[FFM] Hausbesetzung von „Project Shelter“ erfolgreich

Shelter for Everybody

Die Gruppe Project Shelter hat gestern, am 5. Juli um 19:30 Uhr, das leerstehendes Gebäude an der Ecke Bergerstraße 307/Spillingstraße 47 in Frankfurt Bornheim besetzt. Durch Verhandlungen mit dem Hausbesitzer konnte die Besetzung erfolgreich zu Ende geführt werden: Das Bistro im Erdgeschoss soll zukünftig von Project Shelter genutzt werden dürfen, um die Örtlichkeit beispielsweise für Treffen, Veranstaltungen und ein Begegnungscafé, in dem sich Migrant*innen und andere Frankfurter*innen treffen können, zu nutzen. Die Besetzung endete um 22:30 Uhr mit einer spontanen Demonstration mit über 300 Teilnehmer*innen zur Konstablerwache.


Die Verhandlungen zwischen Project Shelter und dem Hausbesitzer werden heute fortgeführt, um weitere Details zu klären. „Wir sind sehr froh, dass der Hausbesitzer unser Anliegen verstanden hat und wir so zu einer Einigung kommen konnten - ein wichtiger Teilerfolg für unser Projekt, denn endlich werden wir einen festen Ort für viele unserer Aktivitäten haben können“, so der Aktivist Jakob Dettmar. Nun appelliert die Gruppe erneut an die Stadtpolitik. Denn eine Unterbringung von obdachlosen Migrant*innen ist nach wie vor nicht möglich: „Statt leeren Wahlkampfversprechen brauchen wir endlich etwas handfestes: Ein Haus, in dem wir ein selbstverwaltetes migrantisches Zentrum etablieren können“. Daher sind weitere Aktionen für diesen Monat geplant.


Ziel von Project Shelter ist ein Willkommens- und Beratungszentrum mit Wohnmöglichkeiten für obdachlose Geflüchtete und Migrant*innen. Als Begegnungsort soll ein solches Haus allen Frankfurter*innen offen stehen und aktiv in den Stadtteil eingebunden sein. Project Shelter hat mit der gewaltfreien Besetzung auf die Notlage von über 70 Migrant*innen der Gruppe, die keinerlei staatlichen Hilfeleistungen erhalten und daher permanent von der Obdachlosigkeit bedroht sind. Obwohl Project Shelter seit über einem Jahr die Unterstützung der Stadt Frankfurt fordert, bleibt diese auch nach zahlreichen Gesprächen und Anträgen in städtischen Gremien aus. „Der gestrige Abend hat eine praktische Alternative zu Ausgrenzung, Rassismus und Obdachlosigkeit aufgezeigt. Niemand sollte auf der Straße schlafen müssen, schon gar nicht in einer Stadt voller Leerstand. Die über 300 Unterstützer*innen und die erfolgreichen Verhandlungen haben erneut klar gemacht: eine solidarische Stadt für alle ist gewollt und möglich. Jetzt ist es an der Stadtpolitik, dieses Signal endlich zu verstehen und ein Haus zu Verfügung zu stellen, in dem obdachlose Migrant*innen unterkommen und ein eigenes Leben starten können. Die Politik kann sich nicht mehr rausreden“, resümiert Jakob Dettmar. „Wir haben alle schon in anderen europäischen Ländern gelebt, viele von uns dürften vom Gesetz her hier arbeiten - aber dafür brauchen wir ein Zentrum, wo wir ankommen, wohnen, Arbeit suchen können, um in ein Leben in Freiheit zu beginnen. Als Neuankommer in der Stadt wird uns das bisher unmöglich gemacht“, begründet die Aktivistin Isa B.* das Anliegen von „Project Shelter“. Das Projekt appelliert an alle Frankfurter*innen, den Druck auch in den kommenden Wochen hochzuhalten. „Das war erst der Anfang unseres Aktionsmonats - gemeinsam wollen wir den Protest wieder stärker vor und in den Römer tragen“. so Jakob Dettmar. Die Gruppe lädt daher für nächsten Dienstag um 19 Uhr zu einer zweiten Aktion an den Campus Bockenheim - „es soll noch eine Überraschung bleiben, was wir dieses Mal planen“.

