Bespitzelt worden... Hearing in London: Mark Kennedy und Co

Voices Of The Spied Upon

Am 10. Oktober 2016 wird die "Campaign Opposing Police Surveillance" in London ein Hearing mit verschiedenen Personen durchführen, die über ihre Erfahrungen berichten werden. Menschen wurden heimlich über Jahre von Spitzeln und mit technischen Mitteln überwacht, sie wurden ausgeforscht von Leuten, die sie für nahe Genossen und Freunde hielten, oder sie gerieten in den Strudel geheimer Absprachen und Intrigen  aus Geheimdienst- und Regierungsinteressen gegen Oppositionelle - oder was diese dafür hielten.

 

Einer der aufgeflogenen Bullen-Spitzel, Mark Kennedy, war auch in Deutschland aktiv war - aber auch die anderen Fälle aus Großbritannien zeigen, wer alles in den Fokus von Überwachung, Ausforschung und Komplott geraten kann und welche Mittel und Methoden zum Einsatz kamen. Darum ein Kurzüberblick über einige Fälle.


Der Fall der Shrewsbury24 (GB) oder die Bekämpfung von Arbeitskämpfen, Streiks und Gewerkschaften:

Ricky Tomlinson war Bauarbeiter und Gewerkschafter. 1972 war er aktiv im ersten landesweiten Bauarbeiter-Streik in Großbritannien, der über 12 Wochen andauerte und am Ende zu Lohnerhöhungen führte. Tomlinson war einer von 24 Verhafteten, die wegen der Aufstellung von Streikposten in Shrewsbury verhaftet worden sind.

2012 konnten aufgrund des Freedom of Information Act bisher geheime Papiere eingesehen werden, die zeigten, dass Polizei, Gericht, Geheimdienste und Politiker gemeinsam daraufhin gewirkt hatten, dass die führenden Streikenden verfolgt und bestraft werden sollten: im Sinne der nationalen Sicherheit und obwohl bekannt war, dass ihnen keine Sachbeschädigungen oder Gewalttaten nachgewiesen werden konnten. Tomlinson gehörte zu den 6 Personen, die zu Haftstrafen wegen Verschwörung und Aufwiegelung verurteilt worden sind. Er saß wegen dieser Intrige zwei Jahre im Knast und wird auf dem Hearing über seinen Fall und die immer noch aktive Kampagne zur Aufklärung über den Shresbury-Fall berichten.
Die Kampagne kämpft bis heute um Aufklärung und Einsicht in bisher weiterhin geheim gehaltene Papiere.

 

Die Infiltration und Sabotage mit geheimdienstlichen Mitteln von Arbeitskämpfen, Streiks und Gewerkschaften hat in Großbritannien Methode und ist mehrfach bewiesen. So beschreiben die ehemaligen Polizisten Ray Wilson and Ian Adams im Buch Special Branch - a history Methoden und Taktiken von Ausspionierung und Infiltration eines großen Streiks zwischen 1976 und 1978 in der Photo-Entwicklungsfirma Grunwick, der vor allem von migrantischen Frauen wie Jayaben Desai getragen wurde.


Der Fall Stephen Lawrence - Ausforschung und Imagebeschmutzung der antirassistischen Initiativen um die Aufklärung eines rassistischen Mordes

Der schwarze britische Student Stephen Lawrence war 1993 an einer Bushaltestelle von mehreren Rassisten erstochen worden. Nur die unermüdlichen Bemühungen der Familie, den Fall und die rassistischen Motive aufzuklären und Gerechtigkeit zu erwirken, führten zu späten Nachforschungen und schließlich im Jahre 2012 zu Verurteilungen. Das Verhalten von Polizei und Staatsanwaltschaft waren geprägt von rassistischen Stereotypen und Haltungen. Erst später wurde bekannt, dass die Familie von Stephen Lawrence und die sich mit dem Fall beschäftigende antirassistische Kampagne jahrelang von Geheimdiensten bespitzelt, ausgehorcht und diffamiert worden sind. Eingeschleuste Spitzel erforschten Familien-Interna mit dem Ziel, dem Ruf der Kampagne mit scheinbar schmutzigen Details zu schaden. Die damalige Innenministerin und heutige Premierministerin Theresa May sah sich 2014 gezwungen, einer Untersuchung dieser Vorfälle zuzustimmen.

Duwayne Brooks war Zeuge des Mordes an seinem Freund Stephen Lawrence. Auch er wurde seit dem Vorfall von der Metropolitan Police überwacht und verfolgt. Einer der wenigen Whistleblower aus der geheimen Polizeieinheit Special Demonstration Squad, Peter Francis, hat später berichtet, wie er stundenlang als scheinbarer Aktivist auf Demonstrationen und Veranstaltungen der Aufklärungs-Kampagne von Stephen Lawrences Familie zugebracht hat, um Belastendes zu finden, womit die Zeugenaussagen von Brooks ins Wanken gebracht oder in schlechtes Licht gerückt werden könnten. Aufgrund solcher undercover ermittelten Vorwürfe wurde Brooks sogar mehrfach angeklagt.
Die Metropolitan Police musste auch zugeben, dass sie noch Jahre nach dem Mord an Stephen Lawrence Gespräche zwischen dessen Freund Brooks und seinem Anwalt abgehört hatte.

Duwayne Brooks spricht ebenfalls auf dem Hearing zu seinen Erfahrungen.

Der Fall Mark Kennedy und die Infiltration europäischer Protesbewegungen:

Von 2003 an bis zu seiner Enttarnung im Oktober 2010 verbrachte das Mitglied der geheimen britischen National Public Order Intelligence Unit (NPOIU) Mark Kennedy sieben Jahre lang undercover in verschiedenen Szenen und verschiedenen Ländern als scheinbarer Aktivist: in der Umweltbewegung, bei Antiglobalisierungskampagnen und -demonstrationen, in anarchistischen und antifaschistischen Kreise, z.B. bei Dissent!, Rising Tide, Saving Iceland, Workers’ Solidarity Movement, Klima-Camps, Climate Justice Action und viele mehr. In Deutschland war er beispielsweise in Heiligendamm 2008 aktiv, er nahm undercover an Aktionen, Treffen und Kundgebungen teil in Frankreich, Schottland, Irland, Island, Spanien, Dänemark (Proteste bei der Räumung des Ungdomshuset Kopenhagen 2007), er war in den USA, Italien, Belgien und Polen unterwegs.
Mark Kennedy knüpfte weltweit Kontakte, reiste viel herum auf Protestveranstaltungen, hielt sich in besetzten Häusern auf, besetzte Kohlekraftwerke, war bei Blockaden und militanten Demonstrationen aktiv und Teil europaweiter linker Vernetztungen und Bündnisse.

Er hatte freundschaftliche und Liebesbeziehungen zu verschiedenen Frauen, von denen einige im Nachhinein dieses miese Spiel öffentlich machten. Eine von ihnen, Lisa Jones, enttarnte  Mark Kennedy als undercover ermittelnden Polizisten, der ein komplettes Doppelleben innerhalb der Polit-Szene geführt hatte. Die Aufdeckung führte zu einer ganzen Reihe von Erkenntnissen und Einblicken in die miese Welt geheimdienstlicher Ermittlungen und Bespitzelungen in sozialen politischen Bewegungen weltweit.
Lisa Jones, die lange die Öffentlichkeit gemieden hatte, berichtet auf dem Hearing.

 

Klagen gegen Scheinbeziehungen von Spitzeln mit Aktivistinnen

 

In Großbritannien hat eine ganze Gruppe von Frauen, darunter auch Lisa, in einer Klage eine offizielle Entschuldigung sowie teilweise Entschädigungen erstritten für die Fälle, in denen Spitzel Beziehungen mit Aktivistinnen führten und zum Teil sogar Kinder in die Welt setzten.
Hier wurden auch Fälle verhandelt von Spitzeln der lange nicht bekannten NPOIU-Einheit und des Special Demonstration Squad (SDS), einer in den 70ern gegründeten ebenfalls geheimen Einheit der London Metropolitan Police, die erstmalig während der z.T. militanten Anti-Vietnam-Krieg-Proteste zum Einsatz kam. Ein Beispiel ist der Spitzel Bob Lambert, seit 1977 vom SDS eingesschleust, um militante Tierrechtler und Umweltbewegung nicht nur auszuspionieren, sondern auch zu radikalisieren und unter falscher Flagge durch Aktionen in Mißkredit zu bringen. Im Buch Undercover - The True Story of Britain's Secret Police von Paul Lewis and Rob Evans wird nachgewiesen, dass Bob Lambert als falsches Mitglied der Animal Liberation Front 1987 eine Bombe in einem Kaufhaus gelegt hat, die über 300.000 £ Schaden anrichtete.


Der Metropolitan Police Service stimmte im Oktober 2014 der Zahlung einer Entschädigung von £425,000 an eine Frau zu, die mit Lambert ein Kind hat und während der Zeit ihrer Beziehung nichts von seiner wahren Identität wusste.
Auch John Dines war als eingeschleuster verdeckter Ermittler in Großbritannien in einer mehrjährigen Beziehung mit der Aktivistin Helen Steel. Er verschwand urplötzlich aus ihrem Leben - erst nach und nach und mit harten emotionalen Erschütterungen verbunden entdeckte und enthüllte sie seine wahre Identität. Ihr gelang es, den früheren Spitzel in Australien ausfindig zu machen, wo er inzwischen an einer Hochschule zu Sicherheits- und Polizeithemen lehrte. Sie stellte und konfrontierte ihn auf dem Flughafen von Sydney, als er gerade eine indische Polizeieinheit für ein Trainig empfing...

Die Aktivistin Lily, die ebenfalls eine Zeitlang eine Beziehung mit Mark Kennedy geführt hatte, ist auch Jahre nach seiner Enttarnung offensichtlich immer noch im Fokus verdeckter Ermittlungen. Sie hält nun Vorträge zum Thema polizeiliche Überwachung, reist zu Veranstaltungen zu diesem Thema durch Europa und vernetzt sich mit anderen Überwachungskritiker*Innen. Auf einem Kongreß der Technik-Szene, dem Circumvention Tech Festival in Valencia findet sie - nach mehreren Autokontrollen mißtrauisch geworden - einen Peilsender an ihrem Wagen, der sie überwacht: ein GPS-Gerät mit einer spanischen SIM-Karte im Slot.

 

In Großbritannien sind durch viele Recherchen und politischen Druck, aber auch durch die AKtionen und Erfahrungen betroffener Bespitzelter viele Informationen ans Licht gekommen.

 

Unwahrscheinlich, dass es in Deutschland nicht auch viel mehr Fälle gab, als bisher bekannt sind,

also ran an eine gute und seriöse Recherche-Arbeit!

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Heiligendamm war 2007. Ich hoffe der Rest ist besser recherchiert.

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Was macht Simon Brenner bzw.Bromma nach seiner Entarnung?

und wo befindet er sich momentan?

Der Mann ist Polizist aus BW. Sein bekannter VE Einsatz verlief über das LKA BW. Für solche Tätigkeiten setzt die Polizei bundesweit junge Polizisten nach der Ausbildung ein. Das wirkt sich günstig auf die Beförderungen aus.

es ist eine illusion davon auszugehen, die gruppe, das plenum sei frei von sicherheitsorgane.

Dazu ein Artikel aus Spiegel Online:

Brasilien: Spion späht Frauen bei Tinder aus

Quelle: Spiegel Online, Erstveröffentlicht: 09.10.2016

Auf Tinder sucht ein hübscher Mann nach Frauen aus der linken Szene. Er flirtet mit falschen Marx-Sprüchen - in Wahrheit ist er Soldat. Der Skandal zeigt, wie Brasilien seine Bürger online überwacht.

https://linksunten.indymedia.org/de/node/193154