›Wir sind nicht eure Geldautomaten‹ (Parole aus Italien, 2010)

You can't buy happiness. Steal it.

Wir haben analysiert, gemahnt, vorhergesagt. Wir haben gewarnt, wir haben lange gewartet. Wir haben gehofft, gefordert, wir haben demonstriert. Es wird Zeit, dafür zu sorgen, dass das nicht eintritt, was wir alle nicht anders erwartet haben. Es wird höchste Zeit, nicht länger in eine andere Richtung zu zeigen, sondern sie selbst zu ändern.

 

Rot-Grüne Reformsalven und schnee-weißes Pulver

 


Was die Kohlregierung in vielen kleinen Schritten vorantrieb, die Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums von unten nach oben, trieb die rot-grüne Regierung ab 2002 mit Kanonenschlägen auf die Spitze. Agenda 2010 nannten sie ihr Reformwerk, was nichts anderes hieß, als die Sozialsysteme zu sprengen, das Lohn- und Rentenniveau drastisch zu senken, prekäre Arbeit zum Kern dieses Systems zu machen und Flexibilisierung zur erschöpfenden Norm eines Arbeitsalltags:



* Bereits 1998 belief sich die Summe, die im Sozialbereich ›eingespart‹ wurde, auf rund 100 Milliarden Mark: »Regierungsamtlich steht fest, daß kein anderes Land in Europa die sozialen Streichungen in den 90er Jahren so weit getrieben hat wie Deutschland.« (FR vom 30.7.1998)


* »In Deutschland sind die Reallöhne in den vergangenen zehn Jahren (zwischen 1995- 2004) um 0,9 Prozent zurückgegangen. Damit liegt die Bundesrepublik an letzter Stelle der 15 alten EU-Länder.« (FR vom 16.6.2005)


* »Billiglohnland BRD: Die Nettolöhne und -gehälter sind 2006 auf den niedrigsten Stand seit 20 Jahren gesunken.« (Junge Welt vom 27.9.2007)


* »Der Niedriglohn-Sektor in Deutschland wuchs so rasch wie in kaum einem anderen Land. 2008 waren fast 23 Prozent der Beschäftigten Geringverdiener, die weniger als 8,90 Euro pro Stunde erhielten (…).« (FR vom 8.2.2010)


* »Zwischen 1991 und 2004 schrumpfte die Zahl der Vollzeitbeschäftigten um fast sechs Millionen oder rund 20 Prozent auf 23,75 Millionen. Dagegen verdoppelte sich die Zahl der Arbeitnehmer in Teilzeit einschließlich der nur geringfügig Beschäftigten auf 11 Millionen.« (FAZ vom 19.07.2005)


* Die gesetzlich garantierten Rentenleistungen (bezogen auf das Jahr 2030) sind seit 1993 um ca. 40 Prozent gekürzt worden - durch Verlängerung der Lebensarbeitszeit, neue Berechnungsmodis etc..(vgl. FR vom 11.8.2003)


Was für die Mehrheit der Menschen in Deutschland einen ruinösen Wettlauf nach unten bedeutete, sollte für Konzerne und Finanzunternehmen eine bis dato nie da gewesene Jagd auf Renditen, Märkte und billiges ›Humankapital‹ (Unternehmerdeutsch für verwertbare Menschen) einläuten. Dank niedriger Löhne, massiver Steigerungen der Produktivität und einschneidender Senkungen so genannten ›Lohnnebenkosten‹ (Krankenkassenbeiträge) avancierten die deutsche Industrie zum ›Exportweltmeister‹ und die deutsche Bundesregierung zum Liga-Chef innerhalb der EU.


Parallel dazu öffnete man die Schleusen für das Finanzkapital (durch so genannten Finanzmarktreformen), deregulierte bis zum Geht-nicht-mehr, bis allen Akteuren vor lauter ›Outperformance‹ nicht mehr gerade aus schauen konnten.

Als 2007 die ersten Stimmen mahnend vor einem drohenden Finanzcrash warnten, lachte man sich tot und feierte weiter, mit traumhaften Renditen, Bonizahlungen und After-Work-Partys. Selbst für Gewerkschaftsfunktionäre war genug übrig: Man bespaßte sie, flog Prostituierte ein und machte mit Sonderzahlungen aus ›schwarzen Kassen‹ aus Interessenvertretern der Lohnabhängigen Partygäste auf einem Luxusliner.


