BLN: 450 Menschen in Gedenken an Slieman H.

Der Demonstrationszug

450 Menschen versammelten sich heute um 17 Uhr am U-BHF Bülowstrasse, um an den vor einem Jahr von Polizist_innen in Schöneberg ermordeten Slieman H. zu erinnern und gegen Polizeigewalt zu protestieren. Aufgerufen zu dem Protestumzug hatten Angehörige des Ermordeten, das Bündnis "No Justice - No Peace", die Kampagne gegen rassistische Polizeigewalt und diverse linksradikale und antifaschistische Gruppen.

 

Viele Freund_innen, Verwandte und Anwohner_innen aus dem Schöneberger Kiez hatten sich zur Demonstration eingefunden, um ihre Trauer und Wut über den unaufgeklärten Mord an Slieman H. auszudrücken. Neben der konkreten Trauer über den Verlust von Slieman ging es den Demonstrant_innen auch darum, die gesellschaftlichen Ursachen für die immer brutaler werdende Polizeigewalt zu benennen und eine generelle Kritik der Polizei als Institution zur Aufrechterhaltung des gesellschaftlichen Status quo auf die Strasse zu tragen.

Deshalb wurde die Demonstration auch im Andenken an Dennis J., Oury Jalloh, Halim Dener, Klaus-Jürgen-Rattay und allen Opfern tödlicher Polizeigewalt durchgeführt. Nachdem die Anwältin, die die Verwandten des Ermordeten vertritt, und die Initiative gegen rassistische Polizeigewalt zu den Anwesenden gesprochen hatten, wurde deshalb auch gleich zu Beginn der Demonstration an den 18jährigen Berliner Hausbesetzer Klaus Jürgen Rattay erinnert, der 1981 nach einer Anti-Räumung-Demo von der Polizei an der Kreuzung Bülowstrasse/ Potsdamer Strasse vor einen Bus gehetzt wurde und starb. 

 

Später folgten Redebeiträge von Angehörigen des in der Sylvesternacht 08/09 von einem Berliner Polizisten mit 8 Schüssen ermordeten Dennis J. und von der Initiative zur Aufklärung des Todes von Oury Jalloh , der 2005 in einem Dessauer Polizeirevier bei lebendigem Leib verbrannte. Sie drückten den Angehörigen von Slieman ihr Mitgefühl aus und appelierten an sie, sich nicht von Polizei und Medien "mundtot" machen zu lassen und weiter für die Aufklärung der Todesumstände und gegen Polizeigewalt zu kämpfen. 

 

In einer Grußaddresse aus Dortmund wurde auf den Fall eines 32jährigen Menschen aus Dortmund eingegangen, der ebenfalls bei einem Pfeffersprayeinsatz zu Tode kam und für den es am 19. März eine Demonstration geben wird. Anarchist Black Cross Berlin (ABC) und die Antifaschistische Revolutionäre Aktion Berlin (ARAB) versuchten in ihren Redebeiträgen die Funktion der Polizei als gewalttätige Instanz zur Durchsetzung und Verteidigung der herrschenden Macht- und Eigentumsverhältnisse zu thematisieren und sich für eine fundamentale Absage an das kapitalistische System und seinen Schlägerbanden auszusprechen. 

 

Vor dem Polizeirevier an der Hauptstrasse, aus dem die Beamt_innen kamen, die für den Tod Sliemans verantwortlich sind, fand eine Kundgebung statt, auf der die Angehörigen des Ermordeten eine anklagende Rede gegen die Täter_innen auf deutsch und arabisch hielten. Danach wurde mit einer Schweigeminute allen Opfern von Polizeigewalt gedacht. Die Schweigeminute endete mit wütenden "Mörder! Mörder!"- Sprechchören, die mehrere Minuten anhielten. Im Anschluss löste sich der Demonstrationszug Hauptstrasse Ecke Dominicusstrasse auf. Die Berliner Polizei war mit einem massiven Großaufgebot aufgefahren, hielt sich aber während des Umzuges weitgehend im Hintergrund. 

