2011 jährt sich die Bombardierung der Pfalz durch die Alliierten am Ende des Zweiten Weltkrieges zum 66. Mal. Wie schon letztes Jahr planen (Neo-)Nazis durch ihre Trauerveranstaltung auf dem Landauer Stiftsplatz am 16. März 2011 die Geschichte erneut umzudeuten: Die Tatsache, dass systematischer Bombenterror gegen Zivilist_innen von den deutschen Faschisten erstmals und massenhaft angewandt wurde (Guernica, Warschau, Rotterdam, London, Leningrad…) und der alliierte Luftkrieg nur als Reaktion auf die feigen und barbarischen Angriffe der Luftwaffe zu verstehen ist, wird geleugnet – stattdessen ist in geschichtsrevisionistischer Manier vom „Bombenholocaust“ die Rede. Aussagen wie diese setzen den millionenfachen Mord an europäischen Jüdinnen und Juden mit der unvermeidlichen Abwehr des deutschen Angriffskrieges gleich. Die deutsche Täterschaft wird verharmlost, die wahren Opfer ausgeblendet!
Doch auch dem bürgerlichen Gedenken, welches sich stets um Abgrenzung zu den Nazis bemüht, ist die Verharmlosung Nazideutschlands immanent. Die Fokussierung auf Einzelschicksale verstellt durch Emotionalisierung den objektiven Blick auf den geschichtlichen Verlauf. So können auch hier schnell aus Täter_innen Opfer werden. Die breite Mitarbeit der deutschen Bevölkerung am Angriffskrieg Deutschlands und an der Entrechtung und Deportation der Juden und Jüdinnen wird dabei verdrängt.
In einem ähnlichen Licht ist auch das Ausweichen der Landauer Stadtoberhäupter samt ihrer „Gegen“-Gedenkveranstaltung auf den Rathausplatz zu sehen. Konsequenterweise sind somit beide Formen des Gedenkens abzulehnen – es sind die wahren Opfer von Faschismus und Krieg, derer gedacht werden muss!
Voraussichtlich ab 20 Uhr wollen die Faschist_innen ihre Jammerveranstaltung auf dem Landauer Stiftsplatz mit Fackeln und grauenvoller Musik abhalten…doch dies werden sie nicht ohne spürbare antifaschistische Intervention über die Bühne bringen! Dafür werden wir gemeinsam sorgen…
Gegen deutsche Opfermythen und jeden Geschichtsrevisionismus!
Für eine antifaschistische Erinnerungskultur!
Alerta Antifascista!
This is how we do
Der Text stammt aus "ARRANCA" Nr. 3 * Winter '93/'94
Wiglaf Droste,
Mit Nazis reden
Am Mittwoch, dem 25. August 1993, hatte man erneut Gelegenheit, deutschem TV-Topjournalismus beizuwohnen. In den ARD-Tagesthemen führte Sabine Christiansen ein Interview mit dem sächsischen Innenminister Heinz Eggert über die Frage, ob man junge Neonazis in freundliche, milde Menschen verwandeln könne, indem man sie mit Jugendzentren, Sozialarbeitern usw. überhäufe. Eggert, dessen Äußeres immer wieder in Erinnerung ruft, daß die Folge "Amok in Bethel" aus der TV-Serie Peter Strohm noch immer nicht gedreht worden ist, kippte die Interviewsituation um und fragte Frau Christiansen: "Wann haben Sie oder ich das letzte Mal mit einem Rechtsradikalen gesprochen?"
Nun ist allgemein bekannt, daß Sabine Christiansens berufliche Qualifikation im Besitz eines CDU-Parteibuches besteht, und gerne erzählten Kollegen, daß sie als einzige in der Tagesthemen-Redaktion nicht in der Lage ist, sich ihre Nachrichtentexte selbst zu schreiben. Ihre parteigebundene Beschränktheit macht Frau Christiansen dadurch wett, daß sie sich bei jeder sich ihr bietenden Gelegenheit an die Spitze des etwaigen Volkszorns setzt; ihr journalistisches Rückgrat kommt dem einer Salatschnecke gleich.
Und dennoch hätte selbst sie auf Eggerts o.g. Frage mit Leichtigkeit antworten können: "Aber wieso? Das tue ich doch gerade", oder ganz simpel: "Warum? Ist das jetzt Pflicht?"
Es scheint so. Alle Welt sucht das Gespräch mit Rechtsradikalen. Warum? Haben sie einem etwas zu sagen? Ist nicht hinlänglich bekannt, was sie denken, fordern und propagieren? Wo liegt der beschworene aufklärerische Wert, wenn Henryk Broder in der `tageszeitung' Franz Schönhuber interviewt?
Muß man an jeder Mülltonne schnuppern? Niemand wählt Nazis oder wird einer, weil er sich über deren Ziele täuscht, - das Gegenteil ist der Fall; Nazis sind Nazis, weil sie welche sein wollen. Eine der unangenehmsten deutschen Eigenschaften, das triefende Mitleid mit sich selbst und den eigenen Landsleuten, aber macht aus solchen Irrläufern der Evolution arme Verführte, ihrem Wesen nach gut, nur eben ein bißchen labil etc., "Menschen" jedenfalls, so Heinz Eggert, "um die wir kämpfen müssen".
Warum? Das Schicksal von Nazis ist mir komplett gleichgültig; ob sie hungern, frieren, bettnässen, schlecht träumen usw. geht mich nichts an. Was mich an ihnen interessiert, ist nur eins: daß man sie hindert, das zu tun, was sie eben tun, wenn man sie nicht hindert: die bedrohen und nach Möglichkeit umbringen, die nicht in ihre Zigarettenschachtelwelt passen. Ob man sie dafür einsperrt oder sie dafür auf den Obduktionstisch gelegt werden müssen, ist mir gleich, und wer vom Lager (für andere) träumt, kann gerne selbst hinein. Dort, in der deutschen Baracke, dürfen dann Leute wie Rainer Langhans, Wolfgang Niedecken und Christiane Ostrowski zu Besuch kommen und nach Herzenslust mit denen plaudern, zu denen es sie zieht.
Den Rest der Zeit werden die Berufsdeutschen ein wenig gequält: Verordneter Antifaschismus all night long! Fritz Teppisch spricht nicht unter drei Stunden! Aus den Lautsprechern dröhnt verjüdelte
Negermusik! Pflichtlektüre: die schlechtesten Satiren von Ephraim Kishon! Rechte Winkel und Viervierteltakt sind bei Strafe verboten, die Haare werden nicht mehr geschnitten. Abends Talkshow mit Henryk Broder und Lea Rosh - es herrscht Teilnahmspflicht. Und dann geht es ruckzuck ohne Nachtisch ins Bett - zu Mister Long Dong Silver. So geht das.
Verbaler Antifaschismus ist Käse. Militant soll er sein, vor allem aber erfolgreich. Wenn sich dabei herausstellen sollte, daß es sich gegen 50, 60, 70, 80 oder 90 Prozent des deutschen Volkes richtet, dann ist das eben so. Wo Nazis `demokratisch' gewählt werden können, muß man sie nicht demokratisch bekämpfen.