Niemand wollte sich die Kurs- und Profitrallye madig machen lassen, niemand wollte zuerst aussteigen, auch wenn die Wand, auf die man zufuhr, deutlich zu sehen war. Wer zuerst bremst, hat verloren, war die Devise. Und die zweite lautete: Wenn es jemand erwischt, dann nicht uns. ›To big to fail‹ nennt sich dieser Safebag der Global Players, für den sie nicht einen Cent bezahlen würden.

 


Kassensturz


Dann brachen die ersten Banken wie Kartenhäuser zusammen und die Business-Class zeigte so lange aufeinander, bis es niemand mehr war, der dafür Verantwortung war. Das Wort vom ›anonymen Systemfehler‹ wurde der Schlüssel zur Generalamnestie. Die Schreihälse der Selbstheilungskräfte des Marktes, dessen ›unsichtbare Hand‹ alles regelt, verstummten und die staatlichen Adjutanten verwandelten sich über Nacht in Krankenschwestern milliardenschwerer Unternehmen. Die erste Notoperation war fällig: Der Staat übernahm mit mehr als 500 Milliarden Euro die Rettung des privaten Bankensektors.



Mit der Verstaatlichung der Krise war die nächste vorprogrammiert. Viele Staaten verschuldeten sich in einem Maße wie gewöhnlich nur in Kriegszeiten. Darauf folgte die ›Griechenland-Krise‹, die Krise für das vermeintlich einzig schwache Glied in der Euro-Kette. Wieder wurden allein von der deutschen Bundesregierung über 25 Milliarden Euro bereitgestellt, um einen drohenden Staatsbankrott, ein Auseinanderbrechen der Euro-Zone abzuwenden. Ein Rettungspaket, mit der Lüge geschnürt, Griechenland sei einzigartig, und dem rassistischen Ressentiment gewürzt, die ›Griechen‹ hätten über ihre Verhältnisse gelebt.



Kaum war die Griechenland-Hilfe beschlossen, wurde klar, dass sich hinter dem Baum der Wald versteckte. Die dritte Phase der kapitalistischen Krise war eingeläutet: die Europäisierung von Milliarden-Verlusten von Banken und Privatunternehmen. In einer Nacht- und Nebelaktion, in der sich auch noch das Parlament selbst entmachtete, wurde der nächste Rettungsring ins offene Meer geworfen. Über 750 Milliarden sollen die tödliche Konkurrenz der EU-Staaten am Leben erhalten.



Nun werden die Billionen an Euros, die im Euroraum zum Überleben von Banken und Konzernen eingesetzt wurden, aus denen herausgepresst, die in der Logik dieses Wirtschaftssystems kein ›systemisches Risiko‹ also keine Gefahr darstellen: Arbeitslose, Lohnabhängige, Geringverdienende, das ›letzte Drittel‹. Es folgt nun die Sozialisierung der Krise. In fast allen Euro-Ländern werden Schock- und Verarmungsprogramme beschlossen.


In Griechenland kam es zu mehreren befristeten Generalstreiks. In Italien, Spanien und Portugal werden die Möglichkeiten dazu ausgelotet. In Deutschland spricht der DGB-Chef Sommer davon, die Betriebe zu mobilisieren.


›Wir bezahlen nicht für eure Krise‹


Als der Vorschlag kam, im März 2009 zu Großdemonstrationen unter dem Motto ›Wir bezahlen nicht für eure Krise‹ aufzurufen, lehnte die Gewerkschaftsspitze eine Unterstützung mit der Begründung ab, das sei alles viel zu früh. Die Gewerkschaftsbasis und viele linke Gruppierungen riefen dennoch dazu auf: Was für die Gewerkschaftsspitze viel zu früh war, war für über 40.000 Menschen gerade richtig: Auf der Demonstration in Frankfurt beteiligten sich ca. 20.000 Menschen, in Berlin wollen die VeranstalterInnen noch mehr gezählt haben. Inhaltlich reichte das Spektrum von einer sympathischen Verweigerungshaltung bis zur grundsätzlichen Systemkritik. Praktisch und realpolitisch herrschte danach in allen politischen Spektren bleierne Stille. Man überließ den Herrschenden das Tempo, die Richtung, die Schlagzeilen und wartete in banger Ohnmacht auf das, was kommen musste.



