“Marci & Kapelle” ist der unauffällige Name einer wenig bekannten Band, die am 20. August bei einer NPD-Kundgebung vor dem Leipziger Völkerschlachtdenkmal (GAMMA berichtete) spielen soll. Hinter dem biederen Namen steckt allerdings eine einschlägige “RAC”-Combo (“Rock Against Communism”): fünf Neonazis aus Mecklenburg-Vorpommern, die seit 2008 unter dem Namen “Tätervolk” Rechtsrock spielen. Im selben Jahr erschien das erste und bislang einzige Album der Gruppe, Titel: “In brauner Uniform”.
Der Tonträger, bestehend aus 16 Liedern, wurde im Jahr darauf von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) indiziert (Vgl. Bundestags-Drucks. 17/1298 und Bundesanzeiger Nr. 16 v. 30.01.2009, Listenteil B). Schon im Leitstück der Platte heißt es beispielsweise:
Schönen guten Tag, wir sind wieder da
und hetzen gegen euch, ist das nicht wunderbar […]
In brauner Uniform und in strenger deutscher Norm
marschieren wir gegen diesen Staat
In einem anderen Lied wird der Beginn eines “Rassenkrieges” angekündigt. Trotz Indizierung wird das Album allerdings im Internet verbreitet, manchmal unter dem alternativen Namen “Nicht ohne Addi”.
Für die Naziszene schon eine “Kultband”
Ähnlich wechselhaft ist der Bandname: Mithin trat “Tätervolk” – nomen est omen – als “TotalVerlust” auf, etwa bei einer Wahlkundgebung der Berliner NPD im September 2010 mit dem Motto “Überfremdung stoppen”. Weitere Auftritte bei NPD-Veranstaltungen, mehrfach in Brandenburg, unterstreichen die Partei-Nähe der Band.
Seit vergangenem Jahr ist die Gruppe als “Marci & Kapelle” unterwegs, so etwa Anfang April bei der “Jahresfeier” des NPD-Verlages “Deutsche Stimme” in Riesa, wo sie – nicht ganz zutreffend – als “Kultgruppe aus Berlin” angekündigt wurde. Dort forderte sie in einem neuen Lied “Freiheit für Horst Mahler”. Laut einem Bericht eines Veranstaltungsbesuchers in einem Neonazi-Forum wurde während des Auftritts eine Hakenkreuzfahne gezeigt.
Auch beim diesjährigen Pressefest der “Deutschen Stimme” nahe Görlitz stand die Band am 1. Juli vor mehreren hundert Zuschauern auf der Bühne und kündigte dort an, ein weiteres Album aufzunehmen. Zuletzt war für vergangenen Sonnabend, 30. Juli, zu einer vermeintlichen “Autogrammstunde” mit “Marci” in die berüchtigte Berliner Nazikneipe “Zum Henker” (Niederschöneweide) eingeladen worden.
Der Kult um die Band geht wohl auch zurück auf die enge ästhetische Verwandtschaft mit der Band “Landser”, die 2005 vom Bundesgerichtshof zur kriminellen Vereinigung erklärt und dadurch faktisch verboten worden ist.
Im rechten Musikbetrieb
Laut ZEIT wird gegen “Marci” und seine Bandkollegen wegen Volksverhetzung ermittelt. Damit ist “Marci & Kapelle” durchaus repräsentativ für die eigene Szene – das zeigt auch die Zusammenarbeit mit weiteren Bands:
Erst vor einigen Monaten erschien der Neonazi-Sampler “In Anerkennung” (lateinischer Untertitel: “Im Dienste des Vaterlands verzehre ich mich”). Laut Eigenwerbung handelt es sich um einen “Solidaritäts-Sampler für drei vom System verfolgte Gruppen”. Damit gemeint sind weitere Nazibands mit kriminellen Ambitionen:
- “Deutsch, Stolz, Treue” (DST), deren komplette Diskografie indiziert wurde und gegen deren Bandmitglieder wegen Verwendung von Nazisymbolen und Volksverhetzung ermittelt worden ist;
- die DST-Nachfolgeband “X.x.X.”, die sich 2004 umbenannt hat, um (erfolglos) der Strafverfolgung zu entgehen;
- schließlich “Confident Victory” (CoV), deren Mitglieder u.a. Hitlergrüße auf der Bühne zeigten und das “Horst-Wessel-Lied” anstimmten.
