Volksfest für Palästina.

Die netten Jungs von nebenan.jpg

Sagen wir so: es hätte schlimmer kommen können, aber was heißt das schon.

Am Samstag, 5. Juni 2010 fand in Paris eine Großdemonstration unter dem Motto „Free Gaza“ statt, nachdem knapp 50 Parteien, Gruppen und Vereinigungen dazu aufgerufen hatten.

 

Unter den Aufrufenden waren klingende Namen wie die Parti Communiste Français (PCF), die Nouveau Parti Anticapitaliste (NPA), Les Verts, ATTAC – France, verschiedene Gewerkschaften, aber auch sich als linksmilitant verstehende Gruppen, wie die Alternative Libertaire (AL), eine Vielzahl arabischer oder muslimischer Gruppierungen sowie einige jüdische (teilweise dezidiert „antizionistische“) Zusammenschlüsse.

 

Die Teilnehmer_innenzahl, der von Bastille (nahe des jüdischen Viertels) startenden Manifestation, wurde auf 5.000 (Polizei) bzw. 30.000 (Organisator_innen) geschätzt. Wobei nach eigenen Einschätzungen mehr als 10.000 Teilnehmer_innen als eher unwahrscheinlich anzunehmen sind. Gefordert wurde einerseits die Aufgabe der Blockade des Gaza-Streifens, die Freigabe aller noch festgehaltenen Boote und dass der Transport von Hilfsgütern durch internationale Kontrolle sichergestellt werde. Darüberhinaus aber auch internationale Sanktionen gegen Israel, namentlich die Aufkündigung der Zusammenarbeit von Seiten der EU und die Verurteilung aller israelischen Kriegsverbrechen. Dass, indem die Taten eben schon vor einer Verurteilung als Verbrechen benannt werden, das Ergebnis der geforderten Tribunale also anscheinend schon feststeht, stört die Aufrufenden augenscheinlich nicht.

 

 

Front populaire“ gegen „Isra'Hell“

 

Dass die Rakete, die auf den Kinderwagen zielt, als Motiv der massenhaft verteilten „Boycott-Israel“-Aufkleber, nicht als Aufruf für eine Praxis à la Kasam steht, sondern für die israelischen Kindermörder_innen, mussten wir uns erst erklären lassen. Auf die Nachfrage, wann denn Kinder getötet worden seien, reagierte unsere Ansprechperson erst verblüfft – schien ihr das doch schon von jeher jüdische Ritual-Praxis gewesen zu sein – dass damit wohl die Bombardierung von Krankenhäusern und Schulen durch israelische Militärs in Gaza gemeint sei, mussten wir ihr dann erst in den Mund legen.

 

Keine Kapitalismuskritik, sei sie auch noch so ökonomistisch oder verkürzt, oder sonstige Einbindung in strukturelle Problematik: das Palästina-Abfeiern wirkte so befriedigend für die Identität dieser linken Gruppen, das alles andere nur noch als Nebenwiderspruch erschien. Lobend hervorzuheben wäre, dass es die NPA geschafft hat eine Frau als Vorbrüllerin zu gewinnen – ein Lichtblick zwischen den ganzen hysterischen Marktschreiern. Dass der Protest plural genannt werden darf, angesichts der Tatsache, dass es sogar eine kleine Gruppe queers schaffte sich ihre Bärte überzuziehen und so schließlich alle unter der Palästina-Flagge Platz fanden, kann mit Fug und Recht behauptet werden. So plural, dass die netten Gotteskrieger_innen von nebenan – ach sie sind halt noch jung – auch mal die Manifestation anführen durften.

 

 

„Allahüekber“ – mit Islamismus für Palästina

 

Nach einiger Zeit hatte sich ein Mob aus verschleierten Männern und Frauen an die Spitze des Zugs gesetzt. Beunruhigende Szenen, wenn in panarabisch-islamofaschistischer Manier „Allah über alles“ ging, und aus einem Meer aus Türkei-Flaggen skandierend versichert wurde: „Von der ersten, zur zweiten, zur dritten Intifada“ – sie seien alle Palästinenser. So verwunderte auch nicht mehr, als es von einem der größten Demo-Lautis schallte: „À Turquie, à Paris, tous ensemble, tous unis – le Hamas – resistance – le Hisbollah – resistance“. Ja, die Bündnispartner_innen schienen klar: kein Wort, dass es auch darum gehen könnte Gaza von der Hamas zu befreien. Da drückten die selbsterklärten Antinationalen (die Fédération Anarchiste hatte zwar nicht mit aufgerufen, war aber zumindest teilweise anwesend), auch schon einmal ein Auge zu. Vielleicht eher auch beide, waren doch so viele Palästina und Türkei-Flaggen zugegen, dass damit wahrscheinlich halb Gaza bedeckt werden könnte.