Ein Jahr später, am 12.6.2010 fanden unter demselben Motto zwei Großdemonstrationen in Stuttgart und Berlin statt. Bei vorsichtiger Schätzung waren zusammen ca. 40.000 Menschen auf der Strasse, etwa genauso viele wie im Jahr zuvor. Bei nüchterner Analyse kein Erfolg, sondern Ausdruck politischen Stillstandes, was die Zahl der TeilnehmerInnen, vor allem aber, was die Ziele solcher Demonstrationen anbelangt. Vor einem Jahr ahnte man, wer für die Kapitalverbrechen in Billionen Höhe zahlen wird. Das Verarmungsprogramm für das ›letzte Drittel‹ lag in der Luft, jedoch noch nicht auf dem Tisch. Während die politische Klasse ihnen Fahrplan einhielt und ihrem Credo folgt: ›Wir lassen immer andere für unsere Krise bluten‹, drehten sich die Demonstrationen im Kreis gemachter Erfahrungen. Denn das Motto ›Wir bezahlen nicht für eure Krise‹ wird nicht durch seine Wiederholung eingelöst, sondern durch politische und praktische Konsequenzen, die daraus gezogen werden. Alle wissen und spüren es: Man kann noch Hundert Mal auf die Strasse gehen kann, Warnungen und Drohungen ausstoßen, ohne am Lauf der Dinge etwas zu ändern, solange man dieses Verarmungsprogrammen kritisiert und im wirklichen Leben ausbadet.

 


›Die Geschichte wiederholt sich nicht und wenn als Farce‹.


Das gilt nicht nur für die politische Klasse, also auch für jede Art der Opposition. Bei aller Sympathie für Menschen, die zum ersten Mal auf einer Demonstration waren, hat diese Wiederholung etwas Komödiantisches: Das Verarmungsprogramm steht und absolviert ungestört seinen parlamentarischen Weg, während man trotzig und wirklichkeitsfremd durch die Strassen ruft: Wir bezahlen nicht für eure Krise. Dabei spielt es überhaupt keine Rolle, ob man der Symbolik einen zivilgesellschaftlichen oder revolutionären Charakter gibt. Beide gehen wirkungslos denselben Weg, von A nach B, ohne eine Praxis, eine Handlungsmöglichkeit aufzuzeigen, die nicht nur etwas (ganz) Anderes fordert, sondern selbst etwas (ganz) Anderes tut.


Auf diesen wie auf den Demonstrationen ein Jahr zuvor wurden viele Forderungen aufgestellt und adressiert. Damals standen sie richtungweisend im Raum und zur Auswahl. Heute stehen sie genau so zahlreich, genau wahllos nebeneinander. Mit welchen Forderungen will man die Businessräume der Adressaten betreten – nicht symbolisch, sondern geschäftsschädigend, störend?



Welche Ziele kann man mit wem und mit welchen Mitteln durchsetzen? Wie muss ein Konzept aussehen, dass die Angst vieler berücksichtigt, ohne vor ihr zu kapitulieren?



Zwischen den ersten Demonstrationen und heute liegt zeitlich über ein ganzes Jahr. Praktisch, politisch, strategisch ist man auf der Nulllinie stehen geblieben.


Man muss kein ›Berufsdemonstrant‹ sein, um zu wissen, dass Forderungen nicht eingelöst werden, in dem man sie wiederholt, sondern indem man die politisch Verantwortlichen dazu zwingt, ihnen nachzugeben.



›Es geht auch anders‹ stand auf vielen Transparenten der Demonstration in Stuttgart. Wer würde das bestreiten? Nicht diese Feststellung ist falsch, sondern die fortgesetzte Untätigkeit, dafür zu sorgen, dass das ›Andere‹ auch passiert, aus dem Himmel der Andeutungen herabsteigt, um es in einer gemeinsamen Praxis sicht- und erlebbar zu machen.



Weder die Demonstration in Berlin noch in Stuttgart hatten das Ziel, über die Demonstration von zaghaften bis wilden Absichten hinauszugehen. Sie waren im Wesentlichen mit sich selbst beschäftigt. In Stuttgart konnte der Fraktionsvorsitzende der SPD im Landtag, Claus Schmiedel, die Bühne ›entern‹, obwohl die SPD aus gutem Grund nicht Teil des Bündnisses war. Es folgten wütende Proteste, nicht nur aus dem ›revolutionären Block‹, sondern gerade auch aus dem breiten Spektrum der ›Stuttgart-21‹ GegnerInnen, die seit Monaten gegen ein haarsträubendes, korruptes Prestigeprojekt protestieren, das weiteres öffentliches Eigentum privaten Investoren zum Schnäppchenpreis überlassen will.