Der Sampler ist im Sortiment zahlreicher Neonazi-Versände erhältlich. Gemeinsam mit “DST” erschien außerdem ein Tätervolk-Stück 2008 auf dem Sampler “10 Jahre N.D.S.” – das Kürzel steht für “New Dawn Streetwear”, ein Naziladen in Anklam, in dem Szeneklamotten und Tonträger verkauft werden.
“Großkundgebung” auf dünnem Eis
Bei der Leipziger NPD-Kundgebung am 20. August dient “Marci & Kapelle” als Publikumsmagnet für Fans aus der Subkultur, die meist kein gefestigtes Verhältnis zur Partei haben. Diese kündigt die Veranstaltung als “Kundgebung mit Musikprogramm” und – etwas großspurig – “Großkundgebung mit Musik und Rednerprogramm” an. Der Charakter einer Kundgebung sichert den Veranstaltern Privilegien des Versammlungsrechts, u.a. die freie Ortswahl. Bei einer Konzertveranstaltung wäre die Rechtslage anders – und tatsächlich wird die Kundgebung auf einigen Nazi-Websites als “Konzert” – wörtlich “Das Konzert gegen den Euro-Wahn” – beworben. (Siehe Screenshot)
In einem ausgesprochen simpel gestrickten Aufruf (“Wir wollen sein Deutsche auf Deutschem Boden”), mit dem seit vergangenem Mittwoch vor allem beim “Freien Netz” zur Leipzig-Kundgebung getrommelt wird, heißt es weiterhin, dass “NPD und Freie Kräfte […] vor DEM Symbol nationaler Souveränität in Mitteldeutschland ihre Stärke demonstrieren” werden – also Quantität.
Tatsächlich sind “Kultur”-Veranstaltungen wie die “Deutschen Stimme”-Feiern zumeist besser besucht als klassische Kundgebungen und Aufmärsche. Hiesigen Nazikadern ging diese Entwicklung bisher gegen den Strich: 2010 warfen “Freies Netz” und die sächsischen “Jungen Nationaldemokraten” dem DS-Pressefest vor, es leiste mit seinem Line-Up “subkultureller Entartung” Vorschub; künftig wolle man derartige “Szeneveranstaltungen” boykottieren, statt sich weiter mit dem “Bodensatz” der Bewegung abzugeben.* (Siehe Screenshot)
Masse mit allen Mitteln
Wenn nun aber auf Krampf wenigstens ein paar hundert Nazis vorm Völkerschlachtdenkmal auftauchen sollen, ist der “Bodensatz” plötzlich wieder gefragt. Genau deswegen steht “Marci & Kapelle” auf der Bühne. Offenbar gehört auch das zum neuen, “radikalen” Kurs der Sachsen-NPD, auf den beim vergangenen Landesparteitag mit der Wahl Maik Schefflers eingeschwenkt wurde. Und mit Eckard Bräuninger, offiziell “Organisationsleiter” des DS-Verlages, ist auch der übliche Organisator mit im Boot, der zudem als Redner angekündigt wird. Wie die restlichen Redner gilt auch Bräuninger als Widersacher des NPD-Bundesvorsitzenden Udo Voigt.
Das Line-Up könnte der NPD allerdings noch auf die Füße fallen: Die BPjM hat das einzige “Tätervolk”-Album nicht nur indiziert, sondern als “strafgesetzwidrig” eingeschätzt, unter anderem wegen der Gewaltdarstellung in den Liedern (§131 StGB). Im Falle einer weiteren Verbreitung oder sogar Aufführung müsste die Rechtswidrigkeit zwar noch durch ein Gericht – sofern eine Strafanzeige vorliegt – geprüft werden. Sollte ein Gericht die Ansicht der BPjM allerdings teilen, hätten sich automatisch auch diejenigen strafbar gemacht, die solche Musikstücke anbieten, bewerben, zugänglich machen oder abspielen lassen und damit verbreiten.
Lesetipp: Einen gut recherchierten Artikel zur Band “Preussenstolz”, die am 20. August ebenfalls auftreten wird, haben AntifaschistInnen aus Potsdam zusammengestellt.
* Wenn er das schreibt, verdrängt Tommy Naumann wohl seine eigene “Kraken”-Biografie. Hier sieht man den sächsischen JN-Anführer bei einem Nazi-Aufmarsch am 3. Oktober 2004 in Leipzig, bekleidet mit einem “Screwdriver”-Pullover. Direkt vor ihm steht Christian Trosse, der mittlerweile nach Sachsen-Anhalt verzogen ist.