“Demo ohne Lauti?!”

Plakat 09.01.2017

Wir haben den Aufruf zur kommenden Antifa-Demo in Connewitz gelesen und wollen einiges zu Demonstrationen im Allgemeinen und zur Organisation von ebendiesen sagen. Wir finden es im Übrigen gut, dass es die Idee gibt, Demonstrationen wieder offener zu gestalten und mehr auf die Initiative der Teilnehmenden zu setzen. Auch wenn wir eine unangemeldete Demonstration mit all ihren Freiheiten einer angemeldeten immer vorziehen würden.

 

Was gehört zur Organisation einer Demo? Was gab und gibt es? Einige Ideen und Hintergründe. 

 

Lautsprecherwagen (“Lauti”)


Für die Demo am kommenden Montag wird auf einen Lautsprecherwagen verzichtet, heißt es.

  • Ein Lautsprecherwagen wird genutzt zum Halten von Redebeiträgen und Abspielen von Musik, für Informationsdurchsagen an PassantInnen und auch zum Verlesen der Auflagen, die die Versammlungsbehörde vorab erteilt.
  • Ein Lautsprecherwagen bedeutet organisatorischen Aufwand. Wenn es kein kostenlos nutzbares Auto gibt, muss ein Auto gemietet werden. Hinzu kommt eine Musikanlage (Lautsprecherboxen, Verstärker, Mikrofon, Mischpult) und ein Generator für den Strom.
  • Es braucht eine Moderation für die Redebeiträge und die Durchsagen – eine nicht gerade beliebte Aufgabe.
  • Ordner*innen müssen Sorge dafür tragen, dass niemand vom Lautsprecherwagen überfahren wird. Sie müssen auch aufpassen, dass die Moderation im Lauti nicht permanenten mit Fragen oder Wünschen genervt wird oder abfotografiert wird oder der Lauti zum Ziel von Angriffen durch Neonazis oder Cops wird.
  • In der Nachbetrachtung einer Demo gibt es oft Kritik am Lautsprecherwagen. Entweder war er zu laut oder zu leise, die Musik war “schlecht”, kam an der “falschen Stelle” und unterband somit Sprechchöre, oder die Stimme, Wortwahl oder Verständlichkeit der Moderation wird beanstandet. Kurzum: Irgendetwas wird immer bemängelt.

Transparente (“Transpis”)

  • Sind das optische Mittel, um politische Botschaften nach außen zu tragen und das Anliegen der Demonstration zu vermitteln.
  • Es gibt das “Fronttransparent”, meist mit dem Motto der Demo, und Transparente an Stangen sowie an der Seite. Die Polizei besteht meist darauf, dass letztere nicht “zu lang” sind und nicht verknotet werden, um gegen “Störer” aus der Demonstration vorgehen zu können. Repressionsorgane versuchen seit Jahren, aus Seitentransparenten den Vorwurf einer “passiven Bewaffnung” zu konstruieren, obwohl es allgemein bekannt ist, dass die dünnen Stoffe nicht gegen Polizeigewalt schützen.
  • In Leipzig und erst kürzlich in Dresden gab es auch große Transparente, die über die Köpfe eines Teils der Demo gezogen wurden. Dabei geht es um das Produzieren von Bildern. Sie führen aber bei der Polizei zur panischen Befürchtung, dass irgendetwas Großes passieren wird. Wie das möglich sein soll, wenn Dutzende Menschen nichts mehr sehen, weiß aber wohl nur die Polizei.
  • Je nach Motiv kann das Herstellen eines Transparents sehr zeitaufwändig sein.