Mit Rufen wie ›Wer hat uns verraten – Sozialdemokraten. Wer war mit dabei – die grüne Partei‹ oder ›Hartz IV – das wart ihr‹ und Rufen gegen ›Stuttgart21‹ wurde seine Rede gestört. Und als auch noch Tomaten und Eier flogen, wurden BFE-Einheiten auf die Bühne geholt, als hätten sich die Macher der Satire-Sendung ›Neues aus der Anstalt‹ all das ausgedacht.


Nicht die Eier und Tomaten, die diese Politik trafen, sind der Skandal, sondern die Tatsache, dass ein SPD-Politiker reden konnte, der die Politik der Agenda 2010 konsequent bis in die letzte Haarspitze dieser Gesellschaft treibt. Ein Politiker, der nicht die Privatisierung des Staates und die wachsende gesellschaftliche Verarmung kritisiert, sondern dass all dies - auf Bundesebene - nicht von der SPD fortgesetzt wird.


Vielleicht hat einigen dieses Spektakel gefallen, vielleicht haben sich viele über diese Abrechnung gefreut. Auch wenn das der Stimmung und Schadenfreude möglicherweise gut getan hat, bleibt etwas ganz entscheidendes auf der Strecke: Diese Demonstration ist in ihrer Grundausrichtung hinter der des letzten Jahre zurückgefallen: Ein Bündniskonsens nämlich, der ganz praktisch und lebensnah davon ausgeht, dass sich SPD – Grüne und CDU-FDP als ehemalige und aktuelle Regierungsparteien nicht unterscheiden, sondern lediglich in ihrem zeitweiligen Oppositionsgehabe. Das schließt nicht die Mitglieder oder WählerInnen dieser Parteien aus, jedoch deren politische Repräsentanten – auf der Bühne.


In Berlin hielt dieser Bündniskonsens. Dafür dominierte wieder einmal ein schikanöses Polizeikonzept. Eine rot-rote Polizeistrategie, mit der viele gerechnet hatten, und genauso viele nicht darauf vorbereitet waren. Kleinere, meist unkoordinierte Versuche, sich genau das nicht (länger) gefallen zu lassen, mündeten in Auseinandersetzungen, die die Polizei vorbestimmen, im Verlauf diktieren und am Ende als Rechtfertigung ihres Vorgehen zweitverwerten konnte.


Es wird Zeit, dass sich der Wind dreht!


All diese Erfahrungen sind in folgenden Aktionsaufruf eingeflossen. Er ist ein Aufruf an alle, an GewerkschaftlerInnen, an Lohnabhängige, Arbeitslose, RentnerInnen, außerparlamentarische Gruppen und Organisationen, diesen Weg gemeinsam zu gehen. Der Aufruf leugnet nicht die verschiedenen politischen Positionen und Differenzen. Er will sie nicht gegeneinander in Stellung bringen, sondern fruchtbar machen. Der Aktionsaufruf versucht, die Gemeinsamkeiten verbindlich und bindend zu machen. Die politischen Unterschiede werden in diesem gesellschaftlichen Prozess sicht- und streitbar bleiben, als Aufruf zur gemeinsamen, öffentlichen Debatte.

 

»Aufstand. Jetzt.« Frankfurter Rundschau (2010)


Bundesweiter Aufruf: ›Die Verursacher und Profiteure der Krise blockieren‹


»Es herrscht Klassenkrieg, richtig, aber es ist meine Klasse, die Klasse der Reichen, die Krieg führt, und wir gewinnen.« Multimilliardär Warren E. Buffet, 2005.


Klassenkrieg - das wollten die meisten nicht hören und nicht verstehen. Aber sie bekamen es zu spüren. Wie in anderen Ländern Europas wurden Löhne und Renten gekürzt, Leih- und Zeitarbeit systematisiert, der Niedriglohnsektor, das Prinzip ›Armut durch Arbeit‹ ausgeweitet, Arbeitszeiten verlängert, das Leben zusammengestaucht.



Die Gewinne explodierten, die Renditen in der Wirtschaft stiegen auf 15 – 20 Prozent. In der Finanzbranche wusste man selbst dies zu steigern. Profite von 50 bis 150 Prozent innerhalb von Minuten waren keine Seltenheit. Es herrschte Partystimmung im Business- und Wellness-Bereich.


Dann brachen die ersten Banken wie Kartenhäuser zusammen, ein weltweiter Kreislaufkollaps des Kapitalismus drohte. Die Schreihälse der ›Selbstheilungskräfte des Marktes‹ verstummten und der Staat übernahm mit mehr als 500 Milliarden Euro die Rettung des privaten Bankensektors.


