Rund 80 Menschen zogen heute durch die Berner Innenstadt um gegen die Räumung des «Dschungels» in Calais zu protestieren. Bein Kornhausplatz wurde zudem ein Transparent für Bewegungsfreiheit für alle gehängt. Im Folgenden der Text, der an zahlreiche Passant*innen verteilt wurde:
No Border, No Nation – Solidarität mit den Bewohner*innen des «Dschungels» in Calais!
Am Montag, 24 Oktober 2016, begann die Polizei den «Dschungel» in Calais – ein selbstorganisiertes Camp von geflüchteten Menschen an der französischen Grenze zu Grossbritannien – gewaltsam zu räumen. Dabei werden die ca. 1`300 Polizist*innen von 2`000 privaten Sicherheitskräften unterstützt.
Der «Dschungel» entstand im Jahr 2009 zuerst durch einige hundert Menschen, denen die Einreise nach Grossbritannien (UK) verwehrt wurde. Dort entstand über die Jahre ein Camp, das schlussendlich mehrere tausend Menschen zählte. Von Calais aus versuchten sie durch den Eurotunnel, mit Schiffen oder mit Lastwagen nach UK einzureisen. Alle Möglichkeiten zur Überquerung der Grenz sind äusserst gefährlich, nicht Wenige wurden von Zügen erfasst, ertranken oder strickten in den Lastwägen.
Der war selbstorganisiert, d.h. die Infrastruktur wurde von den Bewohner*innen des «Dschungels» und solidarischen Menschen aufgebaut und verwaltet. Der Einsatz von staatlichen Institutionen beschränkte sich auf Schikanen und Misshandlungen durch die Polizei.
Die Menschen lebten vorwiegend in Zelten und selbstgebauten Hütten, die medizinische und ernährungstechnische Versorgung war miserabel.
Trotz all diesen Faktoren blieb der Hoffnungsschimmer bei den dort festsitzenden Menschen nach Grossbritannien zu gelangen.
Bereits im Frühjahr 2016 räumte die Polizei Grossteile des Camps, wobei sie auf teils heftigen Widerstand stiessen.
Anfangs letzte Woche nahmen sie die brutalen Räumungsarbeiten wieder auf, um die restlichen Bewohner*innen des «Dschungels» endgültig in staatliche geführte Lager in ganz Frankreich oder in Ausschaffungsknäste zu verschleppen.
Viele Menschen zündeten aus Protest gegen die Räumung ihre Zelte an und griffen die Polizei an.
Rund um Calais bilden sich nun immer wieder neue Camps, die ständig gewaltsam geräumt und die Menschen in Knäste gesteckt werden, weil sie sich nicht «freiwillig» verschleppen lassen.
In nördlichen Teilen von Paris leben seit einigen Monaten mehrere tausend geflüchtete Menschen, viele Leute lebten zuvor auch in Calais. Sie stellen diverse Forderungen, wie beispielsweise eine respektvolle Behandlung, Zugang zu medizinische Versorgung, ein Dach über dem Kopf, usw. Auch diese «illegalen» Camps will die Französische Regierung so schnell wie möglich räumen lassen, um den Widerstand gegen das Asylregime von den Strassen zu verbanne. Momentan gibt es nun schon etliche Personenkontrollen, gewaltsame Übergriffe und Teilräumungen durch Polizist*innen.
Egal ob in Calais, Paris oder sonstwo: Grenzen und Nationen unterdrücken und töten!
Solidarität mit allen geflüchteten Menschen!
Destroy all Borders!
(weitere Infos auf calaismigrantsolidarity.wordpress.com, ausdemherzenderfestung.noblogs.org, ch.indymedia.org/de, linksunten.indymedia.org, renverse.co, paris-luttes.info)
Den Jungle von Calais gibts länger, als viele denken ...
Oben ist zu lesen: "Der «Dschungel» entstand im Jahr 2009 zuerst durch einige hundert Menschen, denen die Einreise nach Grossbritannien (UK) verwehrt wurde." Das stimmt so nicht, denn im Sommer 2009 fanden zahlreiche Räumungen in Calais statt. So wurden viele der besetzten Häuser geräumt, in denen Migrant_innen und Geflüchteten lebten. Allein das größte selbstorganisierte Camp, benannt als 'Pashtun Jungle', verfügte wie das nun geräumte über Geschäften, Moschee, Cafes usw. und sollte wohl eher als Dorf bezeichnet werden und beherbergte mindestens 400 Menschen. Insgesamt warteten im Sommer 2009 wohl mehr als 1.000 Menschen auf die Überfahrt nach GB. Dieser wurde im September 2009 dem Erdboden gleich gemacht. Es folgten weitere Räumungen in und um Calais.
Dokumentiert ist die Situtation in Calais vor allem seit dem noborder Camp im Juni 2009, dass damals unter massiver Polizeirepression statt finden konnte - ein bewegen in der Stadt war so gut wie unmöglich, trotzdem war dieses Camp ein Erfolg und vor allem Start einer bis heute andauernden Präsenz von noborder Aktivist_innen in Calais, die die Migrant_innen so gut wie möglich unterstützten und vor allem die massive Polizeibrutalität dokumentierten. Siehe dazu die Website von Calais Migrant Solidarity, insbesondere die Dossiers of Violence.
Informationen (auf deutsch) gibt es u.a. bei Labournet.de in der Rubrik Menschenrechte-Frankreich sowie gesammelte Presseberichte bei der Forschungsstelle Flucht und Migration in der Rubrik zu Calais.
Einen guten Überblick mit Berichten auf deutsch und englisch seit 2009 (und teilweise davor) findet ihr auf no-racism.net in der Artikelsammlung zum Thema grenzregime frankreich.