Auswertung der Soligruppe zum Fall Thomas

Freiheit Für Thomas Logo

Nach Ablauf der Revisionsfrist am Mittwoch den 16.03.2011 ist davon auszugehen, dass das Urteil gegen unseren Freund und Genossen Thomas nun rechtskräftig ist. Wie angekündigt veröffentlichen wir als Soligruppe nun unseren Beitrag zu einer kritischen Auswertung des Prozesses, dem Urteil sowie der Soliarbeit.

 

Am 08.03.2011 wurde das Urteil gegen unseren Freund und Genossen Thomas verkündet. Es lautete auf 22 Monate Knast auf drei Jahre Bewährung. Diese Strafe kam zustande durch eine bis dahin geheim gehaltene Vereinbarung zwischen Thomas Anwalt und der Richterin, die von der Staatsanwaltschaft forciert worden war.

 

Ende Februar 2011 wandte sich die Staatsanwaltschaft an die zuständige Richterin und machte über diese ein Angebot für eine Vereinbarung,welche die langwierige Verhandlung drastisch verkürzen sollte. Das Angebot sah vor,dass Thomas zwei der drei Taten die ihm zur Last gelegt wurden gestehen sollte und im Gegenzug ein Anklagepunkt fallen gelassen, sowie eine Bewährungsstrafe zugesichert wird.

 

Thomas stand also wenige Tage vor Beginn der Verhandlung und nach einem halben Jahr in zermürbender Untersuchungshaft vor der Wahl, entweder zwei Taten zu gestehen und noch am gleichen Tag seine Freiheit wieder zu erlangen oder sich auf ein mehrjähriges Verfahren einzulassen, dass ihm neben einem Schuldenberg und weiteren Monaten oder Jahren in Haft, im schlimmsten Fall noch eine direkte Gefängnisstrafe beschert hätte. Vor dieser Entscheidung stand Thomas ganz allein, da der Kontakt zu seinen Freunden, Genossen und allen ihm wichtigen Menschen aufgrund der Geheimhaltungsklausel in der Vereinbarung nicht möglich war.

 

Jeder der nun meint Thomas für seine Entscheidung kritisieren zu müssen, sollte sich wenigstens einmal in seine Situation versetzen.

 

Du sitzt seit einem halben Jahr in einer winzigen Zelle, darfst nicht tun was du willst, nicht gehen wohin du willst, nicht reden mit wem du willst und bist von den politischen Entwicklungen außerhalb deiner Zelle fast vollständig abgeschnitten. Dazu der erdrückende Berg von Ermittlungsakten und die Ungewissheit wie lange man diese erdrückende Enge noch aushalten kann.

 

Der einzige Mensch mit dem Thomas über das Angebot der Staatsanwaltschaft reden konnte war sein Anwalt und der war, verständlicher Weise, darauf aus, seinen Mandanten so schnell wie möglich aus dem Knast zu bekommen und ihm eine mögliche Gefängnisstrafe zu ersparen.

 

Die Selbstbezichtigung, die Vereinbarung und das Urteil, alles auf einmal am ersten Verhandlungstag ohne Vorbereitung oder Ankündigung, das war dann wohl zu viel Überraschung für so manchen Prozessbeobachter. Aus der Verwunderung wurde bei den meisten Neugier auf die Hintergründe die zu diesem Ausgang führten. Da auch die Soligruppe nicht über diese neuen Entwicklungen informiert war, dauerte es einige Tage um in langen Gesprächen die Wendungen der letzten Tage aufzuarbeiten und nachzuvollziehen. Die Reaktionen in den Medien wurden gesammelt und bewertet, konstruktive Kritik von wutschäumenden Beschuldigungen getrennt und Antworten auf die offenen Fragen erarbeitet. Die Antworten auf die Fragen und Kritiken wollen wir im folgenden wiedergeben.

 

1. Hat Thomas irgendetwas oder irgendjemanden verraten?

 

Dieser Frage setzen wir ein entschiedenes NEIN entgegen.

