Am Dienstag, den 12.07.16 wurde der Vereinssitz vom Trägerverein des Projektes kreaktivisten.org durchsucht. Ziel der Durchsuchung war es, (Onlineshop-)Bestelldaten des letzten Jahres ausfindig zu machen, um eine*n Aktivist*in zu fassen der*die in Supermärkten Aufkleber auf Produkte geklebt hat. Im Zuge der Hausdurchsuchung wurde der Sitz des Vereins durchsucht, jedoch wurden weder Bestelldaten gefunden, noch etwas beschlagnahmt. Wie immer hielten die Chaot*innen der Polizei es nicht für nötig, das Durcheinander, welches sie veranstaltet haben, hinterher wieder aufzuräumen.
Wir
wollen die aktuelle Hausdurchsuchung einmal
zum Anlass nehmen, um
den polizeilichen Ermittlungsansatz „Onlineshop“
in den Fokus zu rücken und Umgangsstrategien damit zur Debatte
stellen. Die Hausdurchsuchung ist leider kein Einzelfall, sondern der
Höhepunkt von polizeilichen Einschüchterungstaktiken gegen das
Projekt kreaktivisten.org. Auch wissen wir, dass wir nicht der
einzige politische Onlineshop sind, der mit Polizei zu tun hat. So
gab es beim Black Mosquito Mailorder bereits mehrere
Hausdurchsuchungen und auch von anderen "befreundeten"
Shops ist uns bekannt, dass dort
öfters mal Polizeipost eingeht.
In soweit handelt es sich bei der Hausdurchsuchung um keinen
Einzelfall, sondern um ein polizeiliches Vorgehen, das öfter
anzutreffen ist.
Aber
wie kommen Polizist*innen dazu Hausdurchsuchungen wegen verklebter
Sticker zu machen?
Zunächst
einmal wurden wir nicht von vornherein hausdurchsucht. Dem Ganzen
gingen Briefe
der Polizei voraus, in denen sie unsere
Bestelldaten des letzten Jahres für einen bestimmten
Postleitzahlenbereich forderten.
Wohlgemerkt, ohne sich dabei auf irgendeine Rechtsgrundlage zu
beziehen (Rechtsgrundlagen sind wohl was für Spießer*innen). Frei
nach dem Motto:
Wir sind die Polizei, wir sind bewaffnet und wenn wir etwas
wollen, dann haben wir das auch zu bekommen.
Das
Problem ist, dass diese Einschüchterung wohl oft klappt. Zumindest
in dem vorliegenden
Fall war ein weiterer Onlineshop eingeschüchtert genug, um
auszusagen, dass es bei ihm keine auf die Anfrage betreffenden
Bestellvorgänge gab. Wir vermuten, dass auch
andere politische Onlineshops sich dem Druck der Polizei beug(t)en.
Allein durch die Tatsache, dass unsere Aufkleber jetzt nicht
wesentlich
relevanter
sind (oder
die selben sind),
als
die
Produkte anderer Shops, wäre es sehr suspekt,
wenn diese anderen Shops noch nie Stress mit der Polizei gehabt
hätten. Da dazu jedoch
so gut wie nie etwas
öffentlich gemacht wurde, lässt das zumindest die
These
zu, dass mit der Polizei kooperiert wurde
(im
Sinne von Aussagen machen o.ä.).
Natürlich kann es auch sein, dass Onlineshops sich weigern Daten an
die Polizei weiter zu geben und diese polizeilichen Anfragen, aus
Angst bei ihnen würde nicht mehr bestellt, der
Öffentlichkeit gegenüber verschweigen.
Wir finden es jedoch wichtig, dass Repression immer klar benannt und
auch öffentlich gemacht wird. Zudem können wir an der Stelle
berichten, dass die Hausdurchsuchung dafür gesorgt hat, dass wir
mehr Bestellungen hatten, nicht weniger.
Uns
ist auch bewusst, dass es Onlineshops gibt, die des öfteren
Polizeistress hatten und die über Jahre hinweg die Politik der
Aussageverweigerung gegenüber der Polizei durchgezogen haben. Das
sind aber auch die Projekte, bei denen die Polizei gar nicht mehr
anfragt,
sondern von vornherein hausdurchsucht.