 

OHNE HAUS KOMMT DER EHRENAMTLICHE EINSATZ SCHON LÄNGST AN SEINE GRENZEN

 

Das selbstverwaltete Zentrum soll ein Ort des Ankommens für Zugewanderte sein, die von den städtischen Anlaufstellen keine Hilfeleistungen erhalten. Viele solidarische Frankfurter*innen haben in den letzten Jahren daher ihre Zimmer oder Couches zur Verfügung gestellt, wenn sie beispielsweise verreist waren - so Project Shelter 6. Juli 2016 kann Project Shelter rund 70 Personen unterbringen, aber immer nur für kurze Zeit. Die Migrant*innen sind daher permanent von der Obdachlosigkeit bedroht. Der ehrenamtliche Einsatz ist schon längst an seine Grenzen gekommen: Jede Woche werden dutzende Migrant*innen erneut obdachlos. Und ohne festen Wohnort und damit Meldeadresse können sie keine Arbeitserlaubnis bekommen - selbst wenn sie ein Jobangebot haben.

 

EIN SELBSTVERWALTETES ZENTRUM: UNTERKUNFT, BERATUNG, BEGEGNUNG UND SELBSTBESTIMMTES LEBEN

 

Neben mittelfristigen Wohneinheiten und Notschlafplätzen für neu Ankommende soll ein selbstverwaltetes Zentrum daher auch ein Begegnungscafé und Räumlichkeiten für die Vernetzung von sozialen Projekten beherbergen. Zentrale Forderung ist dabei, dass Wasser und Elektrizität von der Stadt übernommen und das Haus als Meldeadresse anerkannt wird, damit die dort untergekommenen Migrant*innen Arbeit suchen und in ein selbstbestimmtes Leben starten können. „Ich finde es wichtig, dass es nicht nur um Unterkunft geht, sondern um politische Aktionen. Ein selbstorganisiertes Zentrum wäre sehr wichtig für diese Stadt, um gegen Rassimus zu kämpfen, Zugang zu Bildung zu ermöglichen, sich mit den anderen Menschen in der Stadt auszutauschen,“ so Aktivist Zacharia Omar.

 

NATIONALISMUS UND RASSISMUS ENDLICH AKTIV BEKÄMPFEN

 

Die Isolation von Migrant*innen endlich überwinden - das könnte ein selbstverwaltetes Zentrum. Nicht nur die großen Lager wie Idomeni an der griechischen Grenze erinnern uns daran, dass viele Migrant*innen unter unwürdigen Bedingungen leben - auch direkt hier in Frankfurt müssen Menschen alltäglich ohne Versorgung unter Brücken am Main oder rund um den Hauptbahnhof leben. Das zeigt: Die Grenzen verlaufen nicht nur an der gemeinsamen europäischen Außengrenzen im Mittelmeer. Auch in der Stadt werden die Grenzen durch willkürliche Polizeikontrollen und racial profiling, durch die Verunmöglichung, eine Arbeitsstelle anzunehmen immer wieder präsent. „Wenn wir zur Ausländerbehörde gehen, haben wir das Gefühl: die haben Spaß daran, uns zu demütigen. Sie scheinen die Gesetze willkürlich auszulegen, lassen uns immer wieder Dokumente mitbringen, die schon längst vorliegen, und Monate auf ein Ergebnis warten. Wir wollen endlich arbeiten gehen können, doch uns werden nur Steine in den Weg gelegt: Sie wollen uns hier nicht haben“, erzählt die Aktivistin Joy A*. Gerade in Zeiten von AfD, Pegida und brennenden Flüchtlingsunterkünften ist es unumgänglich, sich Rassismus - ob von Behörden oder im Alltag - entschieden entgegen zu stellen. Den eins ist klar: Die nationale Mobilmachung und rechte Hetzte gegen Geflüchtete und Migrant*innen in Europa ist brandgefährlich. Europäische Länder schieben sich Migrant*innen gegenseitig zu, illegalisieren sie, treiben sie mit rassistischen Gesetzen und der Aberkennung von elementaren Grundrechten in die Obdachlosigkeit, an den Rand der Gesellschaft und nicht zuletzt in den Tod auf dem Mittelmeer. „Wir hätten in Frankfurt jetzt die Chance, endlich einen Gegenpunkt setzen: eine gelebte Alternative und ein klares Zeichen gegen Rassismus, Ausgrenzung und für eine solidarische Gesellschaft,“ so Jakob Dettmar.