 

Thomas hat zu keinem Zeitpunkt irgendwelche Informationen über Personen, Strukturen oder sonst etwas an die Repressionsorgane weitergegeben. Er hat weder mit der Polizei noch der Staatsanwaltschaft geredet. Alle Gespräche verliefen über seinen Anwalt und bezogen sich nur auf die Ermittlungen gegen ihn und die ihm vorgeworfenen Taten.

 

Das einzige was Thomas gemacht hat, ist auf die Vereinbarung einzugehen und sich im Zuge dessen selbst zu belasten und sich, wie angeraten, zu entschuldigen. Thomas hat kein Wort über seine Motive, seine Vorgehensweise oder ähnliches verloren.

 

Wer mit diesem Verhalten nicht einverstanden ist und es kritisieren möchte kann dies gerne tun. Wer aber einen Verrat an der Szene oder eines vermeintlichen Kodexes daraus ableiten möchte, sollte lieber noch einmal ganz in Ruhe die Fakten betrachten und sich noch einmal in Thomas Lage versetzen.

 

2. Wurde Thomas im Knast im Stich gelassen?

 

Diese Frage kann letztendlich nur Thomas persönlich beantworten, die Soligruppe hingegen kann nur auf ihre Arbeit verweisen. Jeder einzelne Besuchstermin im Knast wurde wahrgenommen, Briefe und Postkarten wurden geschrieben und weitergeleitet, ein Spendenkonto wurde eingerichtet und Thomas Postanschrift verbreitet mit der Bitte Thomas Post zu schicken. Eine Internetseite wurde ins Leben gerufen, Texte und Beiträge verfasst um über Thomas und seine Situation zu informieren und eine kritische Öffentlichkeit für den Fall zu schaffen. Solipartys wurden veranstaltet um das nötige Geld für die Anwälte zusammen zu bekommen, weitere Partys, Kundgebungen und Demonstrationen waren in Planung um den Fall noch bekannter zu machen. Der Kontakt zu anderen Gruppen und Einzelpersonen wurde aufgebaut um von der Erfahrung anderer profitieren zu können. Darüber hinaus wurde sich um alle anderen Angelegenheiten die Thomas drinnen und draußen betrafen gekümmert.

 

Wir können das was wir selbst an Soliarbeit geleistet haben nicht objektiv bewerten. Was wir aber sagen können ist, dass wir alles getan haben was in unserer Macht stand und jeder Einzelne muss für sich selbst wissen ob er mit seinem Einsatz zufrieden ist oder ob er noch mehr hätte leisten können.

 

An dieser Stelle möchten wir uns auch noch bei allen Kollektiven und Einzelpersonen bedanken die uns in irgendeiner Weise unterstützt haben, sei es durch Wissen, Arbeitskraft, Räumlichkeiten, Briefe, Spenden und all die anderen kleinen und großen Unterstützungen.

 

3. Hat die Soligruppe gezielt falsche Informationen verbreitet?

 

Auch auf diese Frage können wir mit einem entschiedenen NEIN antworten.

 

Alle Texte, Reden usw. die von der Soligruppe veröffentlicht wurden entsprachen dem aktuellen Informationsstand und dienten der Schaffung und Information der Öffentlichkeit. Sie waren für den medialen Mainstream, als auch für die Szene konzipiert.

 

Zu bedenken ist auch, dass wir als Soligruppe nicht den gleichen Zugang zu Informationen hatten wie Thomas und sein Anwalt. Da Thomas Gespräche im Knast und seine Briefe nach draußen allem Anschein nach überprüft und ausgewertet wurden, war eine persönliche Kommunikation, am besten noch über mögliche Details aus dem Prozess mehr als schwierig.

 

4. Hätte ein vollständiger Prozess der Szene mehr gebracht als die sofortige Freilassung Thomas?

 

Von verschiedenen Seiten wurde der Kritikpunkt geäußert, dass ein langer und ausführlicher Gerichtsprozess der linken Szene wertvolle Informationen über die Ermittlungsmethoden der Repressionsorgane gebracht hätte und Thomas aus diesem Grund lieber das ganze Verfahren im Knast hätte durchstehen sollen.