 

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No Justice – No Peace: Slieman – wir vergessen dich nicht 

 

Am 28. Februar des vergangenen Jahres wurde die Berliner Polizei zu einem Einsatz nach Schöneberg gerufen. Die Gegend hat bei den Beamten des Polizeiabschnitts ein schlechten Ruf. „Kanackenghetto“ nennen die Beamt_innen die Gegend um das Pallas-Center in Schöneberg hinter vorgehaltener Hand. Armut, soziale Ausgrenzung und die negativen Auswirkungen der deutschen Sozial- und Migrationspolitik machen sich hier deutlich bemerkbar. Weil unser Gesellschafts- und Wirtschaftssystem den Jugendlichen keine Perspektive außer Armut, Drogen und Plattenbauten bietet – suchen diese sich andere – nicht immer legale – Möglichkeiten an Geld und Eigentum zu kommen. Während die Kinder in Zehlendorf Tennis und Piano lernen, geht es hier auf den Straßen schon früh um Respekt, Geld und mitunter auch Gewalt. 

Nun ist es in der letzten Zeit – nicht erst seit Thilo Sarrzin – in Mode gekommen, für solche Zustände nicht die gesellschaftlichen Verhältnisse in denen junge Menschen heranwachsen verantwortlich zu machen, sondern die jungen Menschen selbst. Diese werden von den Medien per se als gewaltbereit, intergrationsunwillig und sozialschmarotzend dargestellt. 

 

Dementsprechend schwer beladen mit sozialdarwinistischen und rassistischen Vorurteilen machten sich die Beamt_innen am Abend des 28. Februar auf den Weg zur Wohnung von Sliemans Eltern. Dort war Slieman mit einem Nachbarn über die Lautstärke in Streit geraten. Sliemans Eltern hatten verhindern wollen, dass es zu einer Schlägerei zwischen den zwei Streiparteien kommt und hatten die Polizei gerufen, damit diese die Situation „beruhigt“. Leider ist „deeskalieren“ und die Situation „beruhigen“ nicht eben das Fachgebiet der Berliner Polizei. Dafür greifen die Beamt_innen umso schneller zu Schlagstock und Pfefferspray. 

 

So auch am Abend des 28. Februar 2010. Die Beamt_innen sahen in Slieman vor allem einen aufgebrachten, tendenziell gewaltbereiten „Schwarzkopf“ und versuchten somit gar nicht erst verbal auf ihn einzuwirken. Stattdessen machten sie das was sie am besten können und wofür sie auch bezahlt werden: Prügeln, Treten, Pfefferspray versprühen. Die Eltern von Slieman berichteten: 

 

Wir hörten Schreie, dann war es still. Ein paar Minuten nachdem die Polizei gekommen war, um die Situation zu „deeskalieren“, war Sliemann tot. Die Situation war befriedet: der Preis war ein Menschenleben. Einen Monat später wurde ein Ermittlungsverfahren gegen die beteiligten Polizist_innen eingestellt. Erst nach Protesten der Angehörigen wurden die Ermittlungen vor zwei Wochen wieder aufgenommen. 

 

Leider ist der Fall von Slieman kein Einzelfall. Immer wieder kommt es zu Übergriffen der Berliner Polizei mit tödlichen Folgen: Sylvester 08/09 wurde Dennis J. von einem Bullen bei einer Fahrzeugkontrolle mit 8 Schüssen hingerichtet. Der Bulle hat für diese Hinrichtung die lächerliche Strafe von 2 Jahren Bewährung bekommen. Begründung: Er könnte im Knast ja auf Leute treffen, die er verhaftet hat und das solle ihm nicht zugemutet werden. Vor drei Jahren wurde bei Berlin ein Jugendlicher, der eine Bushaltestelle demoliert haben soll, von einem Bullen ermordert. 

 

Doch warum kommt es so oft zu solchen „tragischen Einzelfällen“ und warum werden die Bullen von den Gerichten selten belangt? Die Antwort liegt in diesem Scheißsystem in dem wir leben und das von Sozialarbeiter_innen, Lehrer_innen und Bullen „Demokratie“ und „Rechtsstaat“ genannt wird. Wir nennen es lieber „Schweinesystem“ und „Kapitalismus“. 

