der Pupertät noch krasser.

 

Hier wurden ja schon wenigstens eine subsidiare Möglichkeit (Suppenküchen) angerissen. Und da gibt es noch mehr: Kostenlose Krankenmobile und Krankenhäuser, Kleiderkammern, Freeboxes mit jeglichen Artikeln, Volksküchen, "Soligruppen", familiäre Pflege, kirchliche Betreuung - All das sind subsidiare Möglichkeiten, und der Grund warum hier niemand sterben MUSS. Klar, besser wäre es, wenn Solidarisch etwas getan würde, also alle in einen Topf zahlen und daraus der Bedarf aller Bedürftigen gezahlt wird. Aber jetzt MUSS niemand in Mittel und Westeuropa (bzw UK) sterben. hungern oder medizinisch unversorgt sein.

 

Es ist übrigens schlimm, dass sich immer mehr linke Menschen mit subsidiaren Positionen einlassen, anstatt für ein solidarisches Verhältnis zu kämpfen. Aber anscheinend scheint es sonst nicht zu gehen. Die Versorgung der Kranken und Hungernden ist Aufgabe der gesamten Gesellschaft (Solidarität) und nicht nur von einem Teil bzw. Verein. (Subsidiarität)

 

@ anonym - 20.08.2011 - 02:53

 

"Kunstkäse" ist kein Dreck, sondern ein wertvolles Lebensmittel.