 

Dazu ist zunächst einmal zu sagen, dass eine Szene von einer Einzelperson weder erwarten und schon gar nicht fordern kann sich als eine Art Märtyrer für ein paar Informationen zu opfern. Die Frage ist, ob man einer Einzelperson vorwerfen kann, dass die massive Repression eines derart mächtigen Apparates tatsächlich eine gewisse Wirkung gezeigt hat.

 

Weiterhin ist es mehr als fraglich, welche zusätzlichen Informationen aus diesem Prozess hätten gezogen werden können. Das Wissen über die Methoden ist auch ohne den Prozess bekannt und dieses wird auch im Folgenden so detailliert wie möglich mitgeteilt.

 

Das Hauptargument welches an uns heran getragen wurde war die Hoffnung, die codierten Beamten zu enttarnen. Dass dies wohl nicht mehr als ein frommer Wunsch bleiben wird, haben bereits andere Prozesse gezeigt. Codierte Beamte treten in der Regel verkleidet vor Gericht auf und sagen dann auch nur das was ihnen ihr Vorgesetzter erlaubt hat. In Thomas Fall war davon auszugehen, dass die codierten Beamten in der Mehrzahl wohl ohnehin nicht vor Gericht erschienen wären, sondern lediglich ihre schriftlichen Äußerungen verlesen worden wären.

 

Es bleibt die Frage, die sich auch einem Angeklagten in dieser Situation stellt: Ist es das tatsächlich Wert? Ist es das wirklich Wert aufgrund der diffusen Hoffnung auf etwaige Zusatzinformationen nicht nur mehrere Monate, sondern in Thomas Fall voraussichtlich sogar mehrere Jahre, seine Freiheit zu opfern? Jeder politisch aktive Mensch muss diese Frage für sich selbst beantworten und zwar dann wenn er tatsächlich in dieser Situation ist und sich nicht hinter Dogmen und Märtyrertum zu verstecken um anderen ihre Entscheidung vorzuhalten.

 

Zum Abschluss möchten wir noch einen kurzen Blick auf die Methoden der Repressionsorgane werfen die Thomas und uns in diesem Verfahren begegnet sind. Wir sehen uns gegenüber der kritischen Öffentlichkeit in der Verantwortung diese offen zulegen.

 

Bereits für 2009 gibt es Hinweise darauf, dass Thomas in irgendeiner Weise in den Fokus der Repressionsorgane geraten war. Andeutungen von Zivilbeamten auf Demonstrationen sowie einige seltsame Aktivitäten, die damals scheinbar nicht ernst genug genommen wurden.

 

Im Jahr 2010 kam es dann immer wieder zu scheinbar stichprobenartigen Observationen, die dann ab Mai 2010 zu weiteren länger andauernden Observationen führten.

 

Im Juni begann dann die gezielte Videoüberwachung von Thomas Wohnung, zunächst ohne richterlichen Beschluss. Seit dem wurde die Wohnung und die Straße Tag und Nacht von mehreren versteckten Videokameras überwacht für die allem Anschein nach extra mehrere Wohnungen angemietet worden waren. Desweiteren war ein halbes Dutzend codierter Beamter zur Observation von Thomas abgestellt worden, die dann im Verfahren neben den Videoaufnahmen als Hauptbelastungszeugen aufgetreten wären. Die codierten Beamten hätten dann im Verfahren wohl nicht mal vor Gericht aussagen müssen, sondern  lediglich ihre schriftlichen Aussagen wären verlesen worden.

 

Hinzu kommt noch eine umfassende Überwachung und Auswertung von Mobilfunkzellen für den Bereich in dem sich Thomas Wohnung befindet, zuständig war.Es gibt weiterhin starke Anzeichen auf ebenfalls umfangreiche und lang andauernde Telefonüberwachung sowohl von Telefonen die Thomas zugerechnet werden, als auch von Telefonen aus seinem Bekanntenkreis.

 

Nach Thomas Verhaftung und der Beschlagnahme seines Computers wurden Daten aus sozialen Netzwerken sowie Chatprotokolle von Messenger-Programmen ausgewertet und davon abgeleitet Spekulationen über mögliche Mittäter angestellt.

