Karlsruhe: Betreiber des verbotenen Neonazi-Internetportals angeklagt

Erstveröffentlicht: 
18.01.2017

DPA – Die Betreiber des inzwischen verbotenen Neonazi-Internetportals „Altermedia“ müssen sich aller Voraussicht nach bald in Stuttgart vor Gericht verantworten. Gegen fünf Beschuldigte hat die Bundesanwaltschaft am dortigen Oberlandesgericht Anklage wegen Volksverhetzung erhoben, wie am Mittwoch in Karlsruhe mitgeteilt wurde. Außerdem geht es um die Gründung oder Mitgliedschaft in einer rechtsterroristischen Vereinigung.

 

Die beiden Schlüsselfiguren, eine 48-Jährige und ein 28-Jähriger, waren im Januar 2016 festgenommen worden. Am selben Tag hatte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) die Plattform verboten. Laut Bundesanwaltschaft war „Altermedia“ bis dahin das führende rechtsextremistische Internetportal im deutschsprachigen Raum.

 

Mitteilung

Bundesanwaltschaft zu den Festnahmen im Januar 2016

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18.01.2017 - 6/2017

Anklage wegen des Verdachts der Bildung einer rechtsextremistischen kriminellen Vereinigung

 

Die Bundesanwaltschaft hat am 29. Dezember 2016 vor dem Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart Anklage gegen

die 48-jährige deutsche Staatsangehörige Jutta V.,
den 28-jährigen deutschen Staatsangehörigen Ralph-Thomas K.,
den 54-jährigen deutschen Staatsangehörigen Uwe P.,
die 63-jährige deutsche Staatsangehörige Irmgard T. und
die 61-jährige deutsche Staatsangehörige Talmara S.

erhoben.

Die Angeschuldigten Jutta V. und Ralph-Thomas K. sind hinreichend verdächtig, sich mit einer unbekannt gebliebenen Person zusammengeschlossen zu haben, um als Betreiber des Internetportals „Altermedia-Deutschland“ strafbare Inhalte, namentlich volksverhetzende Äußerungen, zu verbreiten. Ihnen wird daher zur Last gelegt, eine kriminelle Vereinigung gegründet und sich an ihr als Rädelsführer beteiligt zu haben. Den Angeschuldigten Uwe P., Irmgard T. und Talmara S. wird in der Anklageschrift vorgeworfen, dieser Vereinigung beigetreten und sich an ihr als Mitglied beteiligt zu haben. Die fünf Angeschuldigten sind in einer unterschiedlichen Anzahl von Fällen hinreichend verdächtig, beim Betrieb von „Altermedia-Deutschland“ in wechselnder Beteiligung Straftaten der Volksverhetzung begangen zu haben (§ 129 Abs. 1 und Abs. 4 StGB, § 130 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 5 i.V.m. Abs. 3 und Abs. 4 StGB alter und neuer Fassung, §§ 25 Abs. 2, 52, 53 StGB).

In der nunmehr zugestellten Anklageschrift ist im Wesentlichen folgender Sachverhalt dargelegt:

Spätestens seit Juni 2012 betrieben Jutta V. und Ralph-Thomas K. gemeinsam mit einer bislang unbekannten Person als Administratoren und Moderatoren das im deutschsprachigen Raum führende rechtsextremistische Internetportal „Altermedia-Deutschland“. Ihnen schlossen sich die politisch Gleichgesinnten Uwe P. und Irmgard T. im Mai und im August 2013 als weitere Moderatoren an. Im Januar 2014 stieß die Angeschuldigte Talmara S. als weitere Moderatorin zu der Gruppierung um Jutta V. und Ralph-Thomas K. hinzu.