Ordner*innen

  • Das Ordnungsamt und die Polizei verlangen bei der Durchführung angemeldeter Demonstrationen, dass ihr Ordner*innen habt. Sie müssen oft ihren Personalausweis vorzeigen und können von der Polizei auch abgelehnt werden. Sie sollen die Auflagen durchsetzen, also Hilfspolizist*innen spielen. Ihr Handlungsspielraum beschränkt sich auf das Reden mit Menschen, die gegen irgendwelche Auflagen (wie etwa das Verbot von Glasflaschen) verstoßen. In Leipzig verlangt das Ordnungsamt in der Regel ein*e Ordner*in je 50 Menschen. Bei 500 Menschen auf einer Demo macht das also 10 Ordner*Innen. In anderen Städten in Sachsen, aber auch bundesweit, ist das Verhältnis manchmal auch 1:25 oder sogar 1:15. Das soll auch den organisatorischen Aufwand einer Demonstration erhöhen.
  • Neben der Einhaltung der Auflagen können sich die Ordner*innen natürlich auch für eure eigenen Anliegen auf eurer Demonstration einsetzen, wie etwa hier geschildert.
  • Ordner*Innen für eine Demonstration zu finden ist nicht einfach. Verständlicherweise möchten viele Menschen nicht ihre Personalien abgeben und schlimmstenfalls permanent wegen irgendwelcher Kleinigkeiten von den Cops angesprochen werden.

Pyrotechnik

  • Viele finden Feuerwerk schick, andere sehr nervig. Verboten auf Demonstrationen ist es eigentlich immer, außer es wird angemeldet und erlaubt. Gerade Böller in und neben der eigenen Demo sind eher eine Gefahr als dass sie wirklich etwas bringen. Auch das Einnebeln der eigenen Demo mit Rauch trifft nicht immer auf Gegenliebe. Ob die Demo damit kraftvoller oder schicker wirkt, bleibt ein Streitthema.

Schilder

  • Neben Transparenten gibt es oft auch Schilder mit Texten und Plakaten sowie Fahnen, die politische Botschaften nach außen tragen.
  • Die Auflagen der Versammlungsbehörde beschränken oft das Material und die Länge von Stangen, da sie befürchtet, dass diese als Waffen eingesetzt werden könnten.

Flyer

  • Es lohnt sich immer, auf einer Demonstration Flyer zu verteilen – entweder für Teilnehmende oder an Passant*Innen. Es kann der Aufruf der Demonstration sein, geschriebene Redebeiträge oder Hinweise auf kommende Veranstaltungen. Vor einigen Jahren war es in Leipzig auch üblich, kritische Flyer zum Anliegen der Demonstration zu verteilen.

Vor der Demo


Bevor eine Demo stattfindet, wird sich natürlich über Inhalt und Anliegen Gedanken gemacht. Was für einen Zweck hat die Demo, welche Route soll sie nehmen, und was kann oder soll auf dieser passieren? Dann braucht es einen Aufruf, der geschrieben werden will. Inhaltliche linke Debatten unter den Gruppen gibt es zu Aufrufen leider nur noch sehr selten. Meist wird dann zur Mobilisierung (“Mobi”) noch ein Plakat, Flyer oder Aufkleber für die Demonstration gedruckt.

 

Verteilen wird sich das Material nicht von alleine, auch hier steckt viel Zeit und Anstrengung drin. In einigen Städten werden kaum noch Plakate geklebt, da einige der Meinung sind, es lohne sich nicht und sei zu viel Aufwand. Stattdessen konzentrieren sich viele nur noch auf Internetwerbung, etwa über Blogs, Facebook oder Twitter. Egal wie viel Mühe eine Gruppe oder Kampagne sich macht: Das Argument, die Mobi sei zu schwach oder zu schlecht gewesen, kommt immer, egal wie gut besucht die Demonstration war.

 

Zur Öffentlichkeitsarbeit gehört auch Pressearbeit. Meist werden dafür Pressemitteilungen geschrieben, oft vor und nach der Demonstration. Leider werden diese nur selten aufgegriffen, ihre Inhalte nur wenig zitiert. Besonders wenn auf einer Demo “nichts passiert” ist. Demonstrationen ohne Auseinandersetzungen mit der Polizei oder anderen Aktionen werden medial oft lediglich als Verkehrsbehinderung mit ein paar Zeilen bedacht.