 

Stück für Stück rückte vor und auch vermehrt nach Thomas Verhaftung sein politisches und soziales Umfeld in den Fokus der Repressionsorgane. Welche Methoden zur Überwachung von Thomas Umfeld eingesetzt wurden bleibt unklar, es ist jedoch nicht unwahrscheinlich, dass ähnliche Methoden angewendet wurden wie auch bei der Überwachung von Thomas.

 

Was für uns eine neue Dimension der modernen Repressionsmethoden darstellt ist das Sammeln von DNA Spuren an öffentlich zugänglichen aber auch privaten Orten. Diese wurden gesammelt und ausgewertet, ohne eindeutige Ergebnisse zu erbringen. Die Proben wurden von zurück gelassenen Gegenständen wie Zigarettenkippen und Bierflaschen genommen und zwar bereits im Jahre 2009.

 

Ob alle diese Maßnahmen tatsächlich rechtmäßig sind bleibt zumindest fraglich. Falls sie es sind, kann man durchaus von einer Gesetzeslage sprechen die einem Überwachungsstaat ähnelt.

 

Unabhängig von der Rechtmäßigkeit der Maßnahmen muss jedoch auch die Frage nach der Verhältnismäßigkeit gestellt werden. Es ging schließlich von Anfang an immer nur um Delikte gegen Gegenstände und nicht gegen Personen. Nichts desto trotz haben die Repressionsorgane Methoden angewendet, die eher zu einer Mordermittlung passen würden.

 

Das was gegen unseren Freund und Genossen Thomas im Zuge dieser Ermittlungen alles eingesetzt wurde, hat selbst Personen mit langjähriger Repressionserfahrung überrascht und diese an die RAF-Verfahren erinnert. Es sollte als eine Art Weckruf für alle verstanden werden, die immer noch nicht die erschreckende Realität der Repression verstanden oder erkannt haben.

 

Es ist uns als Gruppe wichtig darauf hinzuweisen, dass Überwachung und Repression der linken Szene keinesfalls Phantasie oder Paranoia sind, sondern zu einem Teil der täglichen Realität geworden sind.

 

Wir wollen damit keine weitere Paranoia, Misstrauen oder gar Angst schüren, wir rufen nur alle Gruppen und Einzelpersonen dazu auf sich aktiv mit den Methoden der Repression auseinander zusetzen und aus den Fehlern und Erkenntnissen der Vergangenheit zu lernen sowie effektive Gegenstrategien zu entwickeln bzw. bestehende Strategien auch konsequent anzuwenden.

 

Natürlich stehen wir weiterhin für konstruktive Kritik und etwaige Nachfragen zur Verfügung.

 

Email: freiheitfuerthomas [at] riseup.net

Zeige Kommentare: ausgeklappt | moderiert

Stellungname ist auch  auf der seite von denen zu finden: http://freiheitfuerthomas.blogsport.de/

Sehr guter Text :-)

Die Entscheidung finde ich auch absolut nachvollziehbar und sollte der/die Betroffene für sich treffen.

Zu dem Punkt "Hätte ein vollständiger Prozess der Szene mehr gebracht als die sofortige Freilassung Thomas?":

 

Ihr habt Euch also nach Thomas Freilassung mit ihm unterhalten und dann diese Informationen erhalten. Menschen, die diese Informationen jetzt nutzen wollen, z.B. für die Verteidigung in eigenen Prozessen, haben jetzt ein Problem diese Angaben zu belegen. Menschen können nur diese Informationen (rechtmässig) nutzen, wenn sie in der Hauptverhandlung vorgetragen. Auch wenn die Codiernummern keiner Person zuzuordnen sind und diese auch von Fall zu Fall geändert/getauscht werden können, so können trotzdem Rückschlüsse, z.B. aus der Dienststelle, gezogen werden und somit u.a. die Glaubwürdigkeit von bestimmten Beamten und Beamtinnen angezweifelt werden können. Wenn der codierte Beamte XYZ vom LKA 6231 eine unrechtmässige Massnahme durchführt, dies in der Hauptverhandlung protokolliert und später verwaltungsrechtlich festgestellt wird, dann kann ich das in einem anderen Prozess verwenden, wo dann codierter Beamter ABC vom LKA 6231 aussagt oder irgendwelche Dinge gemacht hat.

