Seit fast genau einem Monat sitzen unsere Gefährten Aaron und Balu in der Berliner JVA Moabit in Untersuchungshaft. Sie wurden während der Demonstration »Rigaer 94 verteidigen! Investor_innenträume platzen lassen!« von den Bullen festgesetzt und später einem Haftrichter vorgeführt. Die Anklagen beinhalten allem voran den Vorwurf des „schweren Landfriedensbruchs“, die Haftprüfungen durch die zuständigen Richter_innen ergaben, dass die beiden wegen angeblicher Fluchtgefahr in Untersuchungshaft bleiben müssen, eine erneute Prüfung kann aus rechtlichen Gründen erst wieder in 3 Monaten stattfinden. Die politische Dimension der Inhaftierung liegt hier klar auf der Hand: bei ähnlichen Vorfällen in der Vergangenheit ging bis jetzt noch kein/e Richter_in von Fluchtgerfahr aus oder verhängte U-Haft, es sei denn die Fälle sind politisch motiviert. Fest steht zur Zeit nur, dass die beiden noch mindestens weitere 2 ½ weitere Monate im Knast absitzen werden und wir sie in dieser schweren Zeit bestmöglich unterstützen müssen!
Die „harte Hand des Rechtsstaates“, von der in diesen Tagen und besonders im Zusammenhang mit der medialen Nachbereitung der Demonstration vom 09. Juli so unheimlich ausgiebig schwadroniert wurde, hat also zugeschlagen. Genauso willkürlich und skrupellos, wie immer dann, wenn jener Rechtsstaat ernsten Anlass zur Befürchtung hat, einen punktuellen Kontrollverlust zu erfahren oder gar ein Kräftemessen gegen seine Feind_innen zu verlieren. Das Kräftemessen um die Rigaer 94 hat dieser Rechtsstaat eindeutig verloren und auch wenn er sich dabei maßgeblich mit seinen eigenen Waffen geschlagen hat ist der erzielte Zwischenstand durchaus als Sieg für uns zu werten.
Die Repression gegen die solidarischen Bewohner_innen des Friedrichshainer Nordkiezes, die Einrichtung der »Sonderkommission LinX« durch Innensenator Henkel,das Aushebeln ihrer eigenen Gesetze zur Durchsetzung ihrer Interessen und die damit verbundene Schikane gegenüber der durch ihre Belagerung massivst eingeschränkten Menschen und schließlich auch der unverhältnismäßige Umgang mit den Festgenommenen des 09. Juli zeigen deutlich: der Staat hat seine Niederlage längst eingesehen und mit Henkel will nun weitgehend niemand mehr etwas zu tun haben. Aaron und Balu wiederum müssen für diese Niederlage büßen und werden, als abschreckendes Exempel und in völlig unverhältnismäßigem Ausmaß zur Verantwortung gezogen. Um den Druck weiter aufzubauen, erklärte zu guter Letzt eine Staatsanwältin, sie wolle sich dafür einsetzen, dass die beiden mehrjährige Haftstrafen erhalten ...
Es ist klar, dass Aaron und Balu als Paradigma herhalten müssen, das widerständige Menschen einschüchtern und abschrecken soll, sich gegen eine Stadtumstrukturierung nach kapitalistischen Maßstäben aufzulehnen und die herrschenden Verhältnisse anzugreifen. Wenn Bullen die Bewohner_innen eines für sie unliebsamen Hausprojekts im Interesse von gesichtslosen Investoren drangsalieren, schickanieren und erniedrigen, ist das okay, weil politisch gewollt. Wenn sich Menschen dann aber mit den Betroffenen soldiarisieren und diverse Mittel ergreifen, um ihrem Frust Luft zu machen, wird dies skandalisiert und politisch verfolgt.
