Der Infoladen Tübingen feiert 25jähriges Bestehen: Seit 1991 linke Bibliothek, Archiv, Gruppenraum, Büro, Veranstaltungen,...

Infoladen Tübingen

Der Infoladen im Keller des Wohnprojekts Schellingstraße in Tübingen wird 2016 stolze 25 Jahre alt. Die Infoladengruppe nimmt das als Anlass zu feiern, sowie zurück und nach vorne zu blicken.

 

Anfang Februar 1991 wurde das „Infocafé Grenzenlos“ von Personen aus verschiedenen politischen Zusammenhängen eröffnet, von denen auch ein Teil in der Schelling wohnte. Die Schelling selbst befand sich, nach der Besetzung 1980 und vor der Umwandlung in ein Mietshäuser Syndikats-Projekt 2004, damals noch in der - aus heutiger Sicht - Übergangsphase als offizielles Studierendenwohnheim.

 

Der Infoladen samt Café hatte mehrere Wurzeln: Zum Einen gab es seit dem Hungerstreik der politischen Gefangenen 1989 und dem damit verbundenen Aufruf in die Linke hinein, den vergangenen Zyklus der politischen Kämpfe zu reflektieren und einen Neuen zu beginnen, wie in vielen anderen Städten ein sogenanntes „Infobüro“. Das war zunächst und vorläufig im Büro der GRÜNEN in der Neckarhalde untergekommen (welches im Unterschied zu vielen Großstädten dazu nicht besetzt werden musste). Zum anderen waren in den großen Städten schon in den frühen 1980er Jahren Archive und unabhängige Bibliotheken entstanden, auch verbunden mit dem Bedürfnis nach Infofluss zwischen den Städten und Szenen. Auch in Tübingen war das jahrelang von verschiedenen Spektren der linken Szene für wichtig und notwendig befunden worden und konnte mit dem Infocafé endlich umgesetzt werden.


Der Keller der Schelling war bis dahin unausgebaut. Für das Infocafé wurde der heute als Hausbar bekannte Keller nutzbar gemacht. In Eigeninitiative wurden die Räume saniert, Decke abgehängt, Theke mit Wasseranschluß eingerichtet, Strom verlegt, die Toiletten eingebaut,... Möglich wurde das auch, indem beim Studentenwerk finanzielle Mittel zum Ausbau von Gemeinschaftsflächen eingefordert wurden, die dem "Studierendenwohnheim" offiziell zustanden.


In der ersten Zeit war das Infocafé dann mehrmals die Woche nachmittags und Abends geöffnet. Es fanden der Infocafé-Sonntagsbrunch sowie diverse Treffen und Veranstaltungen statt. Eine Bibliothek wurde eingerichtet und linke Zeitschriften abonniert, die bei einer Tasse Nicaragua-Soli-Kaffee gelesen werden konnten.


Es gab einen Frauentag, die (autonome) Infocafé-Gruppe, die (anti-imperialistische) Infobüro-Gruppe und das (BuKo-orientierte) Zentralamerika-Komitee (ZAK, heute ZAK³), welche jede für sich Öffnungstage organisierten und die Infrastruktur nutzten.

 

Mit dem „Infocafé Grenzenlos“ kam so die Infoladenbewegung in Tübingen an. Seit Anfang der 1980er Jahre wurden in Westeuropa und den USA unter dem Begriff „Infoladen/Infoshop“ vor allem in besetzten Häusern und sozialen oder subkulturellen Zentren Orte geschaffen, die das Ziel hatten, Freiräume zu bieten, politische und subkulturelle Vernetzung zu unterstützen und linke Gegenöffentlichkeit zu schaffen. Wie bei den „Kinderläden“ hatte die Bezeichnung „Laden“ primär nichts mit Kauf und Verkauf zu tun, sondern sollte einen Ort bezeichnen, der offen und zugänglich ist und neben Infomaterialien auch Teilnahme in Selbstorganisiation anbietet.


Wenige der ganz frühen Infoläden bestehen heute noch, vor allem, weil besetzte Häuser geräumt und sich Personen und Strukturen verändert haben. Die autonome/antiimperialistische Bewegung, aus der heraus die meisten Infoläden entstanden sind, ist geschrumpft bzw. ausgelaufen und hat sich gewandelt. Ein paar der größeren Infoläden jener Zeit sind inzwischen zu anerkannten Archiven Sozialer Bewegungen geworden... aber immer noch entstehen heute weltweit neue Infoläden, in besetzten Häusern, sozialen Zentren, Wohnprojekten.

 

Das Infocafé Grenzenlos bestand in der ersten Form bis 1995. Zwischen 1995 und 1998 gab es keine regelmäßigen Öffnungszeiten, aber es fanden weiterhin Gruppentreffen statt, hin und wieder wurden auch Veranstaltungen organisiert. Damals entwickelte sich aus dem Infocafé die eigenständige Mittwochshausbar, getragen von Bewohner*innen der Schelling.


Nach der Neugründung einer Infoladen-Gruppe 1998 gab es ab Anfang 1999 wieder regelmäßige Öffnungszeiten: Immer Dienstags 17:30 bis 19:30 Uhr. Zudem wurde ab Anfang 2000 der erste Mittwoch im Monat als fester Termin für Veranstaltungen der Infoladengruppe in der Hausbar reserviert.

 

Seitdem wird der Infoladen (der 2005 im Zuge der letzten Besetzungsaktion innerhalb der Schelling nach einer Komplettsanierung in den hintersten Kellerraum umzog), oft in Kombination mit der Hausbar, auf verschiedenste Weise genutzt. Es finden regionale und überregionale Treffen, Seminare, Workshops, Vorträge, Diskussionsrunden, Info- und Filmabende statt. Die Infoladen-Hausbar an jedem ersten Mittwoch im Monat hat sich zu einem etablierten Termin entwickelt - mit einem veganen Essen zu kleinem Preis (Volxküche/VoKü), einer Infoveranstaltung und danach Reden, Diskutieren und gemütliches Zusammensitzen.


Über 200 Veranstaltungen hat alleine die Infoladengruppe seit 1998 in Infoladen und Hausbar durchgeführt (Auflistung hier: https://infoladen.mtmedia.org/vergangene-veranstaltungen/) und fast ebenso oft ein warmes Essen dazu serviert. Das ist tatsächlich bemerkenswert, nicht nur für Tübingen, auch in anderen Städten finden sich wenige linke, „ehrenamtlich arbeitende“ Veranstaltungsgruppen und VoKüs, die eine solche Kontinuität haben!


Dabei gab es Jahre in denen weniger los war und eine Veranstaltung schon mit 10 Besucher*innen als gut besucht galt. In den letzten fünf Jahren haben die Infoladen-Veranstaltungen dagegen selten weniger als 30 Besucher*innen gesehen, meist ist die Hausbar voll und mit 120 Besucher*innen des Hausbesetzungs-Podiums im Januar 2015 war ein neuer Rekord erreicht, dem die Organisierungs-Hausbar einige Monate später nur wenig nachstand...

 

Wir wollen das Jubiläum 2016 nutzen, um in Gesprächen, Veranstaltungen, einer Party,... Fragen rund um den Infoladen nachzugehen. Ende 2016 könnten dieses Fragen und Antworten, die wir darauf bekommen und gefunden haben, in eine Broschüre einfliessen:


Was hat die Gründer*innen 1990/91 bewogen, den Keller der Schelling zum „Infocafé Grenzenlos“ umzubauen? Welches Konzept stand dahinter, was sollte das Infocafé sein, wie hat es funktioniert? Was führte zum Winterschlaf schon nach kurzer Zeit, bis sich 1998 eine neue Infoladengruppe gründete? Was hat diese neue Gruppe bewegt, den Infoladen zu beleben, welches Konzept hatte sie? Wie sah das in den 2000er Jahren aus, wie ist es heute? Was bedeutet der Infoladen für linke Politik in Tübingen, wir wird der Infoladen von Gruppen gesehen, die ihn nutzen und nicht nutzen, von Leuten, die auf die Veranstaltungen kommen, Bücher ausleihen, im Archiv recherchieren,... Und wie geht’s Infoläden in anderen Städten und Ländern? Was bedeutet „Freiraum“ und „Gegenöffentlichkeit“ heute? Was können Bewegungsarchive bieten? Diese und viele weitere Fragen würden uns interessieren, wenn wir im Jahr 2016 Euch alle und ehemalige Infoladen-Aktive zum Gespräch einladen.

 

Die große Infoladen-Geburtstagsparty steigt am Samstag 11. Juni, mit Konzert, Tanz und mehr.


Im Rahmen der regulären Infoladen-Hausbars wird es am Mittwoch 1. Juni eine Veranstaltung mit Leuten geben, die 1991 das Infocafé Grenzenlos mitgegründet haben (http://www.tueinfo.org/cms/node/23304).

 

Infoladengruppe Tübingen, im Mai 2016
https://infoladen.mtmedia.org/

Zeige Kommentare: ausgeklappt | moderiert

Na dann, nen herzlichen Glückwunsch - auf die nächsten 25 Jahre.