Österreich 2016: nach der Bundespräsidentenwahl

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In ihrem Unglück haben die demokratischen und revolutionären Kräften in Österreich eine hervorragende Chance, in der Geschichte vorwärts zu gehen. Zwar hat die Rechtsradikale Bewegung FPÖ 35,05% bei der Bundespräsidentenwahl gekriegt, dafür hat aber der Grüne Alexander Van der Bellen 21,34% der Stimmen und wird also sein Gegner zweiten Wahlgang in Mai sein.

Das heisst also, dass der historische Widerspruch zwischen Stadt und Land eine neue Form genommen hat, in einem Land das national davon tief geprägt ist. Das Produkt davon war die politische Teilung des Landes zwischen die ÖVP und die SPÖ, die gemeinsam seit 1945 regiert haben.

 

Die Städte waren sozialistisch, das Land war klerikal-konservativ ; nach dem Zerfall durch den Anschluss, war ein Kompromiss – ein antikommunistischer Kompromiss – durchgemacht, unter der Aussicht beider Supermächten.

 

Die Wahlen haben aber jetzt alles verändert. Wir müssen in Betracht nehmen, dass bei der 2004 Bundespräsidentenwahl die ÖVP noch 47,6 % gekriegt hatte, die SPÖ 52,4 % mit Heinz Fischer, der sogar in 2010 79,3 % der Stimmen hatte !

 

2016 hat die SPÖ… 11,1 % gekriegt, die ÖVP 11,8 %. Dafür besitzt jetzt die FPÖ das Land, die Grünen – eine linksradikale reformistische kleinbürgerliche fortschrittliche Partei – die Städte. Beide kriegen entweder hier oder dort den ersten Platz.

 

Da aber die Grünen eine kleinbürgerliche Partei ist, heisst das also auch dass die proletarischen Massen sich, genauso wie in Frankreich mit dem Front National, durch die FPÖ ausdrücken. Die Karte der Wahlen in Wien zeigt eindeutig, wie stark die FPÖ ist.

 

Warum ist also die Lage eine Chance für die demokratischen und revolutionären Kräften in Österreich ? Weil die FPÖ keine Partei ist, sondern eine populistische Massenfront der Rechtsradikalen ; es ist eine anti-politische Bewegung.

 

Seit 20 Jahren ist die national-sozialistische Fraktion des Staates, die noch extrem stark war in den 1960er-1980er Jahren war, total zusammengebrochen.

 

Zwar kann die Zeitschrift Aula noch legal, wie vor einigen Monaten, Menschen, die aus Konzentrationslagern befreit wurden, als „Landplage“ und „Massenmörder“ bezeichnen. Es ist aber nur ein politischer Überrest einer verlorenen Bewegung.

 

Es wird also sehr schwer für die Rechtsradikalen sein, ein Programm zu haben. Und es ist genau dasselbe für die Grünen, die auch eine Front sind, ein Bündnis modernistischen Kräften.

 

Es heisst also, dass die FPÖ und die Grünen keine politischen Formen entwickeln werden können, wie die SPÖ und die ÖVP es gemacht haben. Und es ist schon klar, dass die FPÖ in Richtung Russland und die Grünen in Richtung Deutschland schauen : diese „Parteien“ werden sich bald als Kern einer bürokratischen Bourgeoisie umwandeln.

 

Die österreichische Bourgeoisie ist zu schwach, um allein die Situation zu meistern und die Entwicklung der FPÖ und der Grünen zeigt, dass die demokratischen und revolutionären Kräften in Österreich Raum haben, um ein Programm zu bauen, in Richtung einer Volksdemokratie.

 

Eigentlich ist es dieselbe Situation wie in Frankreich, das aber viel stärker als imperialistische Kraft ist. Deswegen braucht Frankreich den imperialistischen Krieg, den aggressiven Faschismus, wenn Österreich den russischen  – deutschen Prozess zu begleiten sucht, als imperialistischen Satellit.

 

 

http://lesmaterialistes.com/deutsch/osterreich-2016-nach-der-bundesprasidentenwahl

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Van der Bellen ist mir bekannt, seit er zum gruenen Boss wurde. Weiss nicht mehr, wie lange das her ist, aber an eines kann ich mich sehr gut erinnern: An seine Aussagen zu Migration, die ich damals - bis heute - mehr als problematisch befinde. Denn was Van der Bellen vor Jahren forderte, ist im Prinzip nichts anderes, als das, was die EU und ihre Mitgliedsstaaten derzeit machen: Die Etablierung eines Selektionsprinzips. Ja, genau das hat Van der Bellen damals gefordert, mit Blick auf die Notwendigkeit fuer die Wirtschaft. Denn die Wirtschaft brauche noch mal (billige) Arbeitskraefte, und deshalb sei es notwendig, dass Migrant_innen der Zugang zu Oesterreich gewaehrt wird. Diese Logik anders ausgedruckt: Wer gebraucht wird, kann bzw. darf kommen, der Rest .... Die Loesung ist immer eine Frage. Jedenfalls vermisse ich bei den Gruenen seit Jahren klare Positionen in Sachen Migrationspolitik. Da werden immer wieder mal Missstaende angeprangert, wird ein "menschenrechtskonformer", ein "humaner" Umgang mit Gefluechteten gefordert, aber grundsaetzlich kontraere Positionen zur herrschenden Logik kann ich bei bestem Willen keine finden.

 

Ein Beispiel gefaellig? Schauen wir in die Praxis von Schubhaft und Abschiebungen. Immer wieder wurden von Gruenen die Missstaende in Schubhaft angeprangert, wurde laut geschrien, wenn wieder mal wer ebendort ermordet wurde. Dass diese Vorfaelle: Misshandlungen bis hin zum Mord Teil des Systems von Schubhaft und Abschiebungen sind und solange auf der Tagesordnung stehen werden, solange diese Institutionen zur Exekution des staatlichen Rassismus existieren, duerfte bis heute noch nicht ins gruene Bewusstsein vorgedrungen sein. In Sachen Migrationspolitik bietet diese Partei vor allem humanistisches Geschwafel, dass die eigentlichen Ansaetze der Gruenen Spitzen (an der Basis moegen unter Umstaenden andere Vorstellungen existieren) nichts anderes sind, als ein Selektionsprinzip. Die Wirtschaft braucht.... schoen, dass die Wirtschaft braucht. Aber: Ich migriere bzw. fliehe sicher nicht aus dem einzigen Grund, weil die Wirtschaft braucht. Ich habe meine eigenen Interessen und Beweggruende, die mich zur Mirgation bewegen. Und um diese geht es, um die individuellen Beduerfnisse und Interessen jedes und jeder Einzelnen. Solange dies nicht klar in den Positionen der Gruenen zu erkennen ist, kann ich diese Partei bei besstem Willen nicht unterstuetzen, und schon gar nicht den wirtschaftsliberalen Professor, der das "hoechste Amt im Staat" anstrebt.

 

Das bedeutet jetzt nicht, dass mir Van der Bellen als Praesident nicht lieber ist, als die braune Wahlalternative. Diesem dahergelaufenen Hoferling vergoenne ich rein gar nichts. Aber das Problem ist, dass fuer viele Leute eigentlich keine waehlbare Alternative besteht, dass es fuer mich zum Bsp. keine einzige Partei gibt, von der ich meine Interessen auch nur annaehernd vertreten sehe. Und das ist das Problem: Es gibt keine "linke" Partei in Oesterreich, die ein, nennen wir es mal umgangssprachlich "fortschrittliches" Programm aufweisen kann. Die oben erwaehnte KPOE hat sich selbst disqualifiziert, zuletzt mit ihrer Finanzierung des braunen Wiener Sumpfes. Und sonst: Alle Sekten, die immer wieder mal zu Wahlen antreten, kann ich bei bestem Willlen nicht ernst nehmen, stehen aus meiner Sicht doch in erster Linie deren persoenlichen Interessen im Vordergrund - verbunden mit einer sehr ueberholten Weltvorstellung (wie zB alle Macht dem Proletariat). Was also tun? Das kann ich euch sagen: Wenn es einen konsequenten Weg geben soll, dann ist dieser nur ueber einen breiten Wahlboykott erreichbar, verbunden mit dem Aufbau ausserparlamentarischer Strukturen. Denn nur dann, wenn die Leute nicht einfach mit sich machen lassen, was die Herrschenden von ihnen wollen, wenn sie sich nicht ihrem autoritaeren Gehabe unterordnen und selbst das Wort ergreifen und dieses in die Tat umsetzen, nur dann ist eine wirkliche Veraenderung moeglich. Nur so koennen die Herrschenden gezwungen werden, ihre chauvinistischen Weltvorstellungen aufzulockern und die Menschen selbst ueber ihr Leben bestimmen lassen.

 

Und was die SPOE betrifft: Ich denke, diese Partei hat ein Problem, ein sehr grosses Problem, das mit einem Wort beschrieben werden kann: Rassismus! Solange diese Partei es nicht schafft, ihr Programm in Theorie und Praxis vom Rassismus zu befreien, wird sie nichts anders bleiben als eine Wegbereiterin fuer den braunen Sumpf. Es sind nicht die Klassen, um die es geht, es sind schlicht und einfach Menschen, deren individuellen Interessen und Beduerfnisse zaehlen. Wenn ich jedoch die Interessen und Beduerfnisse einzelner ueber jene der anderen stelle, dann ist klar, dass die Ungerechtigkeit bestehen bleibt. Und deshalb ist es wichtig, um an die Analyse im obigen Kommentar anzuschliessen: eine Welt ohne Ausbeutung zu errichten bedarf klarer Positionen. Und mein Mindestkonsens, von dem ich sicher nicht abruecken werde, ist kurz und einfach formuliert: Nein zu institutionellem Rassismus, was gleichbedeutend ist mit einem klaren Nein zu Schubhaft und Abschiebungen (und davon hab ich von den Gruenen bisher nichts vernehmen koennen, leider). Denn solange Menschen lediglich aufgrund von fehlenden oder falschen Papieren eingesperrt oder abgeschoben werden, koennen wir von keiner "Welt ohne Ausbeutung" sprechen. Und dass dies einhergeht mit einem globalen Kampf gegen Ausbeutung, liegt auf der Hand. Denn erst dann, wenn die globale Ausbeutung (der immer noch nicht beendete Kolonialismus!) beendet wird, kann eine neue Gesellschaftsform entsehen, die nicht auf Ausbeutung beruht. Eine Welt, in der tatsaechlich alle Menschen die gleichen Privilegien geniessen. Doch um dies zu erreichen, muessen die Ueberprivilegierten (und dazu zaehlen die sog. Bio-Oesterreicher_innen nun mal) endlich ihre Privilegien hinterfragen - und bereit sein, diese aufzugeben. Zweifelsohne keine leichte Aufgabe, aber was ist schon einfach auf dieser Welt, abgesehen von den plumpen Loesungsvorschlaegen der Rassist_innen und Faschist_innen. No pasaran!

Danke für die Antwort. Wie gesagt, ich lebe nicht in Österreich, von daher ist mir die grüne Position hinsichtlich Migration nicht zu 100% klar. Insofern schließe ich mich Deiner Kritik natürlich an. Ein Wahlboykott müsste aber dann auch mit Demos und Infoständen am Wahltag einhergehen, an denen man klar Position bezieht und sagt, wieso man die Wahl boykottiert. Aber ich denke, da stimmen wir überein