Gambias Langzeitpräsident ficht Wahlergebnis an

Demonstration am 10.12.2016 in Ravensburg: „Gambians in Danger - Abschiebungen stoppen, Flüchtlingsrechte stärken“
Erstveröffentlicht: 
14.12.2016

Militär steht weiter zu Staatschef


Banjul – Nach seiner Niederlage bei der Präsidentenwahl hat der seit mehr als 20 Jahren regierende gambische Staatschef Yahya Jammeh das Ergebnis offiziell angefochten. Die Wahl sei nicht fair abgelaufen, hieß es in einem Schreiben der Regierungspartei Allianz für Patriotische Reorientierung und Aufbau (APRC) an das Oberste Gericht. Jammeh solle daher als rechtmäßiger Präsident anerkannt werden.

Nach 22 Jahren an der Macht in dem kleinen westafrikanischen Staat wurde Jammeh am 1. Dezember überraschend abgewählt. Er unterlag dem Oppositionsführer Adama Barrow. Zunächst räumte Jammeh seine Niederlage ein, ruderte am Samstag aber zurück.

Forderung nach Anerkennung

Die Afrikanische Union (AU) hatten am Dienstag anlässlich einer Vermittlungsmission mehrerer Staatschefs Jammeh aufgefordert, das Wahlergebnis anzuerkennen.

Der gambische Generalstabschef Ousman Badjie sagte örtlichen Medienberichten zufolge, dass er weiterhin loyal zu Jammeh stehe. Seine Bemerkung schürte erneut Befürchtungen, dass Jammeh sich mit Hilfe des Militärs an die Macht klammern könnte. (APA, 14.12.2016) -

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Der Standard, 10. Dezember 2016

Yahya Jammeh spricht von Unregelmäßigkeiten beim Wahlverfahren

Banjul – Eine gute Woche nach der verlorenen Wahl hat Gambias Langzeitpräsident Yahya Jammeh dem Ergebnis doch noch seine Anerkennung verweigert. Das teilte er am Freitag im Staatsfernsehen mit.

Für seine Weigerung machte er Unregelmäßigkeiten beim Wahlverfahren verantwortlich. "Hiermit weise ich die Ergebnisse in Gänze zurück", sagte er. Die Wahl vom 1. Dezember hatte Adama Barrow gewonnen. Jammeh hatte seine Niederlage zunächst eingeräumt.

Der Regierungswechsel ist für Jänner geplant – es wäre die erste friedliche Amtsübergabe in der Geschichte des kleinen Landes, das vor allem vom Erdnussexport lebt.

Jammeh sagte, die Ermittlungen hätten in einigen Fällen enthüllt, dass den Wählern gesagt worden sei, die Opposition habe bereits gewonnen, so dass die Menschen dann nach Hause zurückgegangen seien. Darüber hinaus stimme die Zahl der Wahlkarten nicht mit dem nationalen Wählerverzeichnis überein.

Jammeh (51) hatte sich 1994 an die Macht geputscht und die frühere britische Kolonie seitdem mit harter Hand regiert. Er wollte eine weitere, fünfte Amtszeit erreichen. Jammeh hatte das mehrheitlich muslimische Gambia im vergangenen Jahr überraschend zu einer islamischen Republik erklärt.

Die Gerichte haben bereits damit begonnen, Menschen aus Gefängnissen freizulassen, die gegen Jammehs Regierung protestiert hatten. Barrow hatte versprochen, politische Gefangene zu befreien. (APA, 10.12.2016)

Der Standard, 13. Dezember 2016

Präsident Yayah Jammeh wurde am 1. Dezember überraschend abgewählt – Nach 22 Jahren an der Macht

Banjul – Nigerias Präsident Muhammadu Buhari und weitere Vermittler haben den abgewählten Langzeitpräsidenten Gambias zur Anerkennung des Wahlergebnisses aufgefordert. Die Afrikanische Union (AU) "lehnt jeden Versuch ab, das Ergebnis der Präsidentenwahl in Gambia zu umgehen oder umzukehren", erklärte die Organisation am Dienstag anlässlich der Vermittlungsmission mehrerer Staatschefs.

Nach 22 Jahren an der Macht in dem kleinen westafrikanischen Staat wurde Präsident Yayah Jammeh am 1. Dezember überraschend abgewählt. Zunächst räumte er seine Niederlage ein, am Samstag ruderte er aber zurück.