Auffällig ist nur, dass auf scheinbar unerklärliche Weise manche
Projekte Repression abbekommen, während andere davon verschont
bleiben. Wir vermuten, dass es mehrere Onlineshops gibt, die sich dem
Druck der Polizei beugen und die Polizei sich dann mit Ihrer
Repression auf Projekte konzentrieren kann, die eine Kooperation
verweigern. Ein geschlosseneres Verweigern jeglicher Kooperation mit
der Polizei, an dem sich alle Onlineshops beteiligen, könnte hier
dazu führen, dass es schlicht nicht leistbar ist überall
einschüchternde Hausdurchsuchungen durchzuführen.
Dies würde letztlich
einen
enormen
Sicherheitsgewinn für alle, die in entsprechenden Onlineshops
bestellen, bedeuten.
Welche
Möglichkeiten gibt es, um
sich als Onlineshop der Polizei zu verweigern?
Zunächst
einmal ist es für viele Shops natürlich sehr hinderlich bis hin zu
existenzbedrohend,
wenn bei ihnen
Hausdurchsuchungen gemacht werden. So gibt es oft
für wichtige Infrastruktur wie Computer und Server keinen Ersatz
bzw. kein verstecktes Backup, um das
Shopsystem nach Beschlagnahmung gleich wieder in Betrieb nehmen zu
können. Das erhöht natürlich den Druck eine Hausdurchsuchung zu
vermeiden deutlich. Wenn man
sich vorher darüber Gedanken macht, wie der Shop trotz
Hausdurchsuchung weiter funktionieren kann, stellt man
fest,
dass das
gar nicht so schwierig ist. Systeme lassen sich backupen und
verschlüsselt und
versteckt aufbewahren. Dass alle Produkte beschlagnahmt wurden, ist
unseres
Wissens
nach
noch nie vorgekommen. In der Durchsuchungsituation selbst, oder der
Situation einer angedrohten Durchsuchung, ist
es natürlich dann meist zu spät und der Shop durch Beschlagnahmung
des Servers lahmgelegt.
Was
uns auch ziemlich ärgert
ist, dass es bei
Onlineshops zum
guten Ton gehört, sämtliche Kundendaten zu speichern und über
Jahrzehnte aufzuheben. Das ist aus kapitalistischer Sicht natürlich
sehr nützlich um schöne bunte Newsletter versenden zu können und
Kundenkonten anzulegen,
aber ansonsten eben
für die Besteller*innen oft
gefährlich. Die Daten in den Händen der Polizei, oder
beispielsweise von
Nazis,
sind eine reale Gefahr für alle Menschen die bestellt haben (beides
kam übrigens schon vor). In diesem Sinne sollte bei der Speicherung
von Kund*innendaten
um einiges mehr Verantwortungsbewusstsein gezeigt werden!
Kreaktivisten.org und auch einige andere Onlineshops löschen die
Namen
und Adressdaten nachdem die Bestellung verschickt wurde. Wo keine
Daten vorhanden sind, können diese
auch nicht in falsche Hände geraten. Gegen die, an dieser Stelle
oftmals als Argument bemühte, Buchhaltungspflicht verstößt es
übrigens in keiner Weise: Wir sind nicht dazu verpflichtet die
Kundendaten zu speichern. Im Supermarkt sind die Rechnungen
schließlich auch nicht mit einem Namen versehen.
Auch
fänden wir es schön, wenn mehr Shops eine Bestellung per
PGP-verschlüsselter Mail annehmen würden und zudem mehr
"Kund*Innen" die Möglichkeit nutzen würden, verschlüsselt
zu bestellen. Zwar sind inzwischen die meisten Shopsysteme mit einer
TSL-Verschlüsselung (die Standart-Verschlüsselung beim Surfen auf
Internetseiten) ausgestattet, aber meistens erfolgt die
Bestellbestätigung über unverschlüsselte Mails zurück an den*die
Empfänger*in.
