Polizeipräsident stürzt über Handy-Daten-Affäre

Erstveröffentlicht: 
27.06.2011

Im Skandal um die Erfassung von fast einer Million Handy-Anrufen muss der Dresdner Polizeipräsident seinen Stuhl räumen. Die Polizei hatte im Umfeld von Anti-Nazi-Protesten großräumig Mobilfunkdaten ausgewertet und war dafür später von Datenschützern und Staatsanwaltschaft heftig kritisiert worden.

 

 

Dresden - Der Dresdner Polizeipräsident Dieter Hanitsch muss gehen. Wegen der massenhaften Erfassung von Handy-Daten in Sachsen ist er am Montag abberufen worden. Dies teilte Innenminister Markus Ulbig (CDU) der Nachrichtenagentur dapd mit. Als Grund für die Entscheidung nannte er interne "Informationsdefizite".

 

 

Am 19. Juni hatte die "tageszeitung" aufgedeckt, dass die Dresdner Polizeibehörden bei Anti-Neonazi-Protesten offenbar die Handy-Verbindungen von Tausenden Demonstranten und Anwohnern ausgespäht hatten . Unter Berufung auf die Staatsanwaltschaft Dresden berichtete das Blatt, es habe in der Dresdner Südvorstadt eine sogenannte Funkzellenauswertung gegeben. Dabei seien von allen Handy-Besitzern, die sich zu dieser Zeit in dem Gebiet aufgehalten haben, sämtliche eingehende und ausgehende Anrufe und SMS sowie die jeweilige Position erfasst worden.

 

Ursprünglich habe die Funkzellenauswertung nur zur Aufklärung eines schweren Landfriedensbruchs dienen sollen, hieß es. Die gesammelten Daten wurden dann aber auch bei Ermittlungen gegen andere Menschen verwendet, denen lediglich die Störung der angemeldeten Nazi-Demonstration vorgeworfen wurde. Mittlerweile, erklärte Lorenz Haase, Oberstaatsanwalt in Dresden, der "tageszeitung", sei man aber der Ansicht, dass dieses Vorgehen juristisch nicht haltbar sei.

 

Einige Tage später stellte sich heraus, dass der Umfang der Datenauswertung weit größer als bis dahin angenommen war. Insgesamt habe die Polizei Datensätze von 896.000 Gesprächen und SMS-Mitteilungen ausgewertet, teilweise auch schon am Tag vor der eigentlichen Demo, hieß es in einem Bericht, den Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) und Justizminister Jürgen Martens (FDP) dem Ministerpräsidenten Stanislaw Tillich (CDU) vorlegten.

 

Gesammelt wurden unter anderem Handy- und Gerätenummern. Ins Visier gerieten dabei auch Blockierer, friedliche Demonstranten, Anwohner, Politiker und Journalisten. Telefongespräche oder SMS-Nachrichten wurden nach Angaben der Minister von der Polizei nicht abgehört oder mitgelesen. Herausgefiltert worden seien schließlich 460 Handy-Nummern, die man an Orten schwerer Straftaten lokalisiert habe. 406 Anschlussinhaber seien festgestellt worden.

 

In der Folge überprüfte Sachsens Datenschutzbeauftragter Andreas Schurig die Rechtmäßigkeit der massenhaften Datenerhebung. Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar hatte bereits zuvor gefordert, die Funkzellenauswertung stärker als bisher einzugrenzen und klare Vorgaben für die Verwendung der dabei gewonnenen Daten zu schaffen.              mk/dapd

 

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