Ideologische Vorbilder der „Identitären“

Erstveröffentlicht: 
14.12.2016

Antidemokratische Denker der Vergangenheit – die IB-Aktivisten präsentieren ihre politischen Klassiker auf T-Shirts und Aufklebern.

 

Von Armin Pfahl-Traughber

 

Die „Identitäre Bewegung“ (IB) macht immer wieder mit öffentlichkeitswirksamen Aktionen auf sich aufmerksam. Gerne präsentiert sie sich dabei als „Jugendbewegung“, die gegen „Islamisierung“, „Masseneinwanderung“ und „Multikulturalismus“ protestiert. Als Logo dient der IB der griechische Buchstabe „Lambda“, in Anlehnung an den Film „300“. Derartige Bezüge auf jugend- und popkulturelle Dimensionen und die formale Distanzierung von Nationalsozialismus und Rassismus passen nicht so in das bekannte Bild einer rechtsextremen Bestrebung. Insofern bestanden und bestehen Irritationen darüber, wie die „Identitäre Bewegung“ politisch eingeschätzt werden kann. Auch das Fehlen einer programmatischen Grundlage erleichtert eine solche Einschätzung nicht. Diverse politische Bekundungen und Symbole lassen sich unterschiedlich deuten. Gleiches gilt für die häufiger bekundete „Kriegserklärung“ gegen die 68er. Demgegenüber ist der Blick auf die politischen Klassiker der „Identitären Bewegung“ überaus interessant.

Einen solchen erlaubt das Angebot des Phalanx Europa-Versandes. Das seit 2013 gegründete und in Graz ansässige Internet-Unternehmen bietet den Aktivisten der „Identitären“ die unterschiedlichsten Utensilien zum Kauf an. Dazu gehören Aufkleber, Bekleidung oder Poster. Auf ihnen finden sich einschlägige Parolen und Symbole, die insbesondere gegen politische Gegner („Still not loving Antifa“) oder Migranten („Ethnopluralist“) gerichtet sind. Es gibt aber auch Aufkleber und T-Shirts mit Bildern von bestimmten Denkern mit einschlägigen Zitaten. Daraus lässt sich ableiten, welche Philosophen und Schriftsteller für die „Identitäre Bewegung“ die politischen Klassiker sind. Nicht jeder IB-Aktivist muss die genannten Personen kennen oder ihre Werke gelesen haben. Aber da man sich so auf bestimmte geistige Vorbilder stützt, ist deren Nennung doch für die ideologische Zuordnung überaus wichtig. Es handelt sich – um es gleich vorweg zu sagen – nicht um Nationalsozialisten. Aber fast ausschließlich bezieht man sich auf antidemokratische Denker der Vergangenheit.

 

Shirts mit Protagonisten der „Konservativen Revolution“

Als einziger allgemein bekannter Philosoph findet sich Friedrich Nietzsche (1844-1900) auf einem T-Shirt, gehört er doch zu den bekanntesten und einflussreichsten Denkern der Weltgeschichte. Nietzsches Ablehnung von Demokratie und Gleichheit und Bejahung von Unterwerfung und Vernichtung der Schwachen macht ihn aber zu einem problematischen Vertreter. Dafür stehen Aussagen wie „ ... die moderne Demokratie ist die historische Form vom Verfall des Staates“ oder „Die Schwachen und Missratenen sollen zugrunde geh’n: erster Satz unsrer Menschenliebe“. Ebenfalls auf einem T-Shirt ist das Portrait von Mishima Yukio (1925-1970) abgebildet, eines japanischen Schriftstellers, der in Deutschland indessen kaum bekannt ist. Als nationalistischer Aktivist gründete er eine kleine Privatarmee und unternahm mit einigen wenigen Mitstreitern einen Staatsstreichversuch. Nachdem dieser mangels Akzeptanz kläglich scheiterte, beging Mishima Selbstmord durch Harakiri. Bis in die Gegenwart hinein ist er für japanische Rechtsextremisten ein Vorbild.