Der Staat behält sich vor, als einziger Gewalt ausüben zu dürfen, das heißt unmittelbarer körperlicher Zwang, um den Willen anderer Menschen zu brechen. Alle Gewalt in diesem System ist illegal, wenn sie nicht von Polizei oder Militär auf Grundlage von „Gesetzen“ ausgeübt wird. Der Sinn und Zweck dieser staatlichen Gewalt ist es, die Sicherheit und das Funktionieren des kapitalistischen Systems zu gewährleisten. Wer dagegen verstößt und selber Gewalt anwendet, wird mit Knast bestraft. Der Staat findet es also nicht geil, wenn seine Schläger_innen (auch Bullen genannt) über das Ziel hinausschießen und „zuviel“ Gewalt anwenden, wie in Sliemans Fall geschehen. 

 

Trotzdem muss der Staat seine Hand schützend über den Bullen halten, auch wenn er den Mord nicht in Auftrag gegeben hat oder unterstützt. Denn die Bullen sind es, die für den Staat die Drecksarbeit machen und für ihn Gewalt ausüben. Das heißt Leute wie uns, die nicht zufällig schweinereich sind, mit Gesetzen das Leben schwer zu machen, uns zu kontrollieren und am besten wegzusperren. Damit diese Bullen aber weiter motiviert sind, gegen uns Gewalt anzuwenden, darf der Staat es mit den Gesetzen bei Bullen nicht so genau nehmen und muss ihnen eine gewisse „Narrenfreiheit“ garantieren. Deshalb werden einzelne „Fehltritte“ gedeckt. Um das System der Gewalt am laufen zu halten. Denn das Problem sind nicht die „Einzelfälle“, „Fehltritte“ und „überzogene Bullengewalt“ wie bei dem Fall von Slieman oder Dennis. Hier wird nur die Absurdität des staatlichen Gewaltmonopols besonders deutlich. Das Problem ist die ganz alltägliche „normale“ Bullengewalt. Die Personalienkontrollen, die Festnahmen, die Schikanen. Auch wenn dabei keiner liegen bleibt. Es reicht deshalb nicht „Gerechtigkeit“ zu fordern, sondern wir müssen die Bullen, den Staat und seine Gewalt grundlegend in Frage zu stellen. 

 

Denn die Bullen machen keine Fehler, sie sind der Fehler!! 

 

Antifaschistische Revolutionäre Aktion Berlin [ARAB]

 

Bandidos bei der Demo


Berichten zufolge waren um die 15 Mitlglieder des Rockerclubs Bandidos als Ordner auf der Demo eingesetzt. Die Bandidos positionieren sich nicht eindeutig gegen Nazis, einige tragen gar Thor Steinar. Einnahmequellen dieser Leute sind Türstehen, Prostitution und Drogen. Ein selstsamer Schulterschluss, der da am Samstag vollzogen wurde.

 

 

Der Fall Slieman H.

 

Es ist durchaus wichtig, erneut Aufmerksamkeit zu wecken über die ungeklärten Umstände des Todes Oury Jallohs, der in einer Polizeizelle verbrannte. Auch der Tod von Dennis J. wirft viele Fragen auf. In diese Reihe fahrlässiger bzw. vorsätzlicher Tötungen fällt der des Slieman H. in sofern auf, dass von Seiten derjeniger, die nun Polizisten Mord vorwerfen, keine plausible Schilderung der Umstände, unter welchen Slieman starb, zu vernehmen ist, wo es doch danach schreit. Offensichtlich war es Slieman H.s eigene Familie, die sich von ihm bedroht fühlte und die Polizei rief. Bei dem Polizeieinsatz stirbt H., doch was geschah bis da hin? Kann man hier wirklich von Mord sprechen?

Wenn ein Mensch bei einem Polizeieinsatz stirbt, ist dies Anzuklagen, und Aufklärung sowie Konsequenzen sind einzufordern. Doch wenn jetzt unreflektiert "Mörder" geschriehen wird, betreibt man keine Aufklärung. Die eigene Glaubwürdigkeit leidet unter diesem Verhalten. Andererseits kann die Integrität solch obskurer Gruppen wie der ARAB (Antifaschistische Revolutionäre Aktion Berlin) auch nicht mehr allzusehr leiden.