Nun werden die Billionen an Euros, die im Euroraum zum Überleben von Banken und Konzernen eingesetzt wurden, aus den Lohnabhängigen und Arbeitslosen herausgepresst. In fast allen Euro-Ländern werden Schock- und Verarmungsprogramme beschlossen. Denn zumindest die Herrschenden sind sich einig: Wir zahlen nicht für unsere Krise, solange diejenigen stillhalten, die für uns immer bluten müssen.


Die schwarz-gelbe Bundesregierung will den Staatshaushalt in den nächsten drei Jahren um ca. 80 Milliarden Euro kürzen. 37 Prozent der geplanten ›Einsparungen‹ betreffen den Sozialbereich. Niemand braucht darüber diskutieren, ob das sozial ausgewogen ist. Es gibt nichts mehr zu analysieren, es gibt nichts mehr zu erklären. Hören wir also endlich auf, uns mit Klagen über soziale Kälte und sozialem Kahlschlag heißer zu reden und folgenlose Drohungen auszustoßen. Es ist Zeit, Taten folgen zu lassen!


Für den 12. Juni wurde unter dem bekannten Motto ›Wir zahlen nicht für eure Krise‹ abermals zu Großdemonstrationen in Berlin und Stuttgart aufgerufen. Die tatsächliche Mobilisierungskraft, die Zerwürfnisse innerhalb der Bündnisse und deren Verlauf waren eher von politischer Stagnation, als von Ermutung und greifbaren Perspektiven geprägt.

Alle wissen, dass die Parole ›Wir zahlen nicht für eure Krise‹ längst von der Realität überholt ist. Wenn wir mit diesem kleinsten gemeinsamen Nenner ernst machen wollen, dann müssen wir mehr tun, als mit vielen Menschen auf die Strasse zu gehen. Wir müssen die Richtung ändern, wir müssen die Symbolik hinter uns lassen, wir müssen dafür sorgen, dass die Angst die Seite wechselt. Es ist höchste Zeit, dass sich der Wind dreht, damit das Feuer nicht länger die Hütten niederbrennt, sondern die Paläste der Brandleger heimsucht.


Gründe gibt es mehr als genug. Und an Aufrufen mangelt es ebenfalls nicht. Nehmen wir z.B. diesen: »Aufstand. Jetzt! Wann, wenn nicht jetzt? Wer, wenn nicht wir? Die erste Bürgerpflicht nach Vorlage des schwarz-gelben Spardiktats heißt: Aufstand jetzt! (…) Es richtet sich in aller erster Linie gegen die sozial Schwachen. Die eh am wenigsten haben, sollen am meisten verzichten. Da mögen Merkel und Westerwelle von Fairness und Ausgleich reden, was sie wollen. Fakt ist: Sie lügen. Und noch schlimmer: Sie wissen das.« (FR vom 8.6.2010)


Sparen wir uns also die Zeit ellenlanger Erklärungen. Worauf es jetzt ankommt, dieser Wut eine Richtung, einen Ort, eine Chance zu geben – damit die Wut uns nicht auffrisst und die individuelle Ohnmacht nicht länger unseren Alltag bestimmt.


›Wir sind nicht länger eure Geldautomaten‹



Als gemeinsame Aktion einer bundesweiten Kampagne schlagen wir vor, die Zentralen von zwei ›systemischen Banken‹ der Deutschen Bank und der Commerzbank in Frankfurt für einen Arbeitstag zu blockieren. Ziel ist es, den Geschäftsbetrieb zu stoppen, die Business-Party für einen Tag auf den Kopf, also auf die Füße zu stellen. Unsere Forderung ist schlicht: Ihr zahlt die Billionen Euro, die euer Finanzkrieg gekostet hat. Wir werden euch nicht in Ruhe lassen, wir werden wiederkommen, an vielen Orten, zu den unpassendsten Gelegenheiten und Zeiten.


Mit einem bundesweiten Aufruf ist weder alles gesagt, noch alles getan. Es ist ein Anfang gemacht, ein Signal gesetzt, mit dem Ziel, dass in der Folge in allen Städten, in jeder Woche an einem Tag eine Bank mit ›systemischen Risiko‹ belagert wird. Der Weg ist lang und offen, er führt über Banken, über ihre Beteiligungen an Konzernen, bis hin zu den politischen ›Beraterstäben‹, den Headquarters der Regierung.