Hallo liebe Soligruppe, liebe Unterstützer aus dem Umfeld von Thomas, 

sicherlich kann ich verstehen, dass einige Freunde und UnterstützerInnen froh sind, dass Thomas draussen ist und ihr ihn so auch emotional verteidigen wollt. Linke Politik besteht aber neben den menschlichen Beziehungen, Gefühlen usw. eben aber auch aus mehr: 

- Dazu gehört, dass man als linker Aktivist Verantwortung übernimmt - was nicht heißt Tatvorwürfe einzugestehen oder so, sondern bspw. sich als linker Aktivist gegenüber der Justiz so zu verhalten, dass die Unterstützung des Einzeln zugleich ein Beitrag zur Stärkung der Bewegung ist - mindestens aber so, dass es für die Bewegung politisch und praktisch und für den Einzelnen als politischen Aktivisten keine Schwächung bzw. Diskreditierung ist. 

- Dazu gehört für mich ferner auch, dass man sicherlich auch überlegt was man will, wo man politisch steht, welche Mittel man einsetzen will, was potentiell passieren kann usw. usf. - Auch das ist Verantwortung, die man als linker politischer Aktivist haben sollte. 

Ganz ehrlich, sicherlich können wir über emotionale Probleme, die Härte des Knastes und der Justiz reden - Trotzdem ist es so, dass manches einfach sein muss und dass man mache Sachen dann auch aushalten muss. Wenn solche Ansprüche nicht mehr sein sollten, dann wird das auf keinen Fall was mit der Revolution, Leute. 

Fassen wir doch mal zusammen, was in dem Prozess gelaufen ist: 

1.)Richtig ist, dass Thomas keinen anderen "verraten" hat - Sicherlich, gut. Ganz ehrlich, dass wäre aber die Höhe gewesen, wenn Thomas noch über alles was er so weiss ausgepackt hätte. 

2.) Was ist noch passiert: Thomas hat ein in einem Deal mit der Staatsanwaltschaft und dem zuständigen Richter detailiert ausgehandeltes Geständnis abgelegt. 

3.) Die von ihm eingeräumten Taten (etwa der 3000-Euro Golf) sind weder politisch noch sind sie in einem politischen Rahmen (Erklärungen usw.) passiert. Ganz ehrlich würde ich sagen, die Aktionen waren einfach nur vollkommen Panne! Bei allen anderen vermeitlichen Autobranstiftern war die Solidarität überaus gerechtfertigt, da es sich um linke AktivistInnen handelte (die sich im wesentlichen auch so verhalten haben), die mit solchen Vorwürften auseinander genommen werden sollten - nicht weil die vorgeworfenen Taten per se linke politische Betätigung waren. 

4.) Zugegebenermaßen wurde bei den Aktionen Alkohol in nicht unerheblichen Mengen konsumiert (1,7 im Turm, wow.) 

5.) Thomas hat sich nicht nur geständig gezeigt, er hat sich auch entschuldigt und Reue gezeigt. So hat er gesagt: "Es tut mir Leid." und er "wolle nun ein sraffreies Leben führen". 

Spätestens hier muss man sich doch Fragen, warum hier noch eine politische Solidartät angebracht sei (wenn die Soligruppe sie denn überhaupt noch fordert). 

Denn politisch ist so ein Verhalten eben nicht tragbar (persönlich sicherlich schon). Die Unterstützung ist hier eben keine Stärkung der Bewegung - Im Gegentteil: Thomas hat sich individualisiert aus seinem Verfahren rausmanövriert, er sich dem Staat lieb Kind gemacht, hat seine Aktionen - aber auch damit verbunden - seine ganze bisherige politische Praxis verraten. Darüber hinaus hat er ein unsolidarisches Bild für alle anderen abgegeben (Nach dem Motto: "Kuck halt selber, wie du da wieder alleine rauskommst") usw. 

"Eine Reueerklärung bedeutet eine offizielle Distanzierung von linkem Handeln, ein Schritt der Entsolidarisierung mit linken Strukturen und Zusammenhängen und ein öffentlich formulierter Bruch mit der eigenen Geschichte." ("Ablehnung von Unterstützung bei Reueerklärungen", Rote Hilfe e.V.) 

