Justizvollzugsanstalt solidarisiert sich mit Anti-Atom-Aktivistin?

nicht-haftantritt

Die Aktivistin Cécile Lecomte wurde 2013 wegen einer Anti-Atom-Aktion zu einem Bußgeld von 20 Euro verurteilt. Da sie sich weigerte, dies zu bezahlen, erhielt sie eine Ladung zum Haftantritt zur Erzwingungshaft in der JVA Hildesheim. Als sie heute Vormittag gegen 10 Uhr ihre eintägige Haft antreten wollte, wurde ihr überraschend mitgeteilt, das Bußgeld sei bereits bezahlt worden, sie müsse nicht in die JVA.

Erst auf wiederholte Nachfrage wurde ihr schließlich mitgeteilt, wer das Bußgeld übernommen hatte: Zum großen Erstaunen der anwesenden Aktivist*innen war es die Hauptstelle der JVA in Vechta selber. „Wir finden: Das ist ein guter Anfang. Wir fordern sämtliche JVA auf, in Zukunft alle Bußgelder zu übernehmen“ so eine der Unterstützerinnen. „Strafe als Konzept zum Umgang mit unerwünschtem Verhalten ist kontraproduktiv, insbesondere Haftstrafen erzeugen und verschärfen Probleme, anstatt irgendwem zu helfen. Zweck ist schlicht die Aufrechterhaltung der staatlichen Ordnung, wir hingegen setzen uns ein für eine Welt ohne Knast und Strafe“.

 

Die Aktivist*innen gehen jedoch davon aus, dass die JVA Vechta das Bußgeld nicht aus grundsätzlich straf- oder haftkritischen Gründen übernommen hat, sondern weil der Vorgang ihnen zu nervig war: Die Angestellten der JVA sowie am zuständigen Gericht in Dortmund mussten sich mit zahlreichen Anträgen und solidarischen Anrufen beschäftigen. Wer bei der JVA Vechta konkret im Endeffekt die Entscheidung getroffen hat, das Bußgeld zu bezahlen und der Justiz Nordrhein-Westfalen die 20 Euro zu überweisen ist bisher nicht bekannt.

Formaljuristisch wirft dieser Vorgang zahlreiche Fragen auf: Auf welcher Rechtsgrundlage und aus welchem Budget wurde das Geld aus Niedersachsen nach NRW überwiesen? Wer trägt die Verantwortung für diese Entscheidung? Wie steht es um das Rechtsstaatsverständnis der JVA Vechta, wenn sie sich weigert eine durch eine anderes Bundesland verhängte Erzwingungshaft zu vollstrecken, indem sie eine in NRW verhängte Strafe selbst zahlen?

Die Aktivist*innen hingegen bereiten sich auf weitere Aktionen vor: In den kommenden Tagen rechnen sie erneut mit Atomtransporten, denen sie sich wieder auf die eine oder andere Weise in den Weg stellen wollen.

 

Weitere Informationen zu den anstehenden Atomtransporten und Aktionen dagegen:

www.nirgendwo.info

www.urantransport.de
www.atomtransporte-hamburg-stoppen.de

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Laut abendblatt hat es der Leiter der JVA Vechta privat gezahlt, "so sei es der beste Weg für alle Beteiligten"...

"Wie steht es um das Rechtsstaatsverständnis der JVA Vechta, wenn sie sich weigert eine durch eine anderes Bundesland verhängte Erzwingungshaft zu vollstrecken, indem sie eine in NRW verhängte Strafe selbst zahlen?"

 

Laut Abendblatt geht die Sachlage auf das (Rechts-)Verständnis des Leiters der Anstalt zurück. Und man könnte doch einfach mal annehmen, dass dessen Rechtsverständnis in diesem Fall ziemlich genau der Forderung "ohne Knäste" entspricht. Ist doch cool, muss man nicht draufhauen, kann man mal Applaus geben.

Am gestrigen Dienstag trat die Aktivistin Cécile Lecomte eine angeordnete eintägige Erzwingungshaft in Hildesheim nicht an, da das Bußgeld bereits gezahlt worden war.Unsere gestrige Pressemitteilung dazu und die folgenden Presseanfragen an die JVA Vechta brachten etwas Licht ins Dunkel…

Nach Angaben aus der Presse hat der Leiter der Justizvollzugsanstalt das Bußgeld für die Anti-Atom-Aktivistin privat bezahlt. Eine Sprecherin der JVA betonte: „und zwar als Spende und nicht aus Haushaltsmitteln“.  Er sei der Ansicht gewesen, „dass dies für alle Beteiligte die geeignete Lösung ist“ (Artikel in der WAZ).

Der ausgehändigte Überweisungsbeleg vermag die These der Privatzahlung nicht zu bestätigen, verbucht ist die Zahlung hier als „Hausgeld“, mehr geht jedoch nicht daraus hervor.

Dass der JVA-Leiter jedoch nicht in Solidarität mit der Atomkraftgegnerin handelte, sondern vermutlich schlicht, weil er weniger Ärger und Trubel haben wollte, wird daran deutlich, dass er das Geld gegen den Willen der Aktivistin einzahlte und diese von keiner Stelle darüber informiert wurde, dass das Bußgeld bereits am 9.März bezahlt wurde. Im Gegenteil, auf ihre Anträge an die JVA beispielsweise zum Erhalt von Medikamenten reagierte diese nicht, obwohl sie längst wusste, dass es keine Haft geben würde. (Ihr eigener Bericht dazu findet sich hier)

In einem Artikel im Freitag wird Anstaltsleiter Oliver Weßels zitiert: „Die Arbeit unserer Bediensteten ist schwer genug, als dass man sie auf eine Bühne für politische Aktionen zerren sollte“. Der Artikel endet passend mit dem Resümee, dass es gerade dieser kuriose Vorgang sei, der noch weitere Aufmerksamkeit erregt habe. Wie der NDR berichtet, muss sich der Anstaltsleiter nun wegen des Vorgangs auch gegenüber dem Justizministerium erklären, erhält zahlreiche Interviewanfragen und bereut seine Handlung mittlerweile.

Den Vorgang gab es wohl so nur, weil Öffentlichkeit in dem Fall aufmerksam gemacht werden konnte. In den meisten Fällen von Erzwingungshaft oder anderen Knaststrafen ist das nicht der Fall und Menschen werden weggesperrt, weil sie schlechtweg nicht das Geld haben, die Strafen zu zahlen. Gegen diesen Justizapparat gilt es weiter anzugehen.

Da sieht man mal, was diese sogenannte "Kreative Antirepression" bringt. Der Knastleiter wird nie wieder Menschen vor der Haft retten.

"Der Knastleiter wird nie wieder Menschen vor der Haft retten."

Scheiße, macht er ja normalerweise bestimmt gewohnheitsmäßig.

Andersrum wird ein Schuh draus: Durch die "Drohung" von kreativer Antirepression war der Knastleiter schon vorab so genervt, dass er lieber eigenmächtig die Repression sabotiert hat. Wenn das mal nicht ein Erfolg ist! Dass er dafür von den Gläubigen des Rechtststaats einen Rüffel kriegt ist dann auch nicht so überraschend. Das macht aber nicht unmöglich, dass so ein Verhalten evtl. irgendwann als "normal" totgeschwiegen wird, wenn ein Knast sich einzelne Gefangene nicht zumuten will.

 

Zum besseren Verständnis der Idee von kreativer Antirepression empfehle ich dieses Video.