Dazu brauchen wir ein gemeinsames Startsignal; einen langen Atem und ein Konzept, das möglichst vielen eine Teilnahme ermöglicht. Wir brauchen ein Konzept, das zwischen folgenlosen, störungsfreien Demonstrationen und Fantasien vom Aufstand oder Generalstreik einen Weg beschreibt und beschreitet.


Wir sind überzeugt davon, dass es hier in Deutschland weder an Analysen noch an Forderungen fehlt, die entweder den Kapitalismus ›zügeln‹ oder aber überwinden wollen. Über die Richtigkeit der Analysen und Forderungen wird aber nicht auf dem Papier oder in Konferenzen entschieden, sondern in einem gesellschaftlichen Prozess, der möglichst viele Menschen zu Handelnden macht. Gelänge es uns, in einem großen Bündnis die Zeichen umzukehren, jenen endlich Angst zu machen, die seit Jahren mit unserer Angst spielen und von ihr leben, dann hätten wir noch genug Zeit, über die nächsten Schritte zu beraten und zu entscheiden. Im Rahmen unseres Aktionskonzepts schlagen wir folgende zentralen Forderungen vor:


* Sofortige Einführung einer Finanztransaktionssteuer



* Besteuerung aller Vermögen über 1 Million mit 5%



* Sofortige Umsetzung der Forderung nach 500,- Euro Hartz IV-Eckregelsatz, 10 Euro Mindestlohn und einer 30-Stunden Arbeitswoche bei vollem Lohnausgleich


Als Aktionskonsens schlagen wir vor, uns am Dresdner Konzept gegen den Neonaziaufmarsch im Januar 2010 zu orientieren. Eine gute Basis, in der Entschlossenheit und Breite, Radikalität und Masse nicht gegeneinander stehen, sondern miteinander verzahnt werden. Ein Konzept, das für viele in Heiligendamm 2007 spürbar, in Dresden 2010 erfolgreich war und bei den angekündigten Castor-Transporten 2010 für eine neue Qualität des Widerstands sorgen wird.



Als Termin für eine zentrale Aktion in Frankfurt schlagen wir euch den Herbst 2010 vor. Wir bitten euch, uns noch vor den Sommerferien eure Zustimmung/Ablehnung zukommen zu lassen. Eine Zustimmung, die den Weg betrifft, nicht die Details, die wir gemeinsam besprechen müssen.


Mit dem entsprechenden Votum werden wir zu einer Aktionskonferenz für Samstag, 11. September 2010 nach Frankfurt einladen.


Gruppen, Organisationen, Einzelpersonen, die diesen Aufruf unterstützen, bitten wir um eine Nachricht an folgende Adresse: ag_georg.buechner@yahoo.de


Auf dass sich der Wind dreht.« (Aktionsgruppe Georg Büchner & Co. Juni 2010)

 

 

Die Kugel rollt durch den Raum. Es ist zu hoffen, dass möglichst viele sie aufgreifen. Die Richtung, die die Kugel nehmen soll, ist beschrieben, über das Gewicht und die Wurfweite entscheiden alle Beteiligte.

 

 

Wer noch einmal in Ruhe einen Blick auf die angerissen letzten 20 Jahre werfen will und auch der Frage nachgehen will, wie viel Reform, wie viel Radikalität und wie viel Utopie ein Kampf braucht und aushält, dem sei folgender Text ans antagonistische Herz gelegt:

 

 

 http://wolfwetzel.wordpress.com/2009/03/25/alles-geht-kaputt-alles-geht-kaputt-und-ich-lache-2/

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Danke!

 

Nur schade dass es nicht ausreicht dass Menschen sich mal selbst verändern und zb. endlich ihren Arsch hier her bewegen um einen aus der Scheisse zu holen, klare Signale geben damit sie aus der Scheisse geholt werden dürfen, dann zu einem halten, zulassen dass mensch loyal zu ihnen ist; wir gemeinsam etwas ändern könnten oder/und aufbauen dass sich der Änderungen um uns herum stabil entgegen stellt.

 

So klammern sich alle an ihre starken Umfelder und ich hoffe dass sie alle mindestens einen Menschen der ihnen wichtig ist verlieren und lernen was es heißt wenn Du immer nur zuschaust, zuhörst, mitliest ohne endlich Dich her zu bewegen um einem die Hand zu reichen!

 

Danke für den Artikel! Schön dass es noch mehr Menschen gibt die keinen Bock mehr auf das gesellschaftliche Palaber haben! Sie schreien förmlich nach einem Krieg zwischen ihnen und uns!

Am 17.11. findet eine globale Aktionswelle statt.