Wir müssen unseren Gefährten, die täglich tiefer in die institutionelle Isolierung getrieben werden, wissen lassen, dass sie eben nicht alleine sind und ihnen unsere Solidarität schicken. Wer von solidarischen Nachbarschaften oder Zusammenhängen spricht, darf auf keinen Fall jene vergessen, die im Zeichen dieses Kampfes von Henkels Schergen aus dem Verkehr gezogen wurden. Wir möchten diesen Anlass außerdem dafür nutzen, unsere beiden Genossen zu grüßen, denen aktuell in der kurdischen Arbeiter_innen-Partei PKK vorgeworfen wird, weshalb sie ebenfalls in Moabit inhaftiert sind.
Um den in Moabit sitzenden deutlich zu machen, dass sie nicht alleine sind und unsere volle Solidarität erwarten können, möchten wir sie am Samstag, den 13. August besuchen und in Form einer Kundgebung vor den Knastmauern grüßen. Wir treffen uns um 17 Uhr am Haupteingang der JVA Moabit!
Macht mobil! Unsere Solidarität gegen ihre Repression! Freiheit für Aaron und Balu! Checkt aaronbalu.blackblogs.org!
Heute Artikel in der taz
Vorwurf „schwerer Landfriedensbruch“
JUSTIZ U-Haft nach Demonstration zur Rigaer Straße 94 – unverhältnismäßig, sagt Rechtsanwalt
“Freiheit für Aaron und Balu“ lautet eine Parole, die in den letzten Wochen vermehrt in Berlin auf Plakaten zu sehen ist. Bei den Namen handelt es sich um die Pseudonyme von zwei jungen Männern aus Wien und Münster, die seit knapp einem Monat in der Justizvollzugsanstalt Moabit in Untersuchungshaft sitzen. Aaron arbeitet im IT-Bereich und Balu ist Student. Verhaftet wurden sie am Rande einer Solidaritätsdemonstration Anfang Juli mit dem Hausprojekt Rigaer Straße 94 in Friedrichshain. Das Haus war damals teilweise geräumt worden. Ein Gericht hat die Maßnahme mittlerweile für rechtswidrig erklärt. BewohnerInnen und UnterstützerInnen hatten in der angespannten Situation unter der Parole „Investorenträume platzen lassen“ zu einer Demonstration durch Friedrichshain aufgerufen, an der sich etwa 4.000 Menschen beteiligt hatten. Dabei kam es an einigen Stellen zu Auseinandersetzungen mit der Polizei. Am Rande der Demonstration wurden die beiden Männer festgenommen. Ihnen wird schwerer Landfriedensbruch und Verstoß gegen das Versammlungsrecht vorgeworfen. Belastet werden sie von PolizistInnen, die sie beim Werfen von Gegenständen gesehen haben wollen. Beim Haftprüfungstermin Ende Juli wurde die Fortdauer der Untersuchungshaft wegen möglicher Fluchtgefahr angeordnet. Doch Rechtsanwalt Nils Spörkel hat jetzt Beschwerde gegen diese Entscheidung eingelegt, die er für unverhältnismäßig hält. „Es wäre wahrscheinlich keine U-Haft verhängt worden, wenn die beiden nicht bei einer Demonstration zur Rigaer Straße 94 festgenommen worden wären, die in der Öffentlichkeit mit Randale verbunden wird“, meint Spörkel gegenüber der taz. Beide Beschuldigte sind nicht vorbestraft und haben einen festen Wohnsitz. Zudem würde nach der aktuellen Beweislage eine mögliche Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt, führt Spörkel Argumente für eine Freilassung von Aaron und Balu bis zum Gerichtsprozess an. Der soll nach dem Willen der Staatsanwaltschaft vor einem Schwurgericht stattfinden, was Spörkel als weitere juristische Verschärfung ablehnt. In einer gemeinsamen Erklärung haben die beiden Gefangenen die Fortdauer ihrer U-Haft als „Beweis für die politische Motivation unserer Inhaftierung“ bezeichnet. Eine Solidaritätsgruppe hat sich zur Unterstützung der beiden gegründet https://aaronbalu.blackblogs.org/.
Aus der taz vom 09.08.2016
Peter Nowak
Quelle: http://peter-nowak-journalist.de/2016/08/08/vorwurf-%e2%80%9eschwerer-la...