 

Bis vor einer Weile war es üblich, Demonstrationsaufrufe zu unterschreiben. Dies sollte auch zeigen, dass die unterschreibenden Gruppen an der Demonstration teilnehmen möchten. Hin und wieder gab es auch “Grußbotschaften” von Gruppen, die nicht an einer Demonstration teilnehmen konnten, aber das Anliegen teilten und so ihre Solidarität zum Ausdruck bringen wollten.

 

Eine Demonstration zu organisieren ist nicht leicht und braucht immer viele Menschen, die bereit sind, Aufgaben zu übernehmen. Wir verstehen den Aufruf zur Demonstration am 9. Januar 2017 in Connewitz daher auch als Kritik an der mangelnden Bereitschaft von uns allen, mehr als nur Teilnehmende an einer Demonstration zu sein. Eine Kritik, die auf uns oft zutrifft. Politische Aktionen wie Demonstrationen müssen von uns allen gestaltet und getragen werden, organisatorisch und inhaltlich.

 

In Berlin wurde vor ein paar Jahren eine ähnliche Debatte um die Form und Umsetzungen von Demonstrationen geführt. Einen kleinen Einblick dazu bietet dieser Text zur Gedenkdemo für Carlo Giuliani im Juli 2011.


 

Text zugesandt von: Ältere unter den Jüngeren

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Guter Text, der sich sogar bundesweit so anwenden lässt. Mir fehlen jedoch ein paar Punkte:

  1. Ordner: je nach Region ist es teils absolut unüblich, dass Ordner sich in irgendeiner Form bei den Cops ausweisen müssen. Nur... saufen sollten die Ordner halt nicht. Das sehen die Cops gar nicht gern. Und... Ordner werden für die Erfüllung ihrer Pflicht gerne mal von den eigenen Leuten heftig angegangen. So unsolidarisches Verhalten ist scheiße, das mal am Rande!
  2. Kooperationsgespräch: die Polizei / Versammlungsbehörde lädt den/die Anmelder gerne ein paar Tage vor der Demo ein. Es kann sich da durchaus lohnen, einen auf lieb Kind zu machen, im Anzug zu erscheinen und kooperativ zu sein ("kooperativ" im Sinne von "nicht auf pure Blockadehaltung gehen, auch Kompromisse z.B. bei der Routenwahl eingehen", nicht "GenossInnen an die Cops ausliefern"). Denn wenn die Versammlungsbehörde nicht den Eindruck hat, dass von der Demo Randale ausgehen etc. dann können auch Maßnahmen wie Gitter entfallen. Und in besonders fascho-gefährdeten Gegenden kann man die Cops sogar auffordern, die Demo unter besonderen Schutz zu stellen. Tun die das nicht und es kommt zu Problemen, kann man nachher die Versammlungsbehörde in Verantwortung ziehen.
  3. Lauti-Technik: es schadet hier nicht, mit Parteien zu kooperieren. Die haben sowohl die Technik als auch Menschen mit Erfahrung im Bedienen derselbigen. Kontakte zu VeranstaltungstechnikerInnen sind mit Gold nicht aufzuwiegen - und was gern vergessen wird: genug Ersatzteile (Adapterkabel, Mikrofone) mitnehmen! So manche Demo ist schon absolut gekippt weil das einzige XLR-Kabel nen Wackler hatte.

Du bist ein ganz großer Taktiker. Ein ganz schlauer Fuchs.

 

"Und in besonders fascho-gefährdeten Gegenden kann man die Cops sogar auffordern, die Demo unter besonderen Schutz zu stellen."

HIhi. 161=Angriff!

 

"Lauti-Technik: es schadet hier nicht, mit Parteien zu kooperieren."

Jaja, und später gibts da schöne jobs bei Partei/Gewerkschaft/Stiftung und unsere Radikalität drückt sich dann in "FCK AFD!" aus.

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HIhi. 161=Angriff!

