Berlin: Protest gegen Verdrängung im Kiez

Protest gegen Verdrängung in Berlin

Linie 206, Gerhard-Hauptmann-Schule, Oranienplatz, M99, Lause 10, Rigaer, Bizim Bakkal, Cuvry Brache, Friedel 54, Unser Block bleibt - die Liste der geräumten, teilgeräumten, mittelbar oder unmittelbar von Räumung bedrohten Initiativen, Projekte und Gemeinschaften ist seit Jahren lang. Gerade in letzter Zeit jedoch scheint der Räumungsdruck speziell in den Neuköllner und Kreuzberger Kiezen eine neue Dynamik zu gewinnen, und speziell bei Friedel54, Lause 10 und M99 ist dieser auch ganz aktuell. Hinzu kommt der nicht erst seit den Aktivitäten von Bizim Kiez und Bündnis Zwangsräumung Verhindern politisierte bzw. skandalisierte Druck auf "ganz normale" Mieter und "ganz normale" Gewerbetreibende - immer mehr Menschen werden gezwungen, den Kiez, den sie teilweise seit Jahrzehnten bewohnten, in dem sie teilweise seit Jahrzehnten ihr Gewerbe betreiben, zu verlassen.


Jüngstes Beispiel ist der Cafe Filou in der Reichenberger Straße. Diese Bäckerei, seit Jahrzehnten in SO36 beheimatet, ist zur Mitte des Jahres von ihrem neuen Vermieter gekündigt worden. Wie so oft sind Gewerbetreibende nicht in der Lage, den mitunter horrenden und sprunghaft gestiegenen Mietforderungen nachzukommen - und verlieren folgerichtig nicht nur ihren angestammten Gewerberaum, sondern nicht selten auch ihre berufliche Existenz.

Nicht zum ersten Mal fanden sich am Sonntag Mittag um - symbolisch - fünf vor 12 Uhr mehrere hundert Personen ein, um gegen die drohende Schließung des Cafe Filou zu protestieren. Wie einer Verlautbarung der Protestierenden zu entnehmen, zeigte der Eigentümer des Gebäudes nicht nur keinerlei Diskussionsbereitschaft, sondern provozierte ganz im Gegenteil dadurch, dass er kurzerhand im Cafe Filou den Strom abstellte und dergestalt den Versuch unternahm, die Durchführung der Kundgebung gewissermaßen "mit technischen Mitteln" zu erschweren. Die zahlreichen Anwesenden ließen sich davon jedoch nicht beirren. Diverse Redebeiträge der Vertreter z. B. von Filou bleibt, Bizim Kiez, Lause 10 oder Bündnis Zwangsräumung Verhindern machten klar, dass und wie sehr der Verdrängungsprozeß in den Kiezen zum traurigen Alltag gehört - und dass sich daran auch nichts ändern wird, wenn es keinen Protest dagegen gibt. Wie der Presse zu entnehmen, wird der Erhalt des Filou u. a. auch von der Kreuzberger Bezirksregierung unterstützt. Andere Initiativen, beispielsweise Lause 10, können davon nur träumen. Ein Vertreter dieses Bündnisses erklärte gleichwohl, dass der Eigentümer der Immobilie Lause 10 den Verkaufsauftrag an ein Berliner Immobilienbüro nach bereits erfolgten Protesten einstweilen zurückgezogen habe, und dass dieser sich, wie der Presse zu entnehmen, sogar "ganz aus Berlin" zurückzuziehen gedenke. So erleichternd die Aussetzung der Verkaufsabsichten für die Betroffenen und Unterstützer der Lause 10 auch sein mag - wie oft hat man es andererseits schon erlebt (nur ein Beispiel von vielen: Friedel 54), dass Betroffene abseits vollmundiger Ankündigungen und Versprechen in Wahrheit doch nur hingehalten werden, bis man es sich plötzlich doch wieder "anders überlegt" hat oder heimlich, still und leise vollendete Tatsachen schafft, an deren Ende dann unweigerlich die Räumung bzw. Zwangsräumung steht.


Bilder der Kundgebung unter:

https://www.flickr.com/photos/neukoellnbild/albums/72157676765040413

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Transparent 12.02.2017