Gänseblümchen sind schöner – an jedem Tag im Jahr

Gänseblümchen sind schöner – an jedem Tag im Jahr 1/2

Am Sonntag, den 14. Mai war Muttertag – der Tag im Jahr, an dem in Deutschland die meisten Schnittblumen verkauft werden. Wir haben den Muttertag zum Anlass genommen um beispielhaft zu verdeutlichen, warum das unbedachte Verschenken jeder einzelnen importierten Schnittblume, unabhängig vom Anlass, die Würde von Menschen bescheißt.

 

https://www.youtube.com/watch?v=p0biS1vmoOQ

(youtube: Gänseblümchen sind schöner)

 

Dieses Video und das dazugehörige Flugblatt stellen die Arbeitsbedingungen und Umweltrisiken des Schnittblumenanbaus im globalen Süden dar und weisen auf kapitalistische Produktions- und Ausbeutungsverhältnisse als Fluchtgrund hin.

 

Das Flugblatt haben wir (bereits am 13. Mai) innerhalb von sieben Stunden (bei gutem Wetter und mit einem Megaphon bestückt) rund 2000 Mal in Frankfurt verteilt - auf Wochenmärkten, in U- und S-Bahnen, in Bahnhöfen, auf der Strasse in Bornheim, Bockenheim, Gallus und der Innenstadt.

 

Gänseblümchen sind schöner

 

Am Sonntag, den 14. Mai ist Muttertag – der Tag im Jahr, an dem in Deutschland die meisten Schnittblumen verkauft werden. Wir fragen, was dieser "Muttertag" überhaupt soll. Und wir erklären, warum das unbedachte Verschenken jeder einzelnen importierten Schnittblume, unabhängig vom Anlass, auf die Würde von Menschen immer wieder aufs Neue scheißt.

 

Seit den 1980er Jahren sind, zumindest in Europa, die Niederlande bekannt als das wichtigste Produktionsland von Schnittblumen. Den größten Absatzmarkt stellt heutzutage Deutschland dar, das rund 80 Prozent der verkauften Schnittblumen aus den Niederlanden importiert. Im Unterschied zu den 1980er Jahren werden die Blumen aber nicht mehr in den Niederlanden gezüchtet. Lediglich einige der weltweit größten Umschlagplätze befinden sich noch im sogenannten "Blumenland".


Mittlerweile werden Blumen auf riesigen Plantagen in Ländern südlich des Äquators gezüchtet. Als Schnittblumen werden sie dann tonnenweise auf dem Luftweg über Umschlagplätze weltweit verteilt. Die enormen Transportkosten fallen nicht ins Gewicht, da die Produktionskosten und Löhne, insbesondere in den meisten Ländern Südamerikas, Asiens und Afrikas, zügellos gedrückt werden. Die ArbeiterInnen sind schutzlos immer härterer Ausbeutung ausgeliefert. Demgegenüber steigen die Produktionskosten innerhalb der Europäischen Union, da seit 2005 zunehmend Vorschriften bezüglich des Umgangs und Einsatzes von Pestiziden und zum Schutz der Umwelt beschlossen wurden. Anders als im globalen Süden bestehen in den westlichen Industriestaaten Rechte zum Schutz der ArbeiterInnen. Es gibt Gewerkschaften, den Mutterschutz und einen, wenn auch niedrigen, Mindestlohn – natürlich nur, wenn Mensch den richtigen Pass besitzt. Kinder sind verpflichtet, die Schule zu besuchen und Kinderarbeit ist verboten.


Für Konzerne haben diese Entwicklungen zweierlei Auswirkungen. Einerseits wachsen die Produktionskosten aufgrund dieser sozialen Errungenschaften. Diese waren dazu gedacht, Mensch und Umwelt in diesen Ländern vor den unweigerlichen Folgen des kapitalistischen Systems zu schützen. Die UnternehmerInnen wurden rechtlich in die Pflicht genommen, soziale Mindeststandards für die Beschäftigten zu gewährleisten. Diese Errungenschaften, wie der Kündigungsschutz und andere soziale Sicherungsmaßnahmen zu Gunsten der ArbeiterInnen, wurden hart erkämpft. Sie sind nach wie vor ein Dorn im Auge der Kapitalisten und müssen immer wieder neu erkämpft werden. Zum Anderen profitieren die Konzerne von kaufkräftigerem, besser ausgebildetem, qualitativ hochwertigem und länger haltbarem „Humankapital“ - um es zynisch bzw. marktwirtschaftlich korrekt auszudrücken.