Nach dem Willen der Angeschuldigten diente die Internetseite der massenhaften und systematischen Verbreitung rechtsextremistischen und nationalsozialistischen Gedankenguts. Neben verbotenen nationalsozialistischen Grußformeln und Parolen wurden auch volksverhetzende Äußerungen veröffentlicht. Diese reichten von Gewaltaufrufen gegen in Deutschland lebende Ausländer über die Verächtlichmachung von Menschen anderen Glaubens und anderer Hautfarbe bis hin zur Leugnung des Holocausts. Auf diese Weise wollten die Angeschuldigten eine ideologisch geprägte Berichterstattung und damit eine rechtsextremistische „Gegenöffentlichkeit“ schaffen. Zur Abschottung der Internetseite gegen staatliche Zugriffe wählten Jutta V. und Ralph-Thomas K. zunächst einen Serverstandort in den U.S.A. Seit Oktober 2012 wurde „Altermedia Deutschland“ von Servern eines russischen Unternehmens an dessen Standort in Moskau betrieben. Die Internetseite „Altermedia-Deutschland“ wurde im Zuge der Ermittlungen am 27. Januar 2016 abgeschaltet.

Jutta V. und Ralph-Thomas K. hatten innerhalb der Organisation die Schlüsselpositionen inne. Als Administratoren vefügten sie über umfassende Zugriffsrechte auf die Betriebsstruktur des Internetportals. Ihre Befugnisse berechtigten sie, die grundlegenden Einstellungen zu treffen und damit die Internetplattform insgesamt zu steuern. Neben der technischen Betreuung des Internetportals bestimmten die beiden auch die politische Ausrichtung von „Altermedia-Deutschland“ und entwickelten die ideologischen Leitlinien der Vereinigung. Gemeinsam mit den drei weiteren Angeschuldigten überprüften Jutta V. und Ralph-Thomas K. als Moderatoren in einer Vielzahl von Fällen die von den Nutzern der Plattform verfassten Beiträge im Hinblick auf die inhaltlichen Vorgaben von „Altermedia-Deutschland“ und schalteten sie anschließend auf der Internetseite frei. Grundlage für die gemeinsame Arbeit der Angeschuldigten waren sogenannte Mitarbeiterregeln, die Ralph-Thomas K. bereits im Mai 2012 formuliert hatte. Diese sahen unter anderem vor, dass jeder „Mitarbeiter“ der Plattform in dem ihm zugewiesenen Forum regelmäßig Beiträge lesen, kommentieren und gegebenenfalls auch sperren sollte. Dementsprechend bearbeiteten die Angeschuldigten Uwe P., Irmgard T. und Talmara S. die ihnen zugewiesenen Forenbereiche wie beispielsweise „Deutschland“, „Ausland“, „Ernährung“, „Kultur“ oder „Volk&Rasse“. Im Januar und Mai 2014 weiteten Jutta V. und Ralph-Thomas K. die Kompetenzen von Uwe P. und Irmgard T. aus. In der Folge waren die beiden berechtigt, auch forenübergreifend Beiträge inhaltlich zu kontrollieren. Neben ihrer Moderatorentätigkeit verfassten Jutta V., Uwe P. und Irmgard T. unter Aliasnamen auch eigene volksverhetzende Texte, die sie auf der Internetseite einstellten.

Die Bundesanwaltschaft hatte die Ermittlungen wegen der besonderen Bedeutung des Falles am 9. Dezember 2014 von der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt a. M. übernommen. Die strafbaren Inhalte des Internetportals wurden weltweit und frei zugänglich verbreitet. Sie sollten andere Rechtsextremisten zu weiteren Straftaten ermuntern und dadurch ein Klima der Angst bei den betroffenen Personengruppen schaffen. Vor diesem Hintergrund war, auch mit Blick auf das Ansehen der Bundesrepublik im Ausland, eine Übernahme in die Strafverfolgung des Bundes geboten.

Die Angeschuldigten Ralph-Thomas K. und Jutta V. waren am 27. Januar 2016 festgenommen worden und befanden sich aufgrund von Haftbefehlen des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs zunächst in Untersuchungshaft. Auf Antrag der Bundesanwaltschaft wurden die Haftbefehle am 8. und 10. März 2016 gegen Auflagen außer Vollzug gesetzt. Am 5. Dezember 2016 wurden die Haftbefehle aufgehoben.

 

Quelle: generalbundesanwalt.de/de/showpress.php?themenid=19&newsid=665