Chef der Wahlkommission ausgesperrt

Sicherheitskräfte versperrten unterdessen den Zugang zu den Büros der Wahlkommission. Deren Chef, Alieu Momarr Njie, wurde nicht in sein Büro gelassen. Dieser hatte von Jammeh die Anerkennung des Wahlergebnisses gefordert. Der gambische Generalstaatschef Ousman Badjie sagte örtlichen Medienberichten zufolge, dass er weiterhin loyal zu Jammeh stehe. Seine Bemerkung schürte erneut Befürchtungen, dass Jammeh sich mit Hilfe des Militärs an die Macht klammern könnte.

Die AU-Delegation, zu der unter anderem auch die liberianische Präsident Ellen Johnson Sirleaf gehörte, wollte sich auch mit Wahlsieger Adama Barrow treffen. (APA, 13.12.2016)

Der Standard, 2. Dezember 2016

Yahya Jammeh war für eine fünfte Amtszeit angetreten, unterlag aber dem Oppositionskandidaten Adama Barrow

Banjul – Sieger der Präsidentschaftswahl im westafrikanischen Gambia ist der Oppositionskandidat Adama Barrow. Wie die Wahlkommission am Freitag in der Hauptstadt Banjul bekanntgab, kam er auf 45,5 Prozent der abgegebenen Stimmen. Auf den seit 22 Jahren amtierenden Staatschef Yahya Jammeh entfielen 36,6 Prozent der Stimmen.

Der dritte Kandidat, Mama Kandeh, bekam 17,8 Prozent. Die Wahlbeteiligung lag bei 65 Prozent.

Jammeh gestand nach Angaben der Wahlkommission noch vor der Verkündung des amtlichen Ergebnisses seine Niederlage gegenüber seinem Herausforderer ein. Der Kommissionsvorsitzende Alieu Momar Njie sagte vor Journalisten: "Es ist wirklich außergewöhnlich, dass jemand, der das Land so lange geführt hat, seine Niederlage akzeptiert."

Der autokratisch regierende Präsident Jammeh war für ein weiteres fünfjähriges Mandat angetreten. Er hatte sich im Jahr 1994 an die Macht geputscht und wurde seitdem stets wiedergewählt. Die Opposition hatte mit Barrow erstmals einen gemeinsamen Kandidaten aufgestellt. Zu der Wahl am Donnerstag waren knapp 900.000 Menschen aufgerufen.

Nach Einschätzung der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch bestand keine Chance auf eine freie und faire Wahl, weil Oppositionsparteien eingeschüchtert, Journalisten unterdrückt und Sicherheitskräfte zur Durchsetzung politischer Ziele benutzt würden. Bereits am Vortag der Wahl waren Telekommunikationsdienste, über die sich die Opposition zu Protesten verabredet, nicht mehr verfügbar. (APA, AFP, 2.12.2016)

Manuela Honsig-Erlenburg, Der Standard, 30. November 2016

Human Rights Watch: Faire Wahl ist unmöglich – Einschüchterung und Unterdrückung von Medien und Opposition

"Kein Sterblicher kann mir die Präsidentschaft nehmen." Der gambische Präsident Yahya Jammeh macht wenige Tage vor der Präsidentschaftswahl mit drohendem Unterton klar, dass er nicht gewillt ist, seine Machtposition aufzugeben. "Eine Million Jahre" werde er mit Gottes Zustimmung noch regieren. Noch sind es "erst" 22 Jahre, die er Präsident ist. Zum fünften Mal will sich der 50-Jährige am 1. Dezember wiederwählen lassen. Und dafür, dass dieses Vorhaben aufgeht, hat er auch diesmal wieder vorgesorgt.

Oppositionskandidaten haben so gut wie keine Chancen auf einen fairen Wahlkampf, im Vorfeld der Wahl haben die Behörden darauf geachtet, dass sie keine Politik machen können. Ein "Klima der Angst" mache es vielen Oppositionellen und Aktivisten unmöglich, ihre Meinung über die Regierung zu äußern – so bewertete kürzlich Human Rights Watch (HRW)t die Lage im Land. Oppositionsparteien würden eingeschüchtert, Journalisten unterdrückt und Sicherheitskräfte zur Durchsetzung politischer Ziele benutzt, beklagte die Menschenrechtsorganisation in dem Anfang November vorgestellten Bericht. Viele Reporter seien daher zur Selbstzensur gezwungen. Gambia hatte außerdem kürzlich seinen Rückzug aus dem Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag angekündigt.

Oppositionskandidat mit Chancen

Seit er sich im Sommer 1994 an die Macht geputscht hat, führt Jammeh das kleine westafrikanische Land mit harter Hand. Ende 2015 erklärte er Gambia plötzlich zur "Islamischen Republik". Als Jammeh im Februar 2016 verkündet, er wolle sich bei Wahlen im Dezember ein fünftes Mal zum Staatschef wählen lassen, gingen die Menschen trotz der repressiven Atmosphäre im Land für eine Wahlreform auf die Straßen. Bei den Protesten der Opposition wurden zahlreiche Aktivisten festgenommen. Darunter Solo Sandeng von der Oppositionspartei UDP (United Democratic Party). Kurz darauf soll er in Polizeigewahrsam gestorben sein. Ein Bericht der Uno beschreibt Folter als regelmäßige Praxis des gambischen Nachrichtendienstes.

Auch Adama Barrow gehört der UDP an. Erst vor einem Monat hatten acht Parteien der gambischen Opposition ihn als gemeinsamen Gegenkandidaten zu Jammeh aufgestellt. Während der Herausforderer seine Wahlveranstaltungen oft spontan und nur vor einer Handvoll Menschen abhält, lässt sich Jammeh, mit dunkler Sonnenbrille auf seiner Hummer-Limousine stehend, wie ein Star durch die Menge chauffieren.

Trotzdem zeigen sich gambische Diplomaten der britischen "Times" gegenüber zuversichtlich, dass Barrow bei den Gambiern großen Anklang findet und bei freien Wahlen auch konkrete Gewinnchancen hätte. "Gambia entwickelte sich unter Jammeh in die falsche Richtung. Nämlich zu einem der ärmsten Länder ohne Menschenrechtsstandards", sagt Barrow seinen Landsleuten. Nicht nur er wirft Jammeh und seiner Regierung Misswirtschaft und Korruption vor.

Flucht aus dem Land

Blickt man auf die Zahlen, schneidet Gambia sehr schlecht ab. Mehr als die Hälfte der rund zwei Millionen Einwohner lebt laut UN-Schätzungen in Armut. Industrie gibt es kaum, die Menschen leben von Landwirtschaft und Tourismus. Wer von Präsident Jammeh konkrete Lösungen für die Probleme des Landes erwartet, wird enttäuscht. Er lässt vor allem mit Ankündigungen aufhorchen, er könne Aids oder Ebola per Handauflegen innerhalb von Tagen heilen und habe ein Mittel gegen Unfruchtbarkeit entdeckt. Weniger skurril und weitaus bedrohlicher: Regelmäßig droht er der Volksgruppe der Mandinkas. Sie seien keine echten Gambier. Adama Dieng, UN-Sonderberater für die Verhütung von Völkermord, hat den gambischen Präsidenten bereits zum wiederholten Mal vorm Schüren von Hass gegen die Volksgruppe gewarnt.

Vor allem junge Männer sehen oft in der Emigration die letzte Chance für ihre Zukunft. Unter den westafrikanischen Migranten, die eine Flucht über das Mittelmeer nach Europa versuchen, stellen die Gambier eine der größten Gruppen. Und Zahlen des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR zeigen, dass sich die Asylanträge von Gambiern in den Industriestaaten in den letzten Jahren vervielfacht haben: Waren es 2013 4.218 Anträge, kamen 2014 bereits 12.087 Menschen aus Gambia. Die Flüchtlinge nennt Jammeh "Versager" und "schlechte Muslime".

Bei der Präsidentschaftswahl 2011 sprach die Opposition von Wahlbetrug. Internationale Beobachter stuften die Abstimmung als weder frei noch fair ein. 2016 hat sich an dieser Situation nichts geändert. Nach Einschätzung von Human Rights Watch gibt es keine Chance auf eine freie und faire Präsidentschaftswahl. Noch vergangene Woche hieß Jammeh internationale Wahlbeobachter vollmundig willkommen, man solle sich diesen "vertrauenswürdigen Wahlprozess" ruhig ansehen. Die Wahlbeobachter der Europäischen Union bekamen dieses Jahr allerdings eine Absage des gambischen Außenministeriums auf ihre Akkreditierungsanfrage. (mhe, 30.11.2016) - derstandard.at/2000048334294/Gambischer-Praesident-Jammeh-will-noch-eine-Million-Jahre-regieren