An diesem Punkt ist
es natürlich sehr einfach Bestelldaten aus der Mail abzugreifen. Uns
ist nicht bekannt ob so etwas
schon mal vorkam
wurde, möglich ist es aber auf alle Fälle. Das ganze Problem lässt
sich mit der Einrichtung und auch Nutzung (!)
von PGP verschlüsselter Bestellung umgehen.
Was
kann ich als Besteller*in tun, um sicher im Internet zu bestellen?
Zu
aller erst gilt natürlich mal Daten zu vermeiden: Es ist zum
Beispiel eine
schlechte Idee sich ein Onlinekonto bei Versandhändlern
einzurichten, darin sind nämlich praktischerweise alle Bestellungen,
die du jemals getätigt hast, aufgelistet. Aber auch wenn du ohne
Kundenkonto bestellst, werden deine Daten oft jahrelang aufbewahrt.
Schreibe
die Shopbetreiber*innen an und erkläre
ihnen, warum das gefährlich ist und warum du das nicht möchtest.
Vielleicht
können so mehr Shops dazu bewegt werden, einen verantwortungsvollen
Umgang mit Bestelldaten zu entwickeln.
Bei
Shops in denen du mit PGP-verschlüsselter Mail bestellen kannst, ist
das natürlich eine schöne Möglichkeit, um zu vermeiden dass deine
Kundendaten in irgendwelchen automatischen Shopsystemen landen.
Bestellungen per PGP werden nicht in Datenbanken abgelegt (wie das
bei Bestellungen über den Webshop der Fall ist), sondern existieren
nur als verschlüsselte Mail und sind somit um einiges sicherer.
Zu
guter Letzt
natürlich:
Bekenntnisse zu Straftaten, wie zum Beispiel Sachbeschädigung durch
Aufkleber, gehören nicht auf Facebook. Auch keine Spekulationen
darüber, wer das denn wohl gewesen sein könnte. Man
mag es nicht glauben, aber auch die Polizei ist dazu in der Lage
Facebook zu nutzen. Entsprechend ist es
sehr
gefährlich und
unsolidarisch da
sorglos „rumzuposten“. Und alle Bemühungen der
Shopbetreiber*Innen Bestelldaten zu schützen sind total den
Allerwertesten,
wenn Leute nachher auf Facebook ihre Straftaten gestehen,
oder noch schlimmer, unbeabsichtigt andere
verpetzen. Also passt auf was ihr im Internet macht.
Nichts
desto trotz sehen wir einige
Möglichkeiten sicher im Internet Material für z.B. die nächste
Sticker-Aktion
zu bestellen. Eine 100%ige Sicherheit wird es sicherlich nie geben,
aber das darf nicht als Anlass genommen werden, um sich seiner
Verantwortung als Onlineshopbetreiber*in zu entziehen und zu
behaupten man
könnte „eh nichts“ machen.
Wir
wünschen uns eine (politische)
Onlineshopszene, die es sich zur Aufgabe macht Menschen, die
bestellen, möglichst gut vor staatlichen und sonstigen Übergriffen
zu schützen. Dafür ist gegenseitige Solidarität und das Überwinden
von Rivalitätsdenken notwendig.
Für
eine Welt ohne Repression,
Hierarchie und Ausbeutung,
das
Team von Kreaktivisten.org
Vielleicht mal paar Bilder veröffentlichen?
Nicht jedermensch weiß, was man sich unter "Wie immer hielten die Chaot*innen der Polizei es nicht für nötig, das Durcheinander, welches sie veranstaltet haben, hinterher wieder aufzuräumen." vorstellen kann.
Steuerrecht, Aufbewahrungspflichten...
Das Problem ist, daß es für viele shopmäßigen Vorgänge buchhaltungsmäßige und steuerrechtliche Aufbewahrungspflichten gibt. Das ist oft ein unfreiwilliges Motiv, um nicht zu sagen, Zwang, mehr (Kunden)daten länger (sehr viel länger) als für die Abwicklung der Bestellung speichern zu müssen. Wenn man da nix hat (um Kunden anonym zu halten), zieht die Polizei ergebnislos ab und dafür macht einen das Finanzamt zu. Das einzige, was rechtssicher und problemlos und ohne Kundendaten geht, ist cash auf Kralle überm Ladentisch, kein Versand.
OK, nur halb gelesen ....