 

In unmittelbarer Nähe der militanten Anti-Imperialisten waren vielversprechende Redebeiträge zu hören. So wurde sich zum Beispiel tatsächlich bei der Türkei bedankt, diesem großen Volk mit großer Geschichte und konstatiert: „Gestern vor den Toren Wiens, heute vor den Toren Palästinas“. Wie das zusammenpasst? Na, im Kampf gegen die knapp 8 Millionen „Nazi-israeliens“ machten sie eben Kompromisse. „Pan-Arabia unite!“ Dass es der Türkei und ihrem „Erdogan Fatih“ möglicherweise auch um eine Instrumentalisierung in innerarabischen Machtkämpfen im Nahen Osten, z.B. gegen Ägypten (woran grenzt Gaza noch mal? ach ja) geht, kam ihnen nicht in den Sinn. Wenn ihr Anti-Imperialismus wenigstens ernst zunehmen wäre.

 

Im nationalen Freudentaumel waren sie sich einig: "wir sind im Recht". Und alle stimmten ein in den Gleichklang der Parolen, die, wie sie immer wieder betonten, nicht antisemitisch zu verstehen seien. Dass dieser Bewegung kein Antisemitismus inhärent ist, in ihrer Unfähigkeit sich von religiösem Eifer, panarabischem Nationalismus und verkürzter Kapitalismuskritik zu distanzieren, bleibt weiter zu zeigen. Um es vorsichtig zu formulieren.

 

 

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antifa paris wollt ihr sein? ... irgendwie zum lachen, eure gnadenlose selbstüberschätzung

 

aber eins freut mich, dass ihr es nicht ertragen könnt, dass verschiedeneste religionen, volksgruppen und bündnisse gemeinsam gegen einen imperialistischen aggressor vorgehen.

 

euer, entweder blankes islamophobes hass-gestammel, oder wie hier als satire getarnte zynische hetze zeigen nämlich, dass wir was richtig machen.

 

 

Eine Bericht sieht anders aus. Entweder beschreibt man objektiv und analysiert dann. Und zwar indem man auch seinen eigenen Standpunkt benennt.

Oder man mischt Beschreibung mit subjektiver Interpretation, ohne seinen eigenen Standpunkt zu benennen.

 

Dieser "Bericht" ist mit Unterstellungen, willkürlichen Interpretationen und tendenziösen Sichtweisen so vollgestopft, dass man davon ausgehen muss, jemand hat diese Demo nur deswegen besucht, um sie zu verunglimpfen.

Abgesehen vom menschlich schlechten Stil, strebt der Informationsgehalt dadurch gen Null.

"...schien ihr das doch schon von jeher jüdische Ritual-Praxis gewesen zu sein –..." Die Autorin weiß schon was die sprachlose Interviewte denkt. Sie sagt  es nicht, aber die Autorin weiß es. Sie interviewt gerade eine Person, die an die Mythen des Antisemitismus glaubt. Beweise braucht die Autorin dieses Artikels nicht zu liefern.

Emanzipatorische Kritik an Nationalismen, monolithischen Denken, platten Polit-Parolen undundund sieht anders aus.

Dieser "Bericht" ist als Hetzbericht zu sehen. Was soll der auf linksunten.indymedia?

Die vorgeblich objektive Bericht-Position ist keineswegs ein echter Blick von nirgendwo, sie ist noch eher das, was Haraway als god's eye view bezeichnet, ein epistemologischer Trick, der die eigene Beteiligung am beschriebenen verschleiert. Der obige Bericht legt implizit sehr wohl den eigenen Standpunkt, wie an den Kommentaren ja auch zu erkennen ist, offen und das zurecht. Ich finde auch nicht, dass das den "Informationsgehalt" (wie auch immer von Nicht-Information unterschieden) reduziert. Welche wesentlichen Infos fehlen dir den konkret?

da habe ich ja gerade schönen Mist geschrieben. Natürlich versucht der Text massiv den Leser zu manipulieren und da die Informationen stark pro-zionistisch "vorinterpretiert" sind, kann man natürlich davon ausgehen, das weniger mit antideutscher Propaganda erfahrene Leser darauf hereinfallen.

 

ok, ich gebe es lieber gleich zu, aber ich bin nicht LaLa, sondern das ist nur ein epistemologischer Trick von mir, um den Leser zu verwirren, und von daher schon in Ordnung ... ich würde vorschlagen, dass ab sofort Nachrichten, Informationen und Berichte nur noch auf diese Art verbreitet werden.

 

In diesem Sinne.

 

Lang Lebe Israel, oder auch (hoffentlich) nicht ... sucht's euch aus.

Tut mir leid, wenn ich das zu kompliziert ausgedrückt habe: Es gibt keinen objektiven Bericht. Es gibt keine Informationen, die nicht  bereits vorinterpretiert sind.

 

Diese Mär vom objektiven Journalismus ist ohnedies etwas sehr österreichisch/deutsches. Schon in Frankreich und umso mehr in England und den USA gibt es vernünftigen Meinungsjournalismus, der mir um einiges sympathischer ist, als der hier übliche Versuch, im Bericht noch bis ins reinste mit der Ideologie in eins zu fallen. Hier ist Anderes scheinbar nicht einmal anders als als lächerliches Albtraumszenario vorstellbar.

manchmal ist etwas, das islamismus und panarabismus kritisiert, noch nicht antideutsch oder prozionistisch:

 

sondern einfach nur radikal und anarchistisch.

 

[soweit ich nichts überlesen habe, kein wort von israel]