Das Einzige was das begründen könnte ist, dass es ja eh unpolitische Aktionen waren - dann stellt sich aber noch mehr die Frage, warum hier dann politische Solidarität geleistet werden muss. Denn für eine individuelle, unpolitische Prozess-Strategie braucht es keine politische Solidarität. Freundschaftlicher Beistand aus Verwandten- und Bekanntenkreis, sicherlich. Sicherlich auch eine kritische Prozessbegleitung, aber politische Solidarität....Nein. Tut mir Leid. 

Keine Kooperation mit den staatlichen Repressionsorganen! 
Keine Aussagen bei Polizei und Staatsanwaltschaft! 



Prozessbericht von Roland: http://de.indymedia.org/2011/03/302099.shtml 
Artikel im bürgerlichen Tagesspiegel: http://www.tagesspiegel.de/berlin/polizei-justiz/gestaendiger-autobrands...

Es gibt nicht nur Paternalismus der Unterstützungsseite gegen die von Repression betroffene Person, d.h. dass die "Soligruppe" oder Unterstützer bzw. Unterstützerinnen die von Repression betroffene Person in eine Rolle drängen, sondern es gibt auch Paternalismus der von Repression betroffenen Person gegen die Unterstützungsseite. Die "Soligruppe" oder Unterstützer bzw. Unterstützerinnen können von der Repression betroffene Person in eine Rolle gedrängt werden, in der sie nicht sein wollen.

 

Kommunikation ist ein Mittel um solche Machtverhältnisse darzustellen und möglicherweise zu verhindern. Doch wie aus dem Artikel der "Soligruppe" bekannt ist, ist das bei Personen in Gefangenschaft durch die Kommunikationskontrolle und -einschränkungen schwierig. In den letzten Jahren hat sich innerhalb der immerwieder unerfahrenen "Soligruppen" durchgesetzt, dass aus Angst die von Repression betroffenen Person in eine ihr nicht gewollte Rolle zu pressen, sich "freiwillig" in eine nicht gewollte Rolle gepresst wird. (Auto-Paternalismus. So werden eigene Bedürfnisse oft nicht in die "Soliarbeit" miteingerechnet, und es wird sich dann am Ende gewundert, warum die an der Arbeit beteiligten Menschen immer weniger werden.

 

Hilfsbereitschaft ist nichts wechselseitiges. Doch wechselseitig fühlt sich Hilfsbereitschaft am Besten an. Eine Frage, die sich "Soligruppen" stellen könnten, wäre: "Gegenüber welchen Personen wollen Wir hilfsbereit sein?" Und folgendes sollte auch bedacht werden: Wenn ich jemanden anderes helfen will, dann hat das immer Auswirkungen auf mehrere Personen.

 

Ich erlebe beispielsweise immer wieder magenknurrende Prozessbeobachtende in den Gerichtssälen. Das Geld aus den Solipartys ist aber nicht nur da, um Anwälte zu bezahlen oder der gefangene Person eine Zeitung zu schicken, sondern auch den helfenden Händen ein vollwertiges Frühstück vor dem Prozess zu bescheren. <--- SEHR WICHTIG

 

Eine Auswirkung des Auto-Paternalismus ist es, wenn gefragt wird, ob eine von Repression betroffene Person überhaupt "Solidarität" will. Abgesehen davon, dass dabei völlig unreflektiert, völlig falsch, der Solidaritätsbegriff verwendet wird, ist diese Frage falsch. Repression hat immer Auswirkungen auf alle Menschen, auch wenn sie augenscheinlich nur eine Person betrifft. Angefangen von den Eingepserrten, die auch irgendwie finanziert werden müssen - bzw. in den 1940er Jahren die Mörder, die nach der Beseitigung von Gefangenen verrückt oder in der damaligen Sprache "abartig" wurden, bis zu den immer ausgefeilteren Methoden, die an den Fällen ohne Repression gut trainiert werden können.  Bestes Beispiel ist das Codieren von Polizisten und Polizistinnen der Einsatzhundertschaften nach dem 1. Mai 2010 in Berlin, nachdem in den Vorjahren das Codieren von verdeckter Polizei und szenekundigen Beamten und Beamtinnen so gut geklappt hat und auf kaum Gegenwehr stiess. Im Gegenzug werden Uns dann medial die Namensschilder an Polizeiuniformen verkauft.