Im globalen Süden gibt es weder derlei erkämpfte ArbeiterInnenrechte, noch ein Interesse von Seiten des Industriekapitals, an der existenziellen Situation der ArbeiterInnen in diesen Staaten etwas zu verändern. Die prekären, täglich existenzgefährdenden Bedingungen, die die Menschen vor Ort dazu zwingen, fast jede Arbeit anzunehmen, so miserabel die Arbeitsbedingungen und der Lohn auch sein mögen, sind gerade ein Grund dafür, dass UnternehmerInnen dort für sich produzieren lassen.


Es besteht ein riesiger Absatzmarkt für billige Schnittblumen, der durch den Blumenanbau in den Niederlanden nicht mehr gedeckt werden kann. Als Folge werden riesige Blumenplantagen in Ländern südlich des Äquators hochgezogen. Monokulturen, die den fruchtbaren Boden langfristig zerstören und es unmöglich machen, ihn zur Nahrungsmittelproduktion zu nutzen. Möglich machen das Freihandelsabkommen, die unter Druck der mächtigen westlichen Industrienationen auf die Staaten des globalen Südens entstehen. Sie erlauben es transnationalen Konzernen durch vielfältige Mechanismen, wie Landraub, Lohndumping im Agrarsektor, Spekulation, Patentierung, Vertreibung und massiven Pestizideinsatz (z.B. Roundup von Monsanto, bald Bayer) die lokale Lebensmittelproduktion und einheimische Märkte zu zerstören. Lokale Kleinbetriebe können mit subventionierten Billigimporten aus Europa nicht mehr mithalten und sind infolgedessen nicht mehr konkurrenzfähig. Diese und viele andere Gründe stellen die Ursache dafür dar, dass Millionen Menschen weltweit ihre Existenzgrundlage verlieren. Sie müssen sich in den städtischen Fabriken ohne jeden Arbeitsschutz für einen Hungerlohn ausbeuten lassen, damit sie sich selbst und ihre Familien überhaupt ernähren können.


Von einem menschenwürdigen Leben kann keine Rede sein. Wollen sie nicht in den Elendsquartieren der Städte oder in den Slums vegetieren, erscheint als einziger Ausweg die Flucht aus ihren Ländern – doch Europa bekämpft die Flüchtenden, nicht die Fluchtursachen!


Kinder verschenken Jahr für Jahr Schnittblumen an ihre Mütter zum Muttertag.


Die gleichen Schnittblumen, die durch Pestizide die BlumenverkäuferInnen selbst hierzulande gesundheitlich belasten (Geschädigte Atemwege, Allergien, Hautkrankheiten).


Die gleichen Schnittblumen, bei deren Anbau ArbeiterInnen gezwungen werden, zu menschenverachtenden Bedingungen zu arbeiten.

Die gleichen Schnittblumen, mit denen zugleich Hunger und Elend produziert wird.

 

Frauen hierzulande bekommen einen Blumenstrauß zur Anerkennung ihrer Rolle als Mutter (wie das "Mutterkreuz" zur NS-Zeit), während Frauen im Globalen Süden zur gleichen Zeit unfruchtbar werden, weil sie beim Züchten dieser Blumen dem ungeschützten und unmittelbaren Kontakt mit Pestiziden ausgesetzt werden. Für die Erhöhung des gewinnbringenden Ertrags, den sie erarbeiten, werden sie krank und leben in Armut.


Dieses Verhältnis ist an Perversität und Ungerechtigkeit kaum zu überbieten! Möglich gemacht wird es durch die gegenwärtig herrschende – kapitalistische – Produktionsweise.

 

Im Kapitalismus geht Profit über alles. Die geschilderten Verhältnisse sind nur ein Beispiel, wie im Kapitalismus die Lebensgrundlagen von Millionen Menschen weltweit zerstört werden. Wir haben diesen Text geschrieben, um auf die menschenfeindlichen Auswirkungen dieses Systems hinzuweisen. Es wird sich aber nichts von allein zum Besseren wenden, sondern gemeinsam müssen wir eine andere, solidarische Gesellschaft erkämpfen. Es ist Zeit zum Handeln! Das Problem heißt Kapitalismus! Fluchtursachen bekämpfen heißt Kampf dem kapitalistischen System!

 


 

Fragen, Rückmeldungen oder die Lust mitzumachen?