 

STADTPOLITIK HÄLT IHRE VERSPRECHEN NICHT

 

Bereits im Dezember 2015 und Februar 2016 hat Project Shelter zwei Häuser besetzt. In beiden Fällen räumte die Polizei gewaltsam. Seitdem wurde dem Projekt viel Solidarität aus der Bevölkerung und der Politik signalisiert. Noch vor der Wahl wurde der Antrag, ein selbstverwaltetes Zentrum zu ermöglichen. vom städtischen Planungs- und Bauausschuss als auch vom Sozialausschuss, u. a. durch die Stimmen von Project Shelter 6. Juli 2016 CDU und Grünen, abgelehnt. Sowohl SPD als auch Grüne haben sich in ihren Wahlprogrammen für eine entsprechende Unterstützung von Project Shelter ausgesprochen. Der neue Planungsdezernent und SPD- Vorsitzende Mike Josef hatte beim FR-Stadtgespräch vor der Wahl bekundet, er wolle eine Shelter möglich machen, wenn er in ein entsprechendes Amt käme. „Es ist mehr als an der Zeit, dass die Stadtpolitik ihre Versprechen einlöst“, fordert Jakob Dettmar.

 

KEINE WOHNUNG, KEINE ARBEIT – KEINE ARBEIT, KEINE WOHNUNG

 

„Project Shelter" unterscheidet nicht zwischen „Kriegs-“ und „Armutsflüchtlingen". Viele Migrant*innen aus dem Projekt haben einen dauerhaften Aufenthaltstitel in europäischen Staaten wie Italien. Im Zuge der Wirtschafts- und Finanzkrise verloren sie erst ihre Arbeit und dann ihre Wohnung. Viele sahen keine andere Möglichkeit, als in anderen Staaten nach Arbeit zu suchen. In Deutschland bekommen sie allerdings keinerlei Unterstützung vom Staat und müssen innerhalb von drei Monaten Arbeit finden, um die Chance auf einen dauerhaften Aufenthalt zu erhalten. Hier beginnt der Teufelskreis: Ohne Arbeitsstelle können sie sich keine Wohnung leisten; ohne einen festen Wohnsitz mit Meldeadresse dürfen sie keine Arbeitsstelle annehmen. Dies führt ohne Unterstützung zwangsläufig in die Obdachlosigkeit. Eine Meldeadresse ist daher zentral für ein selbstbestimmtes Leben.

 

EIN PROJEKT VON UND MIT MIGRANT*INNEN

 

Seit Dezember 2014 versucht die Gruppe, obdachlose Geflüchtete und Migrant*innen in Wohnungen in Frankfurt/Main unterzubringen. Schnell war klar: Die kurzfristigen Plätze in beispielsweise Wohngemeinschaften reichen nicht aus. So kam es zum Entschluss, auf politischen Weg eine langfristige Lösung zu suchen. Aus reiner Unterstützung wurde ein politisches Projekt: Eine Gruppe aus rund 80 Migrant*innen, Geflüchteten und anderen Frankfurter*innen, die gemeinsam für ein Ziel kämpft: ein selbstverwaltetes Zentrum, das als Anlaufstelle für schutzsuchende Menschen in Frankfurt dienen soll. Project Shelter versteht sich nicht als ein Projekt für Mirgrant*innen, sondern von und mit Migrant*innen. Die Gruppe möchte gemeinsam und auf Augenhöhe an ihren Zielen arbeiten. Diese widerum speisen sich direkt aus den Bedürfnissen und Erfordernissen der Migrant*innen.

 

*Namen geändert

 

Gerne stehen wir Ihnen für Interviews jederzeit zur Verfügung.

 

press.project.shelter-ffm@riseup.net
0178-7180752

Website: www.projectshelter.net
Twitter: www.twitter.com/projectshelter_ Facebook: facebook.com/Project.Shelter.FFM

 

http://projectshelterffm.tumblr.com/post/146971919858/pm-hausbesetzung-v...

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