 Zu den Ergänzungen des Roten Helfer habe ich zu sagen, dass ich nicht weiss von welcher Bewegung er spricht. Wenn ich irgendwas mache, dann bewege ich mich. Das ist klar! Aber eine grosse und gemeinsam gewollte Bewegung gibt es nicht, von daher kann eine solche auch nicht gestärkt werden. Wenn Du weichgespühlte Bündnispolitik meinst, wo alle drauf aus sind ein paar tausende Menschen auf die Strasse zu bringen, dann ist das nicht militant, sondern einfach nur opportunistisch um negativen Sinn. D.h. um sich zu vermassen werden eigene politische Ziele verraten. Siehe die Kungellei mit der Linkspartei (der, weil mit den meisten Ebenen) in Berlin oder der gegenseitige Bezug vieler antirepressiven Hausis zu den Anti-AKW-Leuten. (Das zu erläutern wäre jetzt zu langwierig, hat aber etwas mit "baupolizeilichen Massnahmen" zu tun.) Was ich verdeutlichen will, dass viele Leute mit vielen Widersprüchen rumlaufen. Und da soll sich jetzt ein in Bedrängnis geratender junger Mensch einordnen und etwas stärken, was er a) nicht im Ganzen kennt, und b) er überhaupt nicht will. Wenn ich als radikaler und militanter antinationaler Mensch Linke ablehne, weil sie sich (bewusst) in einem nationalen Rahmen bewegen, dann ist es völlig ok, nicht das zu machen was diese "nationalen Linken" wollen.

 

Bei Thomas denke ich jedoch nicht, dass er soweit war. Darum ist es wichtig öffentliche radikale Diskussionskreise zu organisieren. Die AVVs sind da ein guter Anfang gewesen. Aber es sollte weitergehen. Wichtig ist es auch aktiv gegen die Partyszenen vorzugehen und diese als nicht emanzipatorisch militant und sogar als "entgegen der emanzipatorischen Militanz" zu erkennen.

 

- Militanz bedeutet, das eigene Handeln auf die eigene Überzeugung auszurichten.

- Emanzipation beschreibt den wechselseitigen Prozess zur Erlangung der Selbstbestimmtheit aller.

- Radikal ist, wenn ich ein Problem nicht nur oberfächlich angehe, sondern in dessen Gesamtheit, mich neben Symptomen auch den Ursachen widme.

 
Dass die "Soligruppe" und andere Unterstützung etwas nicht gemerkt hat, als Thomas davon schrieb, (sinngemäss) "freut mich, dass ihr auf der Soliparty für den guten Zweck gesoffen habt", glaube ich nicht. Vielmehr ist es wahrscheinlich, dass unterstützende Menschen aus den gleichen Milieu wie die Betroffenen kommen.

 

Mit dem Roten Helfer stimme ich aber überein, dass sich vor und während politischen Engagements die eigene innere und äussere Gegenwart und Vergangenheit reflektiert werden sollte. "Wer bin ich und wo will ich hin?" Bei Laurynas wurde das ja kritisiert. Rechtshilfebroschüren liegen in den Trinkhallen rum, doch nur wenige lesen sie bzw. beziehen das Gelesene ausreichend auf sich selbst. Gut sind dort die Broschüren trotzdem, denn manchmal bleibt auch etwas hängen oder einzelne Personen begreifen, dass sie ihr Handeln neu ausrichten sollten.

 

An dieser Stelle muss ich aber einfach mal eine Lanze für Thomas brechen und gleichzeitig dem Roten Helfer widersprechen: Es wäre auch ok gewesen, wenn Thomas andere durch Aussagen belastet oder sonstige Details preisgegeben hätte. Ich verzeihe sowas. Ich hab nur etwa 150-Mal weniger Erfahrung mit dem Gefangensein und Repression wie Thomas und mein Gehirn war dadurch manchmal schon so "matsch", dass ich alles dafür getan hätte, um aus der Repression rauszukommen. (Kleiner Tipp: Wer Angst vor körperlicher Gewalt hat, soll sich mit seinen Freunden oder Freundinnen schlagen. Was glaubt ihr, warum Kinder spielen?)