Andere auf Aufklebern und T-Shirts der „Identitären Bewegung“ Portraitierten waren Protagonisten der „Konservativen Revolution“, was für das „antidemokratische Denken in der Weimarer Republik“ (Kurt Sontheimer) stand. Dazu gehört mit Ernst Jünger (1895-1998) ein Schriftsteller, der für eine autoritäre Diktatur und gegen die demokratische Republik aus nationalrevolutionärer Perspektive eintrat. Auch Arthur Moeller van den Bruck (1876-1925) findet sich auf einem Aufkleber und damit ein Publizist, der ganz offen zum Kampf gegen die Aufklärung aufrief und die Parteiendemokratie zerstören wollte.

 

Aufkleber mit Julius Evola und Ezra Pound

Nicht fehlen darf in diesem Kontext der Staatsrechtler Carl Schmitt (1888-1985), für den Demokratie Homogenität und nötigenfalls die „Ausscheidung oder Vernichtung des Heterogenen“ bedeutete. Und dann gibt es auch einen Aufkleber mit dem Kulturphilosophen Oswald Spengler (1880-1936), der im Parlamentarismus Landesverrat sah und für eine cäsaristische Diktatur eintrat. Alle drei Genannten waren bedeutende jungkonservative Repräsentanten.

Darüber hinaus fallen die Namen von zwei bekannten Verteidigern des italienischen Faschismus. Der Kulturphilosoph Julius Evola (1898-1974) rief in einem gleichnamigen Buch zur „Revolte gegen die moderne Welt“ auf. Damit einher ging eine Ablehnung des Christentums, das als Glaubensform für Nachsicht und Schwäche bekämpft werden sollte. Demgegenüber plädierte Evola für einen primär sakral legitimierten, hierarchisch gegliederten und auf dem Kastenwesen aufbauenden Führerstaat, womit er von rechts gar Mussolini als zu gemäßigt kritisierte. Als ein anderer bekannter Apologet der Mussolini-Diktatur gilt der US-amerikanische Dichter Ezra Pound (1885-1972), der auch auf einem Aufkleber der „Identitären“ zu sehen ist. Bereits seit 1924 zählte er den erklärten Sympathisanten des „Duce“ und hielt während des Zweiten Weltkriegs häufig Propagandareden für dessen Regime. Ein fanatischer Antisemitismus gehörte zu den Auffassungen von Evola ebenso wie von Pound, womit in dieser Frage beide noch rechts vom Faschismus standen.

 

Erklärte Feinde von Aufklärung, Menschenrechten und Pluralismus

All die genannten Philosophen beziehungsweise Autoren bilden Bezugspunkte für die „Identitäre Bewegung“ als ideologische Vorbilder. In der Gesamtschau macht dies deutlich, dass es sich bei ihnen allesamt um antidemokratische Denker handelt. Zwar gehörte mit zeitweiliger Ausnahme von Carl Schmitt keiner zu den direkten Anhängern der NS-Diktatur, aber alle plädierten sehr wohl für eine autoritäre bis totalitäre Diktatur.

Demgegenüber findet man auf den Aufklebern und T-Shirts der „Identitären Bewegung“ keinen konservativen oder rechten Demokraten. Die einzige Ausnahme ist hier der US-amerikanische Politikwissenschaftler Samuel P. Huntington (1927-2008), der durch seine bedenkliche Auffassung vom „Kampf der Kulturen“ bekannt wurde. Alle anderen Denker waren erklärte Feinde von Aufklärung, Menschenrechten und Pluralismus. Gleiches gilt demnach auch für die „Identitäre Bewegung“, die zwar nicht neonazistisch, aber sehr wohl rechtsextrem ist. Der Blick auf die von ihr genannten politischen Klassiker macht dies überdeutlich.

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Armin Pfahl-Traughber. Er war selbst jahrelang Mitarbeiter des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV), ist jetzt Ausbilder für Verfassungsschützer und hat sich in seinen jüngeren Publikationen zu einem ihrer eifrigsten Verteidiger aufgeschwungen.

Mehr dazu: https://www.inventati.org/leipzig/?p=436