Suuuper. Und mit wem bitte? Mit nem Haufen Kiddys unter 18 und ohne nennenswerte Fitness/Kampfsporterfahrung allein gegen nen Haufen Faschos mit fetten Muskeln und jeder Menge Kampferfahrung und Training? Na dann doch lieber die Bullen als Sicherung, ich will nicht sehen wie Faschos Kinder und Jugendliche vermöbeln.

Jaja, und später gibts da schöne jobs bei Partei/Gewerkschaft/Stiftung und unsere Radikalität drückt sich dann in "FCK AFD!" aus.

Wenn du militante Aktionen machen willst, machste das auch nicht auf ner Demo wo dutzende BeSi Filmer, Presse etc. rumstehen und kräftig knipsen. Für radikale/militante Aktionen sind Demos einfach nur selten ungeeignet und gefährden vor allem die nicht-militante Mehrheit der Anwesenden. Oder meinst du, von den Nichtmilitanten kommt irgendjemand wieder auf ne Demo nach x Stunden Bullenkessel und Streß??

Lieber nachts ummen Block ziehen und in Kleinstgrüppchen Mist bauen, das gefährdet nicht unnötig Andere und ist für die Akteure auch risikofreier... wer's Hirn einschaltet, hat weniger Streß mit Cops.

Es kann nicht angehen, daß die meisten mit dem Erwachsenwerden, spätestens nach dem Studium, einfach ins bürgerliche Milieu, Familiengründung und sichere Jobs abtauchen. Deshalb sollte man in der Szene auch die ablehnende Haltung Drogen gegenüber bedenken. Ein anständiger Konsum schützt effektiv vor Verspießerung! Wer etwas zu verlieren hat, ist selten militant - und erpressbar.

wat solln dieses kooperationsgelaber? vielleicht solltest du mit so einer haltung wirklich in irgendeine partei gehen. lass dir einen maulkorb umlegen und kriech vor den autoritäten zu kreuze. ist ja nicht auszuhalten so ein unterwürfiges verhalten, wie bei einem dressierten zirkustier.

Wie ich weiter oben schon geschrieben hab: auf ner Demo mach ich keinen Scheiss, der andere in Gefahr bringt, und vor allem nicht unter den wachsamen Augen der BeSi. Selbst- und Fremdschutz.

Da geh ich lieber nachts durch die Straßen, damit gefährde ich auch mich weniger. Was nützt es der Bewegung wenn lauter Menschen vermeidbar im Knast landen??

geh die linke wählen, dann tust du vermutlich das, was für dich angebracht ist. immer dieser "unsolidarische scheiße" ruf. komm mit kritik klar und diffamier sie nicht gleich als unsolidarisch. und mit menschen, die mit bullen kooperieren solidarisiere ich mich schon dreimal nicht.

wo steht ihr den in der Praxis?

Habt euch wahrscheinlich im eigenen Sumpf festgelabbert.

Lese gerade mal wieder linksunten und kann es gleich wieder sein lassen.

 

@oben:

Danke für die Weitergabe eurer Erfahrung und Meinung, auch wenn ich es nicht 1zu1 übernehmen kann.

Demonstrieren heisst u.a. etwas aussagen = nach außen tragen. Zwar ist der Erlebnisgehalt für die Beteiligten immer wirchtig (Sprechchöre, Parolen, Aktionen), aber das alleine ist mehr eine nach innen gerichtete Sache.

 

Es wäre fatal, auf Lautis und große Transpis zu verzichten, weil sie "zuviel Aufwand" bedeuten. Durch solidarische Kritik und genaue Nachbereitung ist es auch nicht so schwer, das richtige Mass an Moderation zu erlernen, um mit dem Lauti die Demo nicht zu dominieren.

 

Ohne den Versuch, eine Aussenwirkung zu erzielen, sind angemeldete Demos sinnlos. Oft vergessenes und einfaches Mittel ist dafür übrigens auch das Flyer verteilen am Rand.

 

Bei unangemeldeten Demos ist das selbstverständlich anders.