 

Und Revolution? Wenn Roter Helfer sich die kommunistischen und anarchistischen Revolutionsversuche angeschaut hätte, wäre ihm nicht entgangen, dass diese sich zum Grossteil gegen sich selbst gerichtet haben. Ob nun in den 1920er Jahren (und später) in Russland, wo vermeindliche Kommunisten sich gegenseitig ermordeten oder ob nun in Spanien, wo anachistische Grüppchen sich in "befreiten Gebieten" hetzten und dann auch noch abschlachteten. Hier in Berlin sind ja zum Glück keine Waffen im Spiel. (Ausser mal das ein oder andere Messer, oder ein Knaller auf irgendeiner Demonstration.) 

Zu Punkt 3 der Zusammenfassung des Roten Helfer:

 

Du schreibst davon, dass es nicht politisch sei einen 3000-Euro-Golf anzuzünden. Ich finde zwar nicht gut einen 3000-Euro-Golf anzuzünden, allerdings kann ich Dir eine Erklärung dafür liefern. Du hast vielleicht gemerkt, dass es in der "Arbeiterklasse" Unterschiede gibt. Da sind die "Bürgerlichen (Arbeiter)", die Privilegien vom Kaptal bekommen (oder sich erkämpft haben) und dann gibt es die Arbeiter, die weniger oder keine Privilegien haben. Du scheinst ja mit Deinem Unverständnis eine Fahrkarte für den Bus zu besitzen oder eine FAHRERLAUBNIS zu haben, sehr viele andere Menschen können sich das aber nicht leisten.

 

Ein Auto zu besitzen oder eine Fahrerlaubnis zu haben sind Privilegien des Kapitals. Alle Menschen mit Autos und Fahrerlaubnis können dagegen etwas machen. Anderen Menschen die Fähigkeit des Autofahrens beibringen und bei jeder Fahrt das Fahrzeug auslasten, d.h. andere Menschen ungefragt mitnehmen - das Auto auch anderen zur Verfügung stellen.

 

Wenn ich zur "Führerdebatte in der Linken" zurückkomme, dann sidn die relevanten Personen alles Leute mit Auto - und auch in der sogenannten "Militanzdebatte": Alles Menschen mit Auto. Wo lese ich von Leuten, die nichts haben und nicht schreiben können in der Militanzdebatte und wo sind sie Führungspersonen in der linken Szene? Richtig, sowas gibt es nicht. Von daher werte ich den Versuch Persönliches und Politik zu trennen von Dir, Roter Helfer, als Versuch eines Erhalts der "linken Elite" - der Du angehörst.

 

Mit dem "nicht-politisch" liegst Du falsch, aber mit dem besonderen "politischen Rahmen" liegst Du richtig.

 

Aber nochmal etwas zum Thema "persönlich" vs. "politisch":

 

In einigen Ländern gibt es gesetzliche Beschränkungen für die Geburten von Kinder. Ehepaare dürfen nur eine bestimmte Anzahl von Kinder haben. In Deutschland ist das wahrscheinlich "persönlich". In China ist das aber "politisch". Warum dieser Unterschied? Alle die sich mit Vegan-Diskussionen auseinandergesetzt haben, wissen wie schnell sogar die persönliche Nahrung politisch wird. Ich sage darum das Persönliche ist politisch! 

Roter Helfer, Du schreibst von Revolution und "Reueerklärung als OFFIZIELLE Distanzierung". Fahr´ bitte zum Bürgerkrieg nach LYBERIA und frag´ nach, warum beides nicht möglich ist! Wenn es um das Leben geht, ist nichts ausser der Tod offiziell.  

Und warum soll der Drogendealer von Nebenan politisch unterstützt werden? Weil er nützliche Informationen über die FAO hat - solche Informationen, an die Wir nicht rankommen, weil die FAO sich bei Uns auf deren Geheimhaltung konzentriert. Ein anderer Grund wäre die Vermassung - aber dazu bräuchte es gute Vor- und Nachbereitung!