E.Mail: Fluchtursachen-bekaempfen_ffm@riseup.net

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"Frauen hierzulande bekommen einen Blumenstrauß zur Anerkennung ihrer Rolle als Mutter (wie das "Mutterkreuz" zur NS-Zeit)"

Im Sozialismus der Sowjetunion war der Muttertag eben so angesehen wie der internationale Frauentag, und zu beiden hat man als Anerkennung Blumen verschenkt. Ich halte den NS-Vergleich beim Blumen schenken für ein bisschen weit hergeholt. Natürlich habt ihr Recht was die golbalisierungsbedingte Ausbeutung angeht, aber was wäre eine Alternative? Totaler Boykott bis zur abschaffung des Tages? (hat beim Internationalen Tag der Frau an dem auch zumeist von uns Sozialisten Blumen verschenkt werden und auf Indy viele Artikel gepostet wurden auch niemanden gestört mit den Blumen) Oder wollt ihr Protektionismus für die "einheimische" Landwirtschaft? Die Ausbeuterischen Verhältnisse sind 1 zu 1 auf die Textilindustrie in Bangladesh übertrabgbar. Was würde passieren wenn ab morgen Niemand mehr bei H&M (dem schlimmsten unter den Ausbeutern), KIK, Primarkt, Sinn Leffers,C&A ect.NICHTS mehr kauft als Boykott gegen Ausbeutung? Alle bengalischen Menschen aus der Textilindustrie hätten auf einen Schlag keinen Job und nichts mehr zu essen da es in solchen Ländern kein Sozialsystem gibt was die Menschen auffängt. Hier solche Aktionen zu machen haben einen guten Willen, aber ändern de facto GARNICHTS. Man muss einfach direkt Gewerkschaften , Arbeitskampf und sozalistische Organisationen und die Textilarbeiter fördern. Entweder in dem man vor Ort reist und sich solidarisiert oder indem man Geld für die gute Sache spendet.Ich habe z.B vor 2 Jahren auf Cuba in meinem Jahresurlaub (minus 5 Tage) als Maurer an der Errichtung eines sozialistischen Volkskrankenhauses mitgearbeitet das Menschen kostenlos versorgt. Dachte auch das wäre ein super Ding. Aber die Genossen da haben mich zur Seite genommen und gesagt "Klasse Aktion, aber wenn du statt hier Maurerarbeiten als IT-Kaufmann machst lieber das Geld für den Hin und Rückflug gespendet hättest, hätten wie hier 8 hauptberufliche Profimaurer engagieren können für die selbe Zeit die sonst keinen Job hätten und du könntest dich in deinem Urlaub lokalen sozialistischen Projekten in deiner Heimat widmen..... und irgendwie haben sie recht. Aber Aktivismus und ein paar Zettelchen zur Gewissensberuhigung zu verteilen ist nur mal einfacher als das lieber Geld herzugenen was einem den Wohlstand sichert, nä?

Andrej, du argumentierst hier teilweise  gegen Dinge, die das Flugblatt gar nicht hergibt. Ich befürchtete bei diesem Text zunächst einen weiteren drögen Aufruf zu "politisch korrekten" Konsumverhalten. Jedoch informiert das Flugblatt in einer Weise, die dazu anregt nachzudenken und sich weiter mit dem Thema zu beschäftigen. Ich finde, es zeigt auf geschickte Weise, dass der Imperialismus eben ein globales Ausbeutungsverhätnis ist und nichts, was nur vielleicht irgendwo 6000 Kilometer entfernt stattfindet. Seine Manifestationen befinden sich als geronnene Arbeit an unseren Körpern, in unseren Rechnern und Telefonen und in den Lebensmittelregalen der Supermärkte. Dass mit Konsumverzicht der Imperialismus zu besiegen wäre wird gerade nicht behauptet.

Bei dem im Flyer beschriebenen Beispiel der Blumenproduktion geht es auch nicht zuerst um einige wenige Möglichkeiten, seine Arbeitskraft zu beschissenen Bedingungen zu verkaufen um zu überleben. Im Gegenteil werden hier zugunsten europäischer Konzerne und einer mitkassierenden einheimischen Bourgeoisie massenhaft Bauernfamilien vertrieben und des Landes beraupt, das sie zur Subistenzwirtschaft genutzt hatten.

Zweierlei noch: Nicht bei den schlimmsten Ausbeutern zu kaufen, sondern teurer  bei weniger schlimmen Ausbeutern ist gar nicht verkehrt - so man es sich denn überhaupt leisten kann. Leider ist dieses Thema ein Dauerbrenner bei DGB-Gewerkschaften, die mit ihrer Wahlempfehlung für SPD und Grüne 1998 Hartz 4 und Agenda 2010 mit ermöglicht haben und damit auch, dass viele Lohnabhängige keine andere Wahl mehr haben als ihre Klamotten bei KIK ofer H&M zu kaufen.

Zuletzt: Einander tote Pflanzen zu schenken ist grundsätzlich reichlich... seltsam! Gänseblümchen sind auf der Wiese am schönsten. Am allerwenigsten jedoch haben Blumen in Gewehrläufen verloren. Schönen Tag noch!