Redebeitrag von Anarchist Black Cross Berlin


Die Polizei – dein Freund und Helfer? 


Obwohl ständig versucht wird uns solch ein Bild zu verkaufen, stellt die Wirklichkeit die Dinge anders dar. Denn für wie viele von uns entspricht es tatsächlich der Realität, dass die Herren und Damen in Uniform dafür da sind um uns zu beschützen?

Offensichtlich nicht für diejenigen, die aufgrund von Arbeitslosigkeit oder geringen Einkommen sich zum Beispiel gezwungen fühlen anders an die Notwendigkeiten des Lebens heranzukommen, durch Wege und Mittel, die nicht als „legal“ gelten; aber auch nicht für diejenigen, die keine gültigen Papiere besitzen und „illegal“ nach Deutschland kommen, weil ihre Länder durch Kriege und Plünderungen zerstört werden, immer mit der Beteiligung von westlichen Staaten. Für sie kümmert sich die Polizei um eine schnelle Abschiebung.

Und die FreundInnen und Familien von Sliman und Dennis? Viele BewohnerInnen von Stadtteilen wie Neukölln, Schöneberg, Kreuzberg – um nur einige zu nennen – haben allzu oft gewisse Erfahrungen mit der Polizei gemacht, wo von Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft nichts zu spüren ist. Die kaltblütige Ermordung von Dennis und Sliman stellt die traurige Krönung dessen dar und kein Zufall, der in den verschlossenen Räumen eines Gerichtsgebäudes aufgeklärt werden kann.

Dies wird nochmals durch den Prozess gegen die Mörder von Dennis klargestellt: der Schütze hat zwei Jahre auf Bewährung bekommen, während jeder andere Mensch, der keine Uniform trägt, eine Gefängnisstrafe abzusitzen hätte. Gegen die Mörder von Sliman wird mit hoher Wahrscheinlichkeit demnächst der Prozess eröffnet werden, nachdem verschiedene Menschen den Fall wieder in die Öffentlichkeit gebracht haben. Unserer Meinung nach verdeutlicht dies nur das unsere Antwort auf Polizeigewalt – und die Polizei im Allgemeinen – nicht dem Staat überlassen werden kann. Denn dieser wird nie seinen verlängerten Arm bestrafen. Deshalb rufen wir auch nicht zu einer Bestrafung durch Knast auf, stattdessen begrüßen wir mit Solidarität und Freude alle unterschiedlichen Handlungen, die im Alltag die Rolle der Polizei in Frage stellen. Wir dürfen dabei aber nicht vergessen das sie am Ende nur die willigen Wachhunde von Staat und Kapital sind. Zum Schutze der besitzenden Klasse und als handlanger von Politik, Richter und Staatsanwälte, kurz, all jenen die ein Interesse am fortdauern des Bestehenden haben und uns das Elend aufzwingen welches uns umgibt. Für sie bedeuten Worte wie Solidarität und gegenseitige Hilfe eine bedrohung einer Welt die sie auf Unterdrückung und Ungleichheit aufgebaut haben.
Alle Menschen, die sich gegen diese Zustände wehren und versuchen diese Situation zu verändern, müssen sich mit der legitimierten Staatsgewalt – in alle seinen Erscheinungen – auseinandersetzen. Das haben wir neulich bei der Räumung des Hausprojekts Liebig14 in Friedrichshain gesehen, bei den Blockaden gegen den Naziaufmarsch in Dresden oder bei den Demonstrationen für Dennis, die mehrmals angegriffen worden sind. All dies spricht dagegen auch nur einen positiven Glauben in die Polizei und alle anderen uniformierten BeschützerInnen dieser Ordnung zu schenken.

Uns bleibt nichts anderes als unser eigenes Leben in die Hände zu nehmen, ausgehend von Selbstorganisation und Selbstverwaltung, unabhängig von staatlichen Institutionen und Staatsgewalt, für eine würdiges und freudevolles Leben. Dieser Kampf kann sich in unseren Augen nicht den Regeln unterwerfen, die in den Gesetzbüchern niedergeschrieben sind, sondern braucht dessen gesundes Ablehnung, um jetzt anzufangen die Welt zu verwirklichen, die wir in unseren Herzen tragen.