Episode 15: Von der Wikingjugend zu Höcke – ehemaliger Neonazi-Funktionär arbeitet in der Thüringer AfD-Fraktion

Keine Alternative

In der Thüringer AfD-Fraktion arbeitet ein früherer Aktivist inzwischen verbotener Neonazi-Organisationen, der für indizierte Rechtsrock-Musik von Frank Rennicke und rechte Literatur das Layout produzierte. Heute entwirft er unter Björn Höcke Propaganda für die AfD. Am 1. Mai 2017 folgten etwa 1.200 Menschen dem Aufruf der Thüringer AfD, in Erfurt auf die Straße zu gehen. Das provokante Motto am internationalen Tag der ArbeiterInnenbewegung lautet: „Sozial ohne rot zu werden!“ In ihren Reden attackierten mehrere Vertreter der Rechtspartei die Gewerkschaften und beschimpften sie als „Arbeiterverräter“.

 

Für die Veranstaltung, die von der Landespartei bei den Behörden angemeldet worden war, warben sowohl der Landesverband als auch die Landtagsfraktion auf ihren Websites mit einer Grafik, auf der ein Mann mit dem Blau der AfD das Rot der ArbeiterInnenbewegung übermalt. Auffällig war die Mütze des Anstreichers in der Grafik: Sie erinnert durch ihre spezielle Form an die Kopfbedeckungen der SA.

 

„Status 88“ – verbotene Organisationen: WJ, FAP und NF


Seit mindestens Frühjahr 2017 ist Jirka Buder als „Grafiker & Mediengestalter“ für die Landtagsfraktion tätig, ein paar Wochen steht sein Name bereits auf der Fraktionshomepage. Hat er die Grafik für die Veranstaltung am 1. Mai entworfen? Denkbar wäre es, denn das heutige AfD-Mitglied ist für Beobachter des bundesdeutschen Neonazis ein alter Bekannter. Anfang der 1990er Jahre war er im Trommlerzug der Neonazi-Partei „Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei“ (FAP), der neonazistischen „Wiking Jugend“ (WJ) sowie der „Nationalistischen Front“ (NF) aktiv. Alle drei Organisationen wurden verboten. Wiederholt nahm er in den 1990er Jahren an Neonazi-Aufmärschen teil, unter anderem an der Beerdigung des Neonazis Rainer Sonntag im Juni 1991 in Dresden oder mit brennender Fackel in der Hand im November 1991 in Halbe.

 

1994 trat Buder aus der „Wiking-Jugend“ aus. Doch seinen Austritt begründete er nicht etwa mit deren neonazistischer Ausrichtung, sondern mit ihrer politischen Wirkungslosigkeit und mangelnder Innovation: „Man machte sich auch wenig Mühe, meine zahllosen Verbesserungsvorschläge ernsthaft zu überdenken“, klagte er. Und: „Der Erfolg der WJ erschöpft sich lediglich in der Tatsache, daß sie noch besteht. Wäre alles gut und richtig gelaufen, müßte der prägende Einfluß der WJ größer sein. Wo sind die 15 000 Jugendlichen, die nach den Worten des Altbundesführers durch die Schule der WJ gegangen sind?! – Auf der 40-Jahrfeier sah man sie…. Daran muß sich die WJ messen lassen.“

 

In der „Wiking Jugend“, die sich in der Tradition der „Hitler Jugend“ sah, wurden Kinder und Jugendliche mit NS-Ideologie geschult und indoktrinierte und mit Wehrsport, Märschen und in Zeltlagern gedrillt. Die Organisation war eine der wichtigsten Kader-Schulen für später einflussreiche Funktionäre unterschiedliche rechtsextreme Organisationen. Auf einer internen Organisationsliste aus dem Parteiarchiv der später verbotenen „NF“ war Buders Name mit der Ergänzung „Status 88“ („ST88“) verstehen. Das kenntnisreiche Standardwerk über die militante Neonazi-Szene der 1990er Jahre „Drahtzieher im braunen Netz“ (Hamburg, 1996) schrieb, dieses Kürzel bezeichne nicht nur die bekannte Anlehnung an den achten Buchstaben im Alphabet „H“ (88/HH = „Heil Hitler), sondern vermutete die Bezeichnung in der Liste als Kennzeichnung der Mitglieder der paramilitärischen Struktur in der NF.

 

Die später verbotene, militante Kaderpartei NF orientierte sich offen am NS und war der Versuch, eine Kopie der SS aufzustellen. Ihr Auftreten als Partei war nur Mittel zum Zweck um einen legalen Status zu erlangen, sie war ausdrücklich auf ein Verbot vorbereitet und unterhielt Strukturen, die auch in der Illegalität weiterarbeiten können sollten. Buders Name tauchte auch im Zusammenhang mit dem „Deutschen Hochleistungs-Kampfkunstverband“ auf. Der Verband – im Übrigen von einem Spitzel des Verfassungsschutz gegründet – trainierte in den frühen 1990er Jahren Neonazis im Kampfsport; „kanackenfreies Training“, wie es in der Szene hieß. Mitglieder der Organisation waren es, die im Mai 1993 ein von MigrantInnen bewohntes Haus in Solingen anzündeten und damit fünf Menschen ermordeten.

 

Grafiker der extremen Rechten Seit Anfang den 90ern

 

Seit Ende der 1990er Jahre tauchte Buder mit grafischen Arbeiten in der rechtsextremen Szene auf. 1998 wirkte er an Grafikentwürfen für die rechtsextreme Zeitschrift „Elemente“ des „Thule Seminars“ (Kassel) mit, später gestaltete er zum Beispiel Umschläge für Bücher des rechtsextremen Verlags „Pour le Mérite“ und aus dem Spektrum der neu-rechten Zeitung „Junge Freiheit“. Außerdem produzierte Buder mit dem Verlag „Vox Libri“ (Nettetal) rechte Hörbücher, unter anderem 2001 eines zum 100. Geburtstag des rechtsextremen Freikorps-Mitglieds Ernst von Salomon („Ernst von Salomon – Ein preußischer Revolutionär“), und eine Hörbuch-CD für den Wehrmachts-Piloten und Ritterkreuz-Träger Hajo Herrmann („Kleine Odyssee. Der Luftangriff auf den Hafen von Piräus“). Mit der CD für von Salomon wollte Buder „einen kleinen Beitrag zu einem kulturellen Gegengewicht zum vorherrschenden Zeitgeist leisten“.

 

Vor der AfD-Karriere: Layout für indizierte Neonazi-Musik und Bücher zum 3. Reich


Zudem war er auch an der Produktion einer CD des Neonazi-Musikers Frank Rennicke beteiligt. Für den Neonazi-Sänger Frank Rennicke schrieb Buder 2002 dann auch einen flammenden Solidaritäts-Appell und spendete für ihn Geld: „Wenn ich Frank unterstütze, dann aus dem Grund, weil er stellvertretend für alle anderen, die sich aus Feigheit oder ´taktischen Gründen´ nicht aus ihrem Loch trauen, seinen Kopf hinhält. Und wahrscheinlich dafür auch bald in den Knast geht.Ich unterstütze ihn, weil auch sein Prozeß ein Präsidenzfall ist, der Maßstäbe für die Meinungsfreiheit in diesem Land festlegt.“

 

Buder kenne den Neonazi Rennicke „als immer hilfsbereiten Kameraden“ und „durch und durch Idealist“. Rennicke war zweimaliger zweimaliger Bundespräsidentschaftskandidat der NPD und verbuchte in den letzten Jahren zahlreiche Auftritte bei Thüringer Neonazi-Konzerten und Versammlungen, zu letzt am 29. April 2017 in Kloster Veßra auf dem Grundstück des Südthüringer Neonazis Tommy Frenck. Buder trägt selber Mitverantwortung für die Verbreitung von Neonazis-Musik, in mindestens zwei Fällen wird er als Verantwortlicher für das Layout von Rennicke-Tonträgern aufgeführt.

 

Darunter die Tonträger „Frank Rennicke ‎– Sehnsucht Nach Deutschland“ (1990) und „Frank Rennicke ‎– Ich Bin Nicht Modern…Ich Fühle Deutsch“ (1993), beide wurden in Deutschland indiziert (BAnz. Nr. 100 vom 31.05.1994, BAnz. Nr. 60 vom 27.03.1997). „Sehnsucht nach Deutschland“ enthielt Titel wie „Ohne Adolf Läuft Einfach Nichts mehr“ oder auch „Damals Im Mai – Rudolf Hess“, in dem Hitlers Stellvertreter Hess glorifiziert wird. Wörtlich heißt es dort im Refrain: „Mit Rudolf Hess ist uns ein Held geboren,er ist uns Lehrer, Vorbild und Garant! Die deutsche Jugend sollt´ alles von ihm hören,damit Wahrheit und Lüge leicht erkannt, leicht erkannt!“. Auch zwölf Jahre später hat Buder nachgelegt und 2002 die Umschlaggestaltung des Bildbandes „Reichsminister Rudolf Heß. Stellvertreter Hitlers, gescheiterter Friedensbote, Gefangener von Spandau.“ übernommen, erschienen im Arndt Verlag des extrem rechten Verlegers Dietmar Munier.

 

Munier ist zugleich Herausgeber des Monatsmagazins „Zuerst“ ist. Auch der AfD-Fraktionsvorsitzende Björn Höcke gab dem Magazin 2014 ein Interview. Andere einschlägige Bucheinbände gehen auf das Konto von Buder, darunter „Mein Kriegstagebuch; Aufzeichnungen eines Stukafliegers“ in dem ein Wehrmachtssoldate wegen seiner seiner hohen Zahl an Angriffsflügen im 2. Weltkrieg glorifiziert wird und das Buch „Verschwiegene Schuld – Die alliierte Besatzungspolitik in Deutschland nach 1945″ eines kanadischen Geschichtsrevisionisten.

 

Im Dienste von Björn Höcke


Heute ist der frühere Neonazi-Aktivist aus drei später verbotenen Organisationen Mitglied der AfD (Mitgliedsnummer 10599847) und wurde 2016 als Mitglied auf dem bayrischen AfD-Mitgliederparteitags vom 30. April/1. Mai 2016 in Stuttgart als Teilnehmer gelistet. Inzwischen arbeitet er auch für die Thüringer AfD-Fraktion, mindestens seit dem Frühjahr 2017 ist er dort offiziell Mitarbeiter der Thüringer AfD-Landtagsfraktion unter dem völkischen Höcke. Anfang 2017 fand sich Buders Name unter einem Partei-Aufruf („Mahnung zur Einigkeit“). Angesichts der innerparteilichen Strömungsauseinandersetzungen heißt es darin: „Die Kritik an Björn Höcke ist durchaus berechtigt und nachvollziehbar. Wir halten jedoch den heute vom Bundesvorstand mehrheitlich gefassten Beschluss, ein Parteiausschlussverfahren gegen Björn Höcke anzustrengen, für überzogen und fordern den Bundesvorstand dazu auf, seine Entscheidung zu überdenken, da wir uns als großer Teil der Basis nicht vertreten fühlen.“

 

Hinter den Namen unter dem Aufruf wurde vermerkt, aus welchem Bundesland die Unterzeichner stammen. Bei Jirka Buder hieß es im Februar 2017: „BAY >THÜR“. In der AfD-Mitgliederdatenbank war er zuvor im bayrischen Kempten gemeldet. In der Thüringer AfD-Fraktion unter Höcke ist er Grafiker in der „Abteilung für strategische Kommunikation“, die vom ehemaligen WELT-Journalisten Günther Lachmann geleitet wird.

 

Seit dem Herbst 2016 verwendet der AfD-Fraktionsvorsitzende Björn Höcke bereits einen neuen Stil so genannter „Sharepics“, Grafiken die zur besonders populären Verbreitung in sozialen Netzwerken produziert werden. Diese bei Höcke verbreiteten „Sharepics“ weisen häufig ein ähnliches Grundmuster auf, teilweise werden auch Comic-artige Figuren verwendet. Der Inhalt ist dabei zum Teil deutlich aggressiver und diffamierender als frühere Werbegrafiken der Thüringer AfD, manche der Bilder bewegen sich nahe an der Strafbarkeitsgrenze zur Volksverhetzung, da dort insbesondere Muslime und aus dem Nahen Osten vor dem IS-Terror geflohene Menschen böswillig verächtlich dargestellt werden.

 

Die AfD erreicht mit diesen Grafiken ihre höchsten Reichweiten in sozialen Netzwerken, weil diese unter Sympathisanten tausendfach geteilt werden. Ob Buder diese Grafiken entworfen hat? Auch das wäre denkbar. Die Vorlagen für die Comicfigur eines stilisierten Muslims mit Turban und Bart findet sich erstmalig auf Höckes Profil in einer Grafik vom 17. September 2016 und zuletzt mit einer neuen Grafik am 27. April 2017. Am 6. Februar 2017 veröffentlichte Höcke ein Bild, dass den SPD-Kanzlerkandidaten Martin Schulz beim Sprung in ein Bad voller Goldmünzen zeigt. Dabei wurden Schulz Goldzähne verpasst und seine Nase ohne erkennbaren Grund auffällig hervorgehoben sowie zu einer Harkennase deformiert.

 

Nur ein Zufall? Alte und neue Nazis benutzen die gleiche stereotype Bildsprache um ihr antisemitisches Weltbild vom angeblich die Welt beherrschenden „Geldjuden“ zu verbreiten. Angesichts der Vorgeschichte von Jirka Buder im Umfeld eingefleischter Revisionisten und Antisemiten würde das kaum noch verwundern, vielmehr ist er damit in bester Gesellschaft bei der Thüringer AfD, die mit Neonazis gemeinsame Sache macht (Episode 1 bis 13, Episode 14).

Zeige Kommentare: ausgeklappt | moderiert

Danke für den Bericht!

 

In Kurzform bedeutet das ja, ein Typ mit einem tschechischen Vornamen, Jirka - der Bauer - seit Jahrzehnten den ultradeutschen Faschisten spielt und dazu deren schlechte Bildchen bastelt. Ob dem beim Interview mit dem Schädelvermesser Höcke der Gedanke gekommen ist, dass er mit seiner eigenen Namensvita ganz oben auf der Liste zukünfiger Opfer steht, oder bildet der sich wirklich ein mit "jirka" wird er sowas die neue "goebbels" ?

 

Aktuelles Bild von dem Typen wäre schick ;)