„Das darf doch alles nicht wahr sein“ - Ein Spruch, der Enrico Pridöhl am heutigen Tag mehrmals über die Lippen ging. Hektisch, aber dennoch entschlossen, telefoniert Pridöhl sämtliche Kameraden ab, die zugesagt hätten, ihn heute bei seiner Versammlung zu unterstützen – wieder nur die Mailbox – wieder geht niemand an sein Handy. Sein Blick geht zu Boden!
Siebzig Kameraden – sogar aus Mecklenburg-Vorpommern – haben angeblich zugesichert, ihn zu unterstützen. Gekommen ist jedoch nur Pridöhl selbst, sowie ein Kamerad aus Hamburg, Andreas Paul. Pridöhl tippelt nervös mit seinen Füßen auf dem Boden, wieder geht die Hand zum Telefon – der Anmelder, Matthias Quecke aus Brunsbüttel, der heutigen Veranstaltung, welche unter dem Motto „Gegen Linke und Ausländer Gewalt“ angemeldet wurde, geht ebenfalls nicht an sein Handy. Pridöhl ist verärgert. Bereits zum Kooperationsgespräch am 19. September 2016 erschien Quecke nicht. Pridöhl hatte ihm die Anmeldung zuvor aus strategischen Gründen überlassen, da sein eigener Name innerhalb der rechten Szene negativ behaftet sei.
„Ich habe den Quecke sogar meine Fahne überlassen!“ murmelt Pridöhl
verärgert vor sich hin. Er habe kein Megafon, kein Transparent - nichts
dabei. Alles steht und fällt mit Quecke und dem Mob von Kameraden,
welche angeblich mit dem Auto auf dem Weg nach Bad Segeberg seien. Pridöhl
hatte zuvor mit der Polizei vereinbart, dass der Parkplatz der
Kfz-Zulassungsstelle in der Waldemar-von-Mohl-Straße abgesichert wird -
dem war nicht so. „Zugfahren ist viel zu gefährlich. Die Kameraden gehen
auf Nummer sicher“, so Pridöhl. Er spricht aus Erfahrung. Er selber
wurde in diesem Jahr auf dem Nachhauseweg zusammengeschlagen – gewehrt
habe er sich nicht.
Enttäuscht, frustriert und gedemütigt
verschafft Pridöhl seinem Ärger öffentlich Luft: Alle hätten ihn im
Stich gelassen, angefangen beim stellv. Vorsitzenden der NPD
Schleswig-Holstein Mark Michael Proch, welcher noch nicht einmal auf
seine Anfrage geantwortet habe. Ohnehin sei der Landesverband durchsetzt
von gewaltbereiten und skrupellosen Kadern, wie Jörn Lemke, welcher in
den letzten Jahren durch gewalttätige Übergriffe auf Andersdenkende in
Erscheinung getreten sei. Außerdem sei Jörn Gronemann alias „Mauli“ ein
Spitzel des Verfassungsschutzes. Ein Vorwurf, welcher in der
Vergangenheit bereits auch gegen Jörn Lemke geäußert wurde.
Diese und weitere Vorkommnisse seien der Grund dafür gewesen, weshalb
Enrico Pridöhl gemeinsam mit Marcus Tietz den NPD-Kreisverband
Lübeck-Ostholstein verlassen habe.
Bereits seit 11 Uhr wartet
Pridöhl in Bad Segeberg darauf, dass Menschen sich seinem Aufruf
anschließen. Er habe die Hoffnung, dass „der Norden aufwacht“ - mit der
Polizei habe er vereinbart um 13.15 Uhr den folgenden Ablauf seiner
Veranstaltung neu zu verhandeln. Sollte sich niemand beteiligen, bricht
er die Veranstaltung ab und stellt darüber hinaus dem diensthabenden
Einsatzleiter ein selbstverfasstes Schreiben aus, in welchem er
zusichert, dass er kein weiteres mal den Versuch unternimmt, in Bad
Segeberg eine Veranstaltung anzumelden.
Sichtlich angeschlagen
kramte Pridöhl um 13.05 Uhr aus der Innentasche seines befleckten
Jackets ein Schreiben hervor, welches er der Polizei übergibt. Um 13.09
Uhr ist es amtlich – Veranstaltung abgesagt - Veranstaltungen in Bad
Segeberg gehören für Pridöhl nun der Geschichte an. Er räumt das Feld.
Pridöhl erfährt neben einer weiteren Niederlage die Erkenntnis, dass
sein Angebot auf keinerlei Resonanz stößt und von der rechten Szene
missbilligend ignoriert wird. Das einzige Angebot, welches
Pridöhl am heutigen Tag erhielt, waren Schläge von Gegnern seiner
Veranstaltung, die ihn das eine oder andere mal zusammenzucken ließ.
Antifaschistische Koordination Lübeck
Micha Höft & Thomas Isaakson
In der Innenstadt ging noch Micha Höft mit seinem Hund spazieren und versuchte Gegendemonstrant*innen mit seinem bösen Blick zu beeindrucken.
Außerdem war "Neumünster wehrt sich" Redner Thomas Isaakson am Rande des SPD standes zu sehen. Auf der "Neumünster wehrt sich" Facebookseite machen sie sich auch schon wieder über